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So will Elon Musk im Rennen der Roboter-Taxis aufholen

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Elon Musk verspricht schon seit Jahren selbstfahrende Tesla-Autos.

Elon Musk heizt den Hype seit Monaten an. „Das wird etwas für die Geschichtsbücher“, prahlte der Milliardär und Tesla-Chef kürzlich auf seinem sozialen Netzwerk X. Die Rede ist vom „Robotaxi Day“, zu dem Tesla nächsten Donnerstag einlädt, ein Ereignis, dem Musk-Fans auf der ganzen Welt entgegenfiebern. Erwartet wird, dass Tesla den Prototyp eines fahrerlosen Autos vorstellt, ein Robotertaxi eben, das mit der Rechenpower der Künstlichen Intelligenz (KI) seine Passagiere wie von Geisterhand gelenkt ans Ziel bringt. An der Börse sind die Erwartungen hoch. Immerhin wäre das versprochene Wunderauto, das offenbar den Namen „Cybercab“ tragen soll, das erste neue Tesla-Modell seit dem futuristischen Pick-up-Modell Cybertruck, das der Hersteller 2019 erstmals präsentierte.

Aber kann Tesla die Versprechungen Musks wirklich einlösen? Die große Tesla-Show steigt jedenfalls an einem Ort, an dem es sonst mehr um Fiktion und Imagination als um Realität geht: in den Filmstudios von Warner Bros. in Los Angeles. Eigentlich wollte Tesla sein Robotaxi schon im August präsentieren, musste dann aber kurzfristig verschieben. Und Elon Musk spricht schon seit 2016 immer wieder von selbstfahrenden Tesla-Autos. Zuletzt hat er das Cybercab zum wichtigsten Zukunftsprojekt des Unternehmens erklärt. „Der Wert von Tesla liegt überwiegend in der Autonomie-Technik“, sagte er im Sommer.

Das selbstfahrende Auto – der Mensch macht die Augen zu und schläft, während sich der Wagen selbst lenkt – diesem Traum jagen Ingenieure seit Langem hinterher. Schätzungen zufolge hat die Industrie in den vergangenen zehn Jahren 75 Milliarden Dollar in diese Revolution des Autofahrens investiert. Allerdings wurden die technischen Herausforderungen zunächst völlig unterschätzt. Nicht nur Tesla, auch viele andere Hersteller hofften vergeblich auf einen raschen Durchbruch. Volkswagen musste vor zwei Jahren 2,7 Milliarden Dollar auf seine Beteiligung an Argo AI abschreiben, einem gescheiterten amerikanischen Start-up für das autonome Fahren.

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Auf den Straßen von San Francisco: Ein mit Sensoren ausgestattetes Waymo-Fahrzeug.

800 Waymo-Robotaxis sind in den USA unterwegs

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Noch ist zur Sicherheit ein Fahrer an Bord: Experimental-Fahrzeug der TU München im Stadtverkehr.

Und dennoch geht es voran. Gar nicht mal unbedingt wegen Elon Musks neuem Cybercab: Bislang zumindest ist Tesla keineswegs die Speerspitze des Fortschritts beim autonomen Fahren. Aber es gibt andere Unternehmen, die viel weiter sind. Waymo zum Beispiel: Die Tochter des Google-Konzerns Alphabet arbeitet sich seit Jahren Schritt für Schritt immer weiter vor in Richtung autonomes Fahren. Im Sommer wurde ein neuer Meilenstein erreicht: In San Francisco kann sich mittlerweile jedermann per App ein fahrerloses Hightech-Taxi bestellen, bisher gab es nur eine beschränkte Nutzungsmöglichkeit.

Knapp 800 Waymo-Robotaxis sind derzeit in amerikanischen Metropolen unterwegs. Rund 100.000 bezahlte Fahrten wickelt Waymo nach eigenen Angaben jede Woche in San Francisco ab. Das Unternehmen benutzt dafür modifizierte Jaguar-Elektroautos, die mit Dutzenden von Lasersensoren, Radar und Kameras ausgerüstet sind. Rund 200.000 Dollar je Stück sollen die Hightech-Mobile kosten.

