„Die Fahrradbranche im Krisenmodus“: Eine Roland-Berger-Studie stellt ein dickes Fragezeichen hinter den Fahrrad-Boom. Absätze brechen ein, Fahrradhersteller gehen pleite. Nur ein Geschäftsfeld verspricht Wachstum.
- Gewinneinbußen, Verluste statt Fahrrad-Boom: So leiden die Marken
- Überproduktion und volle Lager bremsen Fahrrad-Boom
- Autokonzerne nützen Fahrrad-Boom und werden zur Konkurrenz
- Leasing als der neue Fahrrad-Boom
- Hohe Rabatte für Kunden
Es ist kaum zu glauben. Die Fahrradwege sind vielerorts längst zu eng geworden, und egal, ob es herbstelt, regnet oder die Sonne scheint – immer mehr Menschen sind mit Rädern unterwegs. Radfahren ist ein entscheidender Puzzleteil im Rahmen einer Verkehrswende in urbanen Bereichen. Und trotzdem soll der Fahrrad-Boom vorerst am Ende sein – das schlussfolgert die bekannte Beratungsfirma Roland Berger in einer jüngst veröffentlichten Studie: „Übervolle Lager, steigende Kosten und ein historisch schlechtes Konsumklima: Es gibt nur wenige Wirtschaftszweige, die in jüngster Zeit einen solch massiven Abschwung verzeichneten wie die Fahrradbranche.“
Gewinneinbußen, Verluste statt Fahrrad-Boom: So leiden die Marken
Überproduktion und volle Lager bremsen Fahrrad-Boom
Was ist da geschehen? In den Corona-Jahren feierte man Verkaufsrekorde, die Preise erreichten Grenzwerte eines Klein- oder Gebrauchtwagens. Private-Equity-Firmen mischten sich ins Geschäft, Fahrradhersteller erlebten atemberaubende Finanzierungsrunden und scheffelten Geld für die Zukunft. Alles schien zu rollen. Auf Elektro-Mountainbikes gab es monatelange Wartezeiten.
Viele große und kleine Hersteller und Zulieferer prophezeiten ein grenzenloses Wachstum und stürzten in eine Überproduktion und volle Lager. Ein Geschäftsführer der von Roland Berger befragten Firma erklärte sogar: „Wir haben derzeit praktisch keinen Materialeinkauf mehr. Aufgrund des Überschwangs 2021/22 haben wir auch wegen der langen Bestellvorlaufzeiten viel zu viel bestellt. Wir müssen kleine Ergänzungen für das eine oder andere Neuheitenmodell beschaffen, aber wir können circa 85 Prozent unseres Materialbedarfs für die nächsten 15 Monate aus dem Teilelager bestreiten. Nur damit halten wir uns liquiditätsmäßig über Wasser.“
Autokonzerne nützen Fahrrad-Boom und werden zur Konkurrenz
Nicht nur, weil die Porsche-Räder schon in den Vorjahren Erfolge gefeiert hatten. Firmen wie Storck entwickelten für Porsche Räder und schafften Renditen von 20 Prozent – wovon viele Autohersteller nur träumen können. Selbst Ducati baute Mountainbikes jenseits der 11.000 Euro-Marke.
Leasing als der neue Fahrrad-Boom
Volkswagen setzte sich im Radgeschäft ein klares Ziel: 2030, so hieß es offiziell, wolle man die Nummer eins im Fahrradleasing werden. Eine Million Fahrräder sollten 2030 ins Leasinggeschäft rollen, prophezeite man 2023 bei der IAA Mobility in München. VW bildete eine eigene Allianz mit einem der größten Fahrradhersteller der Welt, mit dem man auch den Kauf des Autovermieters Europcar abgewickelt hatte: Mit dem niederländischen Partner Pon und dessen Fahrrad-Mehrmarkenreich will man die Märkte in den USA und Europa erobern. Mit unterschiedlichen Rädern und Konzepten und darauf vertrauend, dass auch immer mehr Firmen im urbanen Bereich auf Leasingräder umschwenken. Gerade die hohen Preise bei den E-Bikes sollten das Leasing-Geschäft beschleunigen.
Hohe Rabatte für Kunden
Bei Roland Berger analysiert man trocken, dass nicht einmal die Leitmesse Eurobike Schwung ins Geschäft brachte. „Wichtige Marktplayer gehen davon aus, dass der Absatz und Umsatz 2025 nochmals unter dem Vorjahr liegt und sich die Probleme der Fahrrad- und Komponentenhersteller weiter verschärfen könnten.“
Die Folgen: Hohe Rabatte, was wiederum die Kunden freuen dürfte. Mit einer Erholung wird erst 2026 gerechnet. Und die Fahrradhersteller suchen immer öfter den Weg direkt zum Kunden und bremsen so den Fahrradhandel aus.
Die Studie, die gemeinsam mit dem Göttinger Pressedienst Fahrrad erstellt wurde, zieht den „übergeordneten Trend zur CO2-freien Mobilität in Europas Städten“ trotzdem nicht in Zweifel. Das Fahrrad bleibe „ein wichtiger Bestandteil der Verkehrswende“. Der Wille zur Verkehrswende sei zu groß, als dass man ihn brechen könnte. Aber die Branche müsse sich ändern, mehr auf Markenbildung achten und die Sortimente verkleinern und nachschärfen.