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„Es gibt keine Alternative zum batterieelektrischen Auto“

„es gibt keine alternative zum batterieelektrischen auto“

Überzeugt vom E-Auto: Martin Sander vor dem Eingang zur Chefetage der Kölner Ford-Werke

Herr Sander, Sie haben als Verantwort­licher für die Elektrostrategie von Ford in Europa und als Deutschlandchef von Ford das Werk in Köln auf die Produktion von Elektroautos umgestellt und bringen nun mit dem Explorer das erste vollelektrische Modell auf den Markt. Ausgerechnet jetzt hat sich die Nachfrage nach Elektroautos abgeschwächt.

Deutschland ist Gott sei Dank nur ein Teil unseres Marktes. In ganz Europa wurden 2023 gut 30 Prozent mehr Elek­troautos zugelassen als im Jahr zuvor. In Europa wurden dieses Jahr wieder 30 Prozent mehr Elektroautos zugelassen als im gleichen Zeitraum von 2023. Mich haben die kräftigen Wachstumsraten selbst in Brasilien, Australien, Thailand, überall in der Welt überrascht.

In Deutschland betrug der Anteil batterieelektrischer Autos an den Neuzulassungen 2023 18 Prozent und im Februar dieses Jahres 12 Prozent.

Ich glaube, wir reden uns in Deutschland die Elektromobilität derzeit ein wenig kaputt. Dagegen sehen wir ansonsten überall in der Welt Wachstum. Wir sind fest davon überzeugt, dass das Elektroauto die Zukunft ist. Und deshalb sind wir sehr glücklich darüber, dass wir für Ford in Europa dieses Jahr einige Elek­troautos auf den Markt bringen.

Wie sieht es mit dem Interesse an Elek­troautos beim deutschen Durchschnittsbürger aus? Sie haben ja nicht nur Kunden, die im Einfamilienhaus mit Solardach und Ladesäule in der Garage leben. Manche Ihrer Kunden wohnen auch im Mehrfamilienhaus und haben einen Tief­garagenplatz ohne Lademöglichkeit.

Genau das ist die Herausforderung, bei der wir dringend Unterstützung der Politik brauchen, um dem Thema Lademöglichkeiten die nötige Breite zu geben. Es geht weniger um die Schnellladestationen entlang der Autobahn, da sehen wir eine ganz gute Entwicklung. Aber in den Innenstädten, in den Gegenden mit Mehrfamilienhäusern brauchen viele Menschen eine Gelegenheit zum Laden – entweder zu Hause oder dort, wo sie oft mit ihrem Auto hinfahren, also am Su­permarkt, auf der Arbeit, am Fitness­studio oder vor dem Kino. Wenn das gewährleistet ist, ist das Elektroauto eine einzige Freude.

„es gibt keine alternative zum batterieelektrischen auto“

Martin Sander mit Ford Explorer vor dem Firmensitz Köln am Rhein.

Was sind also die Voraussetzungen, um diese Freuden genießen zu können?

Dazu brauchen wir verbesserte Rahmenbedingungen. Damit jeder, der eine Ladestation installieren will, das möglichst auch machen kann, in der Tiefgarage des Mehrfamilienhauses oder am Stellplatz vor seinem Haus.

Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Laden?

Ich habe ein Einfamilienhaus mit einer Photovoltaikanlage. Was Effizienteres gibt es nicht. Und auch wir haben allein in Köln fast 1000 Ladesäulen für unsere Belegschaft aufgebaut.

Wie schnell lädt denn der neue Ford Explorer unterwegs?

Unser Explorer lädt mit maximal 185 Kilowatt. In gut 26 Minuten lässt sich die Batterie von 10 auf 80 Prozent aufladen.

Ist es gegenüber dieser Leistung nicht anachronistisch, wenn die Bundesnetzagentur in der Statistik der Ladepunkte schon Säulen ab 22 Kilowatt Leistung als Schnelllader definiert? Und wenn es in ganz Deutschland nur 13.000 Ladepunkte mit mehr als 149 Kilowatt Leistung gibt?

