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Ein Alleskönner - und Red Bulls Zukunft? Das ist Liam Lawson

Das Warten hat sich gelohnt. Nach starken Leistungen als Notnagel in der vergangenen Saison ist Liam Lawson nun als Stammfahrer in der Formel 1 angekommen. Doch was zeichnet den Neuseeländer aus?

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Ersetzt Daniel Ricciardo in der Formel 1: Liam Lawson. IMAGO/NurPhoto

Fahrerwechsel während einer Saison haben bei Red Bull und dem Tochterteam Racing Bulls durchaus Tradition, und doch ist der diesmal gewählte Zeitpunkt ungewöhnlich. Bereits vor dem vergangenen Rennen in Singapur, dem siebtletzten Lauf dieser Saison, sickerte durch, dass die Zeit von Daniel Ricciardo in der Formel 1 nun endgültig vorbei ist. Red Bull war zum Handeln gezwungen, zwar nicht unbedingt aus sportlichen, aber aus vertraglichen Gründen.

Denn der Kontrakt mit Ersatzfahrer Liam Lawson setzte voraus, dass der Neuseeländer spätestens nach dem Singapur-Rennen in einem der Red-Bull-Cockpits sitzen muss. Wenn nicht, hätte Lawson das Recht gehabt, sich anderen Rennställen anzuschließen. Der Konstrukteursweltmeister wollte seinen derzeit vielversprechendsten Nachwuchsfahrer auf gar keinen Fall verlieren – und so kam es zum letztlich unwürdigen Abschied Ricciardos.

Lawson wird nach Oliver Bearman, der als Ersatz für Carlos Sainz in Saudi-Arabien beziehungsweise Kevin Magnussen in Baku ran durfte, und Franco Colapinto, der den geschassten Logan Sargeant im Williams ersetzte, nun der dritte Rookie, der in dieser Formel-1-Saison in ein Cockpit schlüpfen wird. Der 22-Jährige betritt derweil bereits bekanntes Terrain.

In der vergangenen Saison schlug in Zandvoort schon die Stunde von Lawson, nachdem sich Ricciardo, gerade erst wieder in die F1 zurückgekehrt, bei einem Unfall im Training das Handgelenk brach. Der Australier musste operiert werden, für die folgenden fünf Rennen sprang Lawson ein. Ohne jegliche Anpassungsprobleme legte er los, typisch für ihn.

Die Eltern verkauften sogar ihr Haus

Sein Handwerk bekam Lawson, im Gegensatz zu vielen anderen Fahrern, nicht in die Wiege gelegt. “Keiner aus meiner Familie ist Rennen gefahren, ich wurde auch nicht durch ein Familienmitglied zum Kart-Sport gebracht. Es war einfach etwas, das ich machen wollte”, so Lawson, der noch in Zeiten der Formel 2 über seine Kindheit sprach. “Mein Vater besorgte mir ein Go-Kart und musste alles von Grund auf lernen – wie man das Kart fährt, wie man am Motor arbeitet, wie man mir hilft, das Fahren zu lernen, weil er keine Ahnung hatte. Während meiner gesamten Karriere hat er sich dann sehr bemüht, mich im Rennsport zu halten”, so Lawson über seinen durchaus ungewöhnlichen Weg in den Motorsport, für den seine Familie ein großes Risiko eingegangen ist. “Meine Eltern und meine ganze Familie haben wirklich viel gegeben, vor allem in den ersten Jahren mit den Go-Karts, weil die so teuer sind”, so Lawson im Podcast “Talking Bull”. “Meine Eltern haben ihr Haus verkauft, damit ich weiter Rennen fahren konnte. Das ist gewaltig.”

Ich bin zu allen Rennen gegangen, aber nicht gefahren und habe jede Sekunde davon gehasst.

Liam Lawson

Als Jugendlicher hatte Lawson zunächst ein großes Ziel – die Teilnahme an der “Toyota Racing Series”, der größten Meisterschaft seines Heimatlandes. Der Haken an der Sache: Er war zu jung. “Als ich ein Kind war, habe ich mir das oft angeschaut, und ich wollte da mitfahren. Ich habe versucht, eine Ausnahmegenehmigung für mein Alter zu bekommen, aber sie haben mich nicht fahren lassen, also bin ich zu allen Rennen gegangen, aber nicht gefahren und habe jede Sekunde davon gehasst”, erinnerte sich Lawson.

2019 hatte das Warten aber ein Ende, Lawson durfte endlich antreten und gewann prompt den Titel. Mit seiner offensiven Fahrweise wusste er schon früh aufzufallen, durch teilweise mutige Überholmanöver ließ er von Ferrari und Red Bull unterstützte Talente hinter sich. Das brachte ihm schließlich ein Angebot der Red Bull Academy ein. Der Vertrag wurde bereits am Tag nach dem Titelgewinn unterzeichnet.

