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Die Autoindustrie verschläft eine weitere Revolution

die autoindustrie verschläft eine weitere revolution

Fast die gesamte Autoindustrie ignoriert die Brennstoffzelle. Das könnte sich als Fehlentscheidung herausstellen.

Fast die gesamte Autoindustrie ignoriert die Brennstoffzelle. Das könnte sich als Fehlentscheidung herausstellen.

Die Brennstoffzelle als Antriebstechnologie für Fahrzeuge ist seit Jahren ein wiederkehrendes Thema, doch der Durchbruch blieb bisher aus. Die Gründe dafür sind vielfältig. Wasserstoff muss mit erneuerbaren Energien hergestellt werden, sonst ist sein Einsatz wenig sinnvoll. Allerdings benötigen wir die ohnehin knappen erneuerbaren Ressourcen in anderen Wirtschaftssektoren, etwa für die Stromerzeugung in der Schwerindustrie. Das macht Wasserstoff auf den ersten Blick unwirtschaftlich. Dennoch gibt es gewichtige Argumente, die für seinen Einsatz sprechen.

Auf den beiden großen Logistik- und Transportmessen in Deutschland, der IAA Transportation und der InnoTrans, spielte Wasserstoff eine prominente Rolle. Die Bandbreite der präsentierten Angebote reichte von Lkw über neuartige Verbrennungsmotoren, die mit Wasserstoff betrieben werden, bis hin zu Zügen und Straßenbahnen mit Brennstoffzellenantrieb. Warum investiert die Industrie also weiterhin in eine Technologie, die scheinbar massive Effizienznachteile gegenüber Batterien aufweist?

Wasserstoff für Lkw

Die Antwort liegt in den unterschiedlichen Anforderungen, die verschiedene Branchen an ihre Fahrzeuge stellen. Die US-Unternehmen Cummins und Phinia haben in den vergangenen zwölf Monaten Wasserstoff-Verbrennungsmotoren für schwere Lkw vorgestellt. Beide Firmen räumen ein, dass diese Motoren in Sachen Effizienz gegenüber batterieelektrischen Varianten im Nachteil sind. Doch es gibt Industrien, die genau diese Technologie benötigen. Dazu gehören vor allem Minenbetreiber, denn Wasserstoff bietet ihnen entscheidende Vorteile.

Er kann vor Ort hergestellt und ohne großen Aufwand gespeichert werden. Das für die Produktion benötigte Wasser ist im Tagebau ohnehin vorhanden, und die Lkw lassen sich innerhalb weniger Minuten auftanken. Dadurch werden die Standzeiten der Fahrzeuge reduziert, und es werden insgesamt weniger Lkw benötigt.

Diese Vorteile lassen sich zwar nicht vollständig auf andere Branchen übertragen, aber immer mehr Logistikunternehmen betrachten Wasserstoff-Optionen genauer. Besonders relevant ist dies für Unternehmen, die lange Strecken zurücklegen müssen – ein Szenario, das in den USA häufiger vorkommt als in der EU.

Während Fahrer in Europa nach 4,5 Stunden eine Pause von 45 Minuten einlegen müssen, sind in den USA innerhalb von elf Stunden nur 30 Minuten Pause vorgeschrieben. Europäische Lkw-Fahrer können die vorgeschriebenen Pausen nutzen, um ihre elektrischen Trucks aufzuladen; diese Möglichkeit fehlt in den USA. Angesichts der längeren Strecken kann sich hier der Einsatz von Wasserstoff lohnen.

Die letzte Chance der Autoindustrie

Um es klar zu sagen: Wasserstoff hat in der Massenmobilität kaum eine Chance. Angesichts des Mangels an grünem Wasserstoff wäre es unsinnig, die knappen Ressourcen dafür zu verschwenden, um beispielsweise zum Bäcker zu fahren. Doch es gibt durchaus Nischen für Fahrzeuge mit Brennstoffzelle– etwa für Berufstätige, die täglich besonders viel unterwegs sind, oder für Wohnmobile und Zugfahrzeuge.

Ein weiteres Argument betrifft die angeschlagene deutsche Autoindustrie. Sie hat beim Elektroauto die technologische Führungsrolle verloren, die sie bei Verbrennungsmotoren innehatte. Bei der Brennstoffzelle hingegen besteht noch die Möglichkeit, zumindest in bestimmten Nischen zur Weltspitze aufzuschließen. Dies sollte das Leitmotiv für die Autoindustrie sein, um nicht eine historische Gelegenheit zu verpassen.

Wasserstoff hat viele Vorzüge, und der batterieelektrische Antrieb wird nicht alle Lücken schließen können, die der Verbrennungsmotor hinterlässt. Die entscheidende Frage ist, wo sich Wasserstoff am sinnvollsten einsetzen lässt. Eine endgültige Antwort hat die Industrie bisher nicht gefunden.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobilitätsbranche wirft.

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