Diese Zahl ist natürlich zu niedrig, gemessen an der Entwicklung, die langfristig die Elektromobilität nehmen wird. Deshalb muss der Ausbau weiter vorangehen. Aber ich fahre seit Jahren Elektroautos, auch längere Strecken. Und entlang der Autobahn gibt es inzwischen ein gutes Angebot. Da gibt es immer mehr Ladeparks mit 30 oder 50 Säulen, sodass man sich keine Sorgen darüber machen muss, ob die Ladepunkte belegt sind. Persönlich habe ich noch keine Probleme beim Laden gehabt, weder in Deutschland noch in den Nachbarländern.

Fahren Sie langsamer, damit die Batterie nicht noch öfter geladen werden muss?

Ja, das mache ich jetzt. Ich genieße es, entspannter anzukommen, als wenn ich immer auf der linken Spur schnell fahre. Aber es geht auch anders: Vor Kurzem bin ich eine längere Strecke gefahren, die bei gemäßigtem Tempo gerade ohne Laden zu schaffen war. Doch ich bin schneller gefahren, habe eine Lade- und Kaffeepause gemacht und bin dann trotzdem nach einer Weiterfahrt mit 160 oder 170 Stundenkilometern in der Summe früher angekommen.

Sie haben mit Ihrem neuen Auto große Erwartungen an den Markt für Elektroautos. Was muss jetzt geschehen, um mit der Transformation voranzukommen?

Der Umstieg auf das Elektroauto ist kein technisches Problem, es kommt auf die Rahmenbedingungen an, und auf das klare Bekenntnis der Politik, die Pläne um- und durchzusetzen. Es ist ein Signal an die Konsumenten, wenn die Politik klare Orientierung gibt. Es bringt uns nicht weiter, wenn wir selbst immer wieder die Elektromobilität infrage stellen. Wenn ich das als Konsument fünfmal höre, warte ich natürlich auch erst einmal die weitere Entwicklung ab und fahre mein altes Auto weiter. Oder ich kaufe mir noch mal einen Benziner. Und damit ist der Umwelt nicht geholfen. Die moderne Technik ist da, und die Automobilindustrie hat Milliarden investiert, um die neuen Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.

Gäbe es etwas Besseres?

Nach Ansicht von Experten gibt es in absehbarer Zeit keine wirkliche Alternative zum batterieelektrischen Fahrzeug.

In die Diskussion kommt zuletzt immer wieder die Frage auf, ob auch klimaneutrale E-Fuels in Verbrennermotoren eine Option sein sollten, vor allem wenn, etwa in Deutschland, weiterhin Energie importiert werden muss. Geht das nicht leichter mit E-Fuels in der existierenden Transportinfrastruktur?

Es ist nicht sinnvoll, in Afrika Energie zu produzieren, sie in einem verlustbehafteten Prozess in chemische Energie umzuwandeln, mit Lkws und Schiffen rund um den Globus zu bringen, in Tankstellen einzufüllen und am Ende mit einem Wirkungsgrad von gerade mal 30 Prozent in einem Verbrennungsmotor zu nutzen. Man stelle sich andersherum vor, wie der Verbrenner in einer Welt von Elektroantrieben gesehen würde, hätte sich die Welt vor 100 Jahren für Elektroantriebe entschieden. Verglichen mit einem Elektromotor ist ein Verbrennungsmotor deutlich schwerer, hochkomplex, braucht Öl, Kerzen und Filter, wird mit stinkender Flüssigkeit betankt und erzeugt Abgase.

Andererseits gibt es mehr als eine Milliarde Autos auf dem Globus, die nicht sofort weggeworfen werden. Sollte es nicht eine Möglichkeit geben, diese klimaneutral zu betanken, nicht mit schädlichen fossilen Treibstoffen?

Für die Bestandsflotte ist das womöglich eine Option, wenn die Energiebilanz aufgeht. Da müssen wir uns tatsächlich fragen, wie diese Autos klimafreundlich betrieben werden können.