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Nachdem sich Lawson in seinem Heimatland gegen Gleichaltrige durchgesetzt hatte, war es an der Zeit, dauerhaft nach Europa umzusiedeln – nun mit Unterstützung der Formel 1. Zunächst trat Lawson 2020 mit dem Team “Hitech” in der Formel 3 an. Drei Rennsiege genügten, um sich für 2021 ein Cockpit in der Formel 2 zu sichern. Um teilweise große Lücken im Rennkalender zu füllen, startete Lawson parallel in der DTM für das Team “AF Corse”, wo er auf Anhieb Zweiter in der Gesamtwertung wurde. Was am Ende sogar enttäuschend war. Denn Lawson wusste so zu beeindrucken, dass ihm in seiner Rookie-Saison der DTM-Titel eigentlich nicht mehr zu nehmen war. Inmitten eines hitzigen Saisonfinales war Lawson jedoch in Kollisionen verwickelt, was letztlich einen faden Beigeschmack hinterließ. Ein empfindlicher Rückschlag, aber Lawson hatte einmal mehr die Fähigkeit bewiesen, sich an völlig neue Gegebenheiten anzupassen und gestandene Profis zu schlagen. Darunter sein künftiger F1-Konkurrent Alexander Albon.

Noch kein Vertrauen von Red Bull

Nach nur einem Sieg im ersten F2-Jahr steigerte sich Lawson 2022 zudem auf deren vier. Neben seiner Qualität auf der Strecke stellte er auch unter Beweis, Schwächen am Auto auszumerzen.  “Er macht das Beste aus einer Situation. Selbst wenn es nicht unbedingt erwartbar ist, dass gute Ergebnisse kommen werden, schafft er es, also bin ich beeindruckt”, sagte sein damaliger Teamchef Trevor Carlin während seiner zweiten F2-Saison. All das qualifizierte Lawson für einen weiteren Schritt näher an die Formel 1, 2023 wurde er Reserve-Fahrer für Alpha Tauri – die heutigen Racing Bulls.

Im gleichen Jahr folgten Siege in der japanischen “Super Formula”, die einmal mehr bewiesen, dass Lawson in allen Disziplinen schnell war, gut mit jeder Ingenieursgruppe zusammenarbeitete und eine starke Mentalität hinter dem Lenkrad besaß. Zu diesem Zeitpunkt war Red Bull bereits klar, dass sie ein großes Talent in ihren Reihen hatten. Den direkten Schritt in die F1 traute man Lawson aber noch nicht zu – und so verpflichtete Red Bull mit Nyck de Vries einen bereits erfahreneren Fahrer aus der Mercedes-Familie. Eine Entscheidung, die man damals schon anzweifeln konnte und sich wenig später als falsch herausstellte, da de Vries in der Königsklasse etwas überfordert wirkte und zur Saisonhälfte durch eben jenen Ricciardo schon wieder ersetzt wurde.

Auch diese Personalentscheidung war aber ein weiteres Indiz dafür, dass Red Bull die eigentliche Sinnhaftigkeit des Tochterteams aus den Augen verlor. Nämlich die, junge Fahrer in der F1 auszubilden, um sie für den Schritt in das Red-Bull-Cockpit vorzubereiten. So, wie man es unter anderem mit Sebastian Vettel und Max Verstappen mit Bravour gemacht hatte.

Teamchef Christian Horner & Co. entschieden sich mit Ricciardo aber letztlich erneut für einen Routinier, den man nach Jahren der Erfolgslosigkeit bei Renault und McLaren eigentlich nur als Werbefigur und Ersatz-Fahrer reaktiviert hatte. Lawson musste geduldig warten, nutzte dann aber seine Chance, als Ricciardo ausfiel. In vier seiner fünf F1-Rennen landete er vor seinem deutlich erfahreneren Teamkollegen Yuki Tsunoda, beim anspruchsvollen Stadtrennen in Singapur fuhr Lawson zudem auf Platz neun und dadurch zwei WM-Punkte ein.

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Red Bull kam ins Grübeln, entschied sich nach Ricciardos Genesung aber erneut für den Australier. Ein weiterer Rückschlag für Lawson, den man aber immerhin mit besagter Vertragsklausel für diese Saison vertröstete.

Wir haben einen Vertrag mit Sergio Perez, aber man muss immer ein Auge darauf haben, was als Nächstes kommt.

Christian Horner

Nun ist es aber soweit, Lawson geht ab dem Rennen in Austin als Stammfahrer an den Start. Ein verspäteter Vertrauensbeweis. Liefert Lawson ab, könnte es aber schnell noch weiter nach oben gehen. “Das geht über die Racing Bulls hinaus, es umfasst Red Bull Racing als Ganzes. Natürlich haben wir einen Vertrag mit Sergio Perez für das nächste Jahr, aber man muss immer ein Auge darauf haben, was als Nächstes kommt. Wird das Liam sein? Oder müssen wir uns außerhalb des Pools umsehen?”, sprach Horner im Podcast “F1 Nation” jüngst über die Planungen des Teams in der nahen Zukunft.

Auf eines kann sich der Rennstall derweil definitiv verlassen. Eine lange Anlaufzeit braucht Lawson nicht.

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