Waymo gilt als weltweit führend beim voll automatisierten Fahren. Ingenieure sprechen von Level 4 auf der fünfstufigen Skala der automatisierten Fortbewegung: Das Auto fährt unter bestimmten Bedingungen völlig selbständig, ohne dass sich ein Fahrer bereithalten muss, notfalls einzugreifen. Die Waymo-Robotertaxis dürfen sogar fahren, ohne dass ein Mensch an Bord ist. Andere US-Unternehmen wie Cruise, eine Sparte des Autokonzerns General Motors (GM), und Zoox, eine Tochter von Amazon, sind mit ihren Level-4-Autos im Testbetrieb auf US-Straßen unterwegs. Und dann gibt es da noch das zweite große Kraftzentrum des automatisierten Fahrens auf der Welt: China. Dort haben der Technologiekonzern Baidu und das Start-up Pony.ai bereits in verschiedenen Städten Robotaxis auf den Straßen.

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Selbstfahrendes Taxi von Pony.ai in Peking.

Tesla dagegen ist bisher vom voll automatisierten Fahren noch weit entfernt gewesen. Zwar bietet das Unternehmen in Nordamerika als kostenpflichtiges Extra eine Funktion an, die sich „full self ­driving“ nennt, demnächst will Tesla sie auch in Deutschland freischalten. Aber der Name ist irreführend. In Wahrheit erreicht der Hersteller allenfalls die niedrigere Automatisierungsstufe 3. Immer wieder ist bei Unfällen von Tesla-Fahrzeugen die Selbstfahrfunktion im Spiel, weshalb das Unternehmen in den USA ins Visier der Aufsichtsbehörden geraten ist.

„Deutsche Autohersteller sind abhängig“

Als kapitales Handicap gilt Fachleuten, dass Elon Musk bisher an der Sensortechnik spart. Tesla setzt für die Steuerung seiner Selbstfahrfunktionen nur eine kleine Anzahl von Kameras ein, die beim Fahren die Umgebung des Autos im Blick haben. Andere Hersteller betreiben dafür viel mehr Aufwand, sie nutzen zusätzlich auch Radar und Lasersensoren, sogenannte Lidar-Systeme. Experten bezweifeln stark, dass das neue Cybercab von Tesla wirklich voll automatisiertes Fahren nach Level 4 erreichen wird – jedenfalls dann, wenn der Hersteller dabei weiter allein auf Kameratechnik setzen sollte.

Europa ist derweil weitgehend raus aus diesem Technologierennen um das autonome Fahren. Die deutschen Oberklassehersteller BMW und Mercedes haben ihre Ziele niedriger gesteckt. Manche Autoexperten finden das bedenklich. Amerikanische Unternehmen hätten beim hoch automatisierten Fahren „faktisch eine Monopolstellung“, sagt Markus Lienkamp, Professor für Fahrzeugtechnik an der TU München. Er warnt: „Die deutschen Hersteller sind in eine Abhängigkeit geraten.“ Der Ingenieur forscht selbst auf diesem Gebiet. Während des Münchner Oktoberfests hatten er und seine Mitstreiter einen selbst entwickelten voll automatisierten „Wiesn Shuttle“ zu Demonstrationszwecken im Einsatz.

Lienkamp wirbt diesen Herbst bei den Chefs führender deutscher Autounternehmen für Kooperationen. „Wir müssen das zusammen angehen, einer allein kann den Rückstand nicht mehr aufholen“, mahnt er. Der Weg zum autonomen Fahren ist ein Hochrisikogeschäft. Immer wieder gibt es technische Rückschläge und schwere Unfälle. Die GM-Tochter Cruise musste 2023 wegen akuter Sicherheitsprobleme ihre Testfahrten stoppen. Die Entwicklung des autonomen Fahrens verschlingt zudem Milliardensummen, und ob sich mit Robotertaxis jemals Geld verdienen lässt, bleibt abzuwarten. Cruise wies für 2023 einen Jahresverlust von 3,5 Milliarden Dollar aus. Waymo verbrennt nach Analystenschätzungen ebenfalls Milliarden, auch wenn die Muttergesellschaft Alphabet keine Zahlen dazu veröffentlicht. In Deutschland hat der Zulieferkonzern ZF seinen Plan für einen fahrerlosen Shuttlebus beerdigt. Selbst Apple musste aufgeben. Im Februar stoppte der iPhone-Konzern sein Entwicklungsprogramm für ein selbstfahrendes Elektroauto.

So gesehen ist Zurückhaltung der europäischen Autobauer beim autonomen Fahren nachvollziehbar. Andererseits: Sie haben schon mal einen wichtigen technologischen Trend unterschätzt. Das Elek­troauto und die dafür notwendige Batterietechnik überließen die Hersteller und ihre Zulieferer lange Unternehmen aus China und den USA. Bis heute kämpfen sie darum, den Anschluss zu schaffen.

Ein Nickerchen am Lenkrad?

Hat sich die deutsche Autoindustrie jetzt beim autonomen Fahren vom nächsten großen Zukunftsthema verabschiedet? Ganz so einfach ist es nicht. Aber die meisten Hersteller haben ihre Ambitionen klar zurückgeschraubt. BMW und Mercedes setzen derzeit auf Fahrassistenzsysteme der niedrigeren Autonomie-Stufen 2 und 3. Gegen einige Tausend Euro Aufpreis können Kunden sie als Extra ordern. Allerdings kann der Fahrer die Verantwortung niemals ganz an die KI abgeben, er muss sich immer bereithalten, selbst wieder das Steuer zu übernehmen.

Bei solchen Assistenzsystemen sind BMW und Mercedes nach Einschätzung von Fachleuten ziemlich gut. Aber diese seien weit weg vom voll automatischen Fahren amerikanischer und chinesischer Konkurrenten, sagt der Autotechnik-Professor Lienkamp: „Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man wie Waymo Level 4 in der Innenstadt beherrscht oder Level 3 auf der Autobahn bei gutem Wetter.“

Voll automatisiert fahrende Autos, die andere Unternehmen bereits im Alltagseinsatz haben, gibt es von Mercedes noch lange nicht. „Wir arbeiten an Level 4, technisch könnte das zum Ende des Jahrzehnts machbar sein“, sagt Mercedes-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer der F.A.S. Auf bestimmten Autobahnstrecken kann dann auch der Mercedes-Fahrer ein Nickerchen machen. Der Hersteller ist für das automatisierte Fahren eine Partnerschaft mit dem US-Chipentwickler Nvidia eingegangen, einem Schlüsselunternehmen der KI-Technologie.

VW setzt auf autonome Shuttle-Busse

BMW wiederum arbeitet derzeit nur eingeschränkt am voll automatisierten Fahren der Stufe 4. Nach eigenen Angaben konzentrieren sich die Münchner bei der Entwicklung auf das Einparken. Der Fahrer soll das Auto etwa in Zukunft am Parkhauseingang abstellen können, und der BMW sucht sich dann allein einen Parkplatz.

In der europäischen Autoindustrie gibt es nur noch einen Autokonzern, der mithalten will im Rennen um die KI-gesteuerten Robotertaxen. „Europa darf diesen strategisch wichtigen Zukunftsmarkt nicht allein amerikanischen und chinesischen Wettbewerbern überlassen“, sagt Christian Senger, Markenvorstand beim Wolfsburger Autohersteller Volkswagen, der F.A.S. Senger leitet ein Projekt, mit dem VW autonom fahrende Robotershuttles in Großserie auf die Straße bringen will. Das Unternehmen hat dafür einen Milliardenbetrag investiert. Derzeit sind in Hamburg, München und im texanischen Austin einige Dutzend Prototypen in Betrieb, bei denen zur Sicherheit noch ein Fahrer mit an Bord ist.

2026 will Senger nach einigen Verzögerungen in Hamburg einen kommerziellen Fahrdienst mit voll automatischen Shuttle-Kleinbussen starten. Sie sollen von mehreren Fahrgästen gemeinschaftlich genutzt werden und nur etwas teurer sein als eine Busfahrt. Für die Nutzfahrzeugsparte von VW werde das im nächsten Jahrzehnt „eine der wichtigsten Geschäftssäulen“ werden, erwartet Senger. Allerdings: Technologisch ist der Autokonzern abhängig von Partnern außerhalb Europas. Die Software-Intelligenz für das autonome Fahren kauft VW vom Technologieunternehmen Mobileye. Es gehört dem amerikanischen Chiphersteller Intel.

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