Der Ökonom Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hält das sture Festhalten am Verbrenner für einen gefährlichen Irrweg. Die Entscheidung für die E-Mobilität sei längst gefallen, allerdings „nicht in Brüssel oder Berlin, sondern in China, in Indien, in den USA, im Rest der Welt“, sagte er in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). Sollten Deutschland oder gar Europa einen Sonderweg gehen, und zurück zum Verbrenner schwenken, werde der kriselnde Hersteller Volkswagen „noch ein Viertel, maximal ein Drittel seiner Verkaufszahlen für eine Weile retten können“. Danach würde VW „nicht drei Werke schließen und fünf Prozent seiner Belegschaft abbauen müssen, dann müssten zwei Drittel der Mitarbeiter nach Hause geschickt werden“.
Jede weitere Verzögerung des Hochlaufs von Elektroautos wäre „katastrophal“, warnt Fratzscher. Es sei „ein Irrsinn zu glauben, wir könnten eine Mauer um Europa bauen, E-Autos aus den USA und Asien nicht mehr reinlassen und innerhalb der Mauern unsere Diesel und Benziner abfeiern“. Es drohe ein „ökonomischer Selbstmord mit Ansage“. Er räumt ein, der Umstieg auf Elektroautos sei „ein gewaltiger Kraftakt, der Zeit benötigt, auch für den Aufbau der Ladeinfrastruktur und so weiter.“
An den EU-Regeln, die die CO₂-Grenzwerte immer strenger ziehen und das Ende fossil betriebener Verbrenner ab 2035 einläuten, sollte nicht gerüttelt werden: „Sowohl die CO₂-Flottengrenzwerte als auch das Zulassungsverbot für Diesel und Benziner müssen bleiben und dürfen nicht gelockert werden“, mahnt Fratzscher. „Ansonsten wäre der Schaden, gerade für Deutschlands Automobilindustrie, immens.“
„Die deutschen Hersteller bauen fantastische Autos – nur leider mit dem falschen Antrieb“
Er sagte auch, dass die deutschen Autohersteller „inklusive VW fantastische Autos bauen – nur leider mit dem falschen Antrieb“. Sie hätten „zu lange auf den Verbrenner gesetzt“ und ständen nun vor zwei Herausforderungen: „Sie müssen den Umstieg auf die Elektromobilität schaffen und sie müssen kostengünstiger produzieren“, so der DIW-Präsident. Das bedeute „eben auch, dass man den Gürtel eine Zeit lang enger schnallen muss“.
DIW-Präsident Marcel Fratzscher / DIW
Die Krise bei Volkswagen teilt Fratzscher in drei Kategorien auf: Erstens den Diesel-Skandal, „der weltweit viel Vertrauen zerstört hat“, zweitens „die verschlafene Transformation zur E-Mobilität“ und drittens „die viel zu hohe Abhängigkeit von China“. Einst erzielte VW in China 40 Prozent seiner Erträge. Nun aber übernehmen chinesische Hersteller mit günstigen, hochdigitalisierten Elektroautos mehr und mehr den Heimatmarkt, und „deutsche E-Autos spielen kaum noch eine Rolle“.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung – DIW-Präsident warnt vor gelockerten CO₂-Limits: „Das wäre ökonomischer Selbstmord“