Im Moment scheinen viele Autobosse ja ganz anders zu argumentieren, nach dem Muster: Jetzt haben wir so viel in E-Mobilität investiert, nun will ich endlich etwas davon haben, und deshalb müssen die Alternativen verboten werden.

Aus meiner Sicht ist ein Verbrennerverbot schlichtweg unnötig. Es müssen Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Nachfrage nach Elektroautos so schnell steigt, damit man sich gar keine Gedanken mehr über die Verbrenner machen muss, weil sie auf mittlere Sicht überflüssig werden. Pferde wurden ja auch nie verboten, trotzdem bewegen wir uns längst auf andere Weise fort.

Eine Hürde sind bisher auch die hohen Preise der Elektroautos. Werden Sie auf diesem Gebiet konkurrenzfähiger als andere?

Der neue elektrische Explorer wird zunächst in einer gehobenen Version für 49.500 Euro angeboten, später kommt eine deutlich günstigere Einstiegsversion. Vor allem gibt es von Anfang an attraktive Leasingraten. Anfang nächsten Jahres kommt noch die batterieelektrische Version des kleinen Crossover Puma, die dann deutlich weniger kosten wird.

Was kommt noch?

Im Sommer gibt es noch ein weiteres E-Auto, so groß wie der Explorer, aber sportlicher.

Warum kommen aus Deutschland noch nicht so viele preisgünstige Elektroautos?

Das liegt an der Batterie, eine sehr teure Komponente. Wie üblich bei neuer Technologie fallen im Laufe der Zeit mit zunehmender Nachfrage und Verfügbarkeit auch die Preise. Zu Beginn, als Batterien besonders teuer und rar waren, hat man die natürlich vorzugsweise in größere Fahrzeuge eingebaut, deren Kundschaft bereit war, einen höheren Preis zu zahlen. Jetzt gehen mit höheren Stückzahlen die Batteriepreise langsam zurück, und das ermöglicht es nun, auch kleinere Autos mit ordentlichen Reichweiten zu angemessenen Preisen anzubieten. Auf diesem Markt wird es in den kommenden Jahren noch mehr Modelle geben.

Ergibt es denn Sinn, in Europa Batterien herzustellen, oder sind chinesische Anbieter zu günstig?

Auch chinesische Anbieter produzieren ja in Europa. Die Batteriezellen für den neuen Explorer werden in Europa hergestellt und dann in unserer Kölner Fabrik zu Batterien zusammengefügt.

Sie kommen mit dem Elektroauto zu einem Zeitpunkt, an dem die Preise nicht mehr so hoch sind wie früher, sondern Konkurrenten wie Tesla einen Preiskrieg beginnen. Wird das ein Problem?

Wenn ein wichtiger Anbieter die Preise mehrfach senkt, setzt es das gesamte Geschäftsmodell und alle Preise unter Druck. Aber so etwas gehörte schon immer zum Geschäft. Wichtig ist, dass man darauf mit einer wettbewerbsfähigen Organisation reagieren kann. Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Kostenstruktur stärker als andere reduziert. Daher sind wir nun gut aufgestellt.

Es gibt viele chinesische Anbieter, die jetzt auf den europäischen Markt kommen wollen. Vielleicht reicht es aber nicht, einfach nur ein neues Modell auf einer Automesse auszustellen. Haben eu­ropäische Hersteller also noch einen Heimvorteil?

Europa ist keine einheitliche Region, sondern besteht aus 30 Ländern mit verschiedenen Sprachen und gesetzlichen Regelungen. Damit ist Europa extrem komplex. Da haben wir als Hersteller, der seit über 100 Jahren in Europa produziert und verkauft, einen riesengroßen Vorteil.

Reicht das aus, um die neuen Konkurrenten abzuwehren?

Wir müssen die Chinesen sehr ernst nehmen, die haben wettbewerbsfähige Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen und bauen nun Händlernetze auf. Aber wir haben ein attraktives Gesamtpaket, das wir ihnen entgegensetzen können.

Gehört Ford in Köln zu den Pionieren der Elektroautos im Konzern? Sind Sie in diesem Sinne auf dem Präsentierteller gegenüber der Zentrale in Detroit?

In den USA gibt es bereits seit drei Jahren den elektrischen Mustang Mach-E und seit zwei Jahren den Pick-up F 150 Lightning. Pioniere innerhalb der Ford Motor Com­pany sind wir in Europa daher nicht. A­ber das Unternehmen hat hier in Köln zwei Milliarden Euro in ein komplett neues Werk investiert. Es ist das erste Mal, dass wir in Europa ein Werk ausschließlich für ein Elektroauto betreiben. Natürlich gibt es große Erwartungen an die Qualität, die hier aus Köln geliefert wird, und an den kommerziellen Erfolg des Produktes. Natürlich müssen wir liefern, und wir werden liefern.

Der VW-Konzern mit einer Produktion von bis zu zehn Millionen Autos musste schnell Plattformen schaffen und Werke nur für Elektroautos einrichten. Aber die kleineren deutschen Hersteller mit ei­ner Produktion um zwei Millionen Au­tos im Jahr produzieren Elektro und Verbrenner noch parallel. Ford ist in Eu­ropa nicht so groß und startet dennoch eine rein auf das Elektroauto ausgerichtete Produktion. Ist das riskant?

Das will ich etwas relativieren. Wir haben noch ein breites Angebot an Autos mit Verbrennermotoren und Hybriden. Unser SUV Kuga ist bereits seit 2021 durchgehend der meistverkaufte Plug-in-Hybrid in Europa und läuft gemeinsam mit den anderen Antriebsvarianten in derselben Fa­brik vom Band. So machen wir es auch mit Vans wie dem Tourneo Connect und dem technisch gleichen Lieferwagen. In diesen Fällen haben wir also diese Flexibilität.

Warum wird dagegen in Köln alles auf eine Karte gesetzt?

Wir haben in Köln eine bestehende Fer­tigung im laufenden Betrieb umgebaut. Das bedeutet, dass wir gewisse Restriktionen hatten. Unter diesen gegebenen Umständen war die Konzentration auf eine Antriebsart die einzig sinnvolle Entscheidung für Köln. Und immerhin laufen hier ab diesem Jahr zwei unterschiedliche Elektrofahrzeuge vom Band.

Der neue elektrische Ford Explorer ist ja auf einer Volkswagen-Plattform entstanden. Die Werke für die VW-Elektroautos hatten zuletzt immer wieder Kurzarbeit anmelden müssen. Macht Ihnen das Sorgen?

Zu VW kann ich nichts sagen. Doch wir haben natürlich umfassende Marktstudien gemacht und eine klare Vorstellung davon, was wir an Marktvolumen erwarten können. Der Markt für Elektroautos ist allerdings auch volatiler, verglichen mit dem, was wir in der Vergangenheit auf dem Automarkt gewohnt waren. Deshalb müssen wir flexibler sein, in unserem Werk und auch in der Zulieferkette.

Zuletzt gab es auf dem Flottenmarkt für Elektroautos Turbulenzen, weil Hersteller ihre Preise drastisch änderten, Autovermieter dann wegen gesunkener Restwerte Verluste erlitten und die Verbindungen zum Lieferanten abgebrochen ha­ben. Könnte Ford so eine Erfahrung drohen?

Restwert klingt sehr technisch. Effektiv gesehen ist es ein Teil des Vermögens unserer Kunden. Wir haben große Erfahrung darin, Restwerte und Preise zu steuern, und legen großen Wert darauf, dass der Fahrzeugwert und damit das Ver­mögen des Kunden nicht plötzlich abnehmen. Andere Hersteller sind da vielleicht nicht so sensibel. Für uns gehört dagegen das Geschäft mit Gewerbetreibenden zum Kerngeschäft. Wir sind ja auch Europas führende Marke für leichte Nutzfahr­zeuge.

Wie werden