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Trotz erheblicher Zweifel – Industrie hält an gewaltigen E-Auto-Zielen fest

Nach dem Karlsruhe-Urteil sind viele Fragen zu Subventionen für die Autoindustrie offen. Überraschenderweise wollen dennoch weder Politik noch Branche an den ambitionierten Zielen rütteln. Laut Experten befindet sich die E-Mobilität in Deutschland „in einer kritischen“ Phase.

trotz erheblicher zweifel – industrie hält an gewaltigen e-auto-zielen fest

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Selten dürfte die Unsicherheit so groß gewesen sein bei einem Treffen des Bundeskanzlers mit den Chefs der deutschen Autoindustrie. Fast zwei Wochen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den „Sondervermögen“ außerhalb des Haushalts sind fast alle Fragen zur weiteren Finanzierung von Subventionen für die Branche offen.

Die Kaufprämien für Elektroautos, Zuschüsse für Ladesäulen, Subventionen für die Transformation der Unternehmen – vieles davon wird aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert, der mit dem Urteil gekippt ist. So konnte Olaf Scholz der Industrie keine finanziellen Versprechungen machen wie auf früheren Gipfeln.

In der Corona-Krise etwa hatte man der Industrie mit der Ausweitung des Kurzarbeitergelds einen finanziellen Puffer verschafft. Nun berichtete Scholz‘ Sprecher Steffen Hebestreit nach dem Gipfel in einem schriftlichen Statement über die Debatte, die wenig greifbare Ergebnisse brachte.

Überraschend war, dass die Runde am Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen E-Autos bis 2030 festhalten will – obwohl selbst in den Ministerien erhebliche Zweifel daran bestehen, dass diese Zahl erreichbar ist. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gesprächsrunde waren sich einig, dieses Ziel schnell umzusetzen“, schrieb Hebestreit.

Voll elektrische Pkw könnten maßgeblich zur Emissionsminderung und Dekarbonisierung im Verkehrsbereich beitragen. Man sei sich auch einig gewesen, „dass die Anschaffungskosten von elektrischen Pkw gesenkt werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen“. Dies gelinge insbesondere über „eine Verbesserung der angebotsseitigen Kostenstruktur“.

Schon auf der Automesse IAA im September hatte Scholz die Industrie gedrängt, endlich günstigere Elektroautos anzubieten. Bisher plant Volkswagen mit Elektro-Modellen in Polo-Größe ab dem Jahr 2026 zu Preisen um 25.000 Euro. Die europäischen Konkurrenten Stellantis (Fiat, Peugeot, Opel) und Renault haben solche Wagen gerade für das kommende Jahr angekündigt. Auch chinesische Marken könnten früher als VW mit günstigen Elektro-Kleinwagen auf den Markt drängen.

Auto-Verband drängt auf Handels-Abkommen

Statt um Subventionen drehte sich das Gespräch im Kanzleramt eher um die Rahmenbedingungen der Elektromobilität, etwa den Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Batteriefertigung und die Lieferketten für Rohstoffe. Diese Themen sind im Sinne der Industrie. Der Verband der Automobilindustrie drängt schon lange auf globale Handels- und Rohstoffabkommen mit anderen Ländern. „Das ist für die Investitionsvorhaben der Unternehmen von zentraler Bedeutung“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller nach dem Gipfel.

Das Ziel von 15 Millionen E-Autos im Jahr 2030 sei sehr ambitioniert, sagte die Auto-Lobbyistin. „Als deutsche Automobilindustrie unterstützen wir jedoch ausdrücklich die E-Mobilität als die zentrale Technologie auf dem Weg zur klimaneutralen Mobilität und treiben sie mit voller Kraft und hohen Investitionen voran.“

Die deutschen Hersteller würden bis zum Jahr 2030 mehr als 15 Millionen E-Autos bauen. „In welchen Märkten diese Fahrzeuge abgesetzt werden, hängt von den jeweiligen Rahmenbedingungen ab“, sagte Müller. Derzeit würden 77 Prozent der hier gebauten E-Autos ins Ausland exportiert.

Auf dem Weltmarkt allerdings dominiert China die Verkäufe von Elektroautos. Das dürfte Stefan Bratzel, Chef des privaten Center of Automotive Management, in seinem Impulsvortrag auf dem Gipfel betont haben. Der Autoexperte hatte zuletzt in einer Studie festgestellt, dass sich die Elektromobilität in Deutschland „in einer kritischen Übergangsphase“ befindet. „Höhere Zinsen und abnehmende Förderungen führen zu höheren Leasing- und Finanzierungsraten der ohnehin teureren Elektrofahrzeuge und bremsen absehbar die Marktdynamik“, meinte Bratzel.

Nach den gutverdienenden, technikaffinen „Early Adopters“ müssten nun breitere Käuferschichten adressiert werden. „Deshalb braucht es für den weiteren Markthochlauf zeitnah mehr Elektromodelle unterhalb der Mittelklasse, deren Anschaffungspreise auf Höhe der Verbrenner liegen.“

„Keine guten Signale“ für den Autostandort

Aus Sicht der Chefin der IG Metall, Christiane Benner, sind der „stockende Hochlauf der Elektromobilität auf dem deutschen Markt und die schlechten Rahmenbedingungen dafür keine guten Signale für den Automobilstandort Deutschland und seine Millionen Beschäftigten“. Die individuelle Mobilität der nahen Zukunft müsse für alle bezahlbar sein, sagte sie. Von der Politik brauche es „klare Signale für günstigen Ladestrom und Förderprogramme für die Ladeinfrastruktur in Städten und Kommunen“.

Trotz der deutlich erweiterten Runde im Vergleich zu früheren „Autogipfeln“ konzentrierte sich das Gespräch offensichtlich vor allem auf den Übergang zur Elektromobilität und die entsprechenden Rahmenbedingungen. Zwar saßen in der offiziell „Spitzengespräch der Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft“ genannten Runde auch Vertreter von Gewerkschaften, aus der Energiewirtschaft, von Halbleiter- und Batterieproduzenten, Umweltverbänden und Wissenschaft mit am Tisch. Angesichts der Umbrüche in der Automobilwirtschaft war für darüber hinaus reichende Mobilität aber wohl kaum Zeit.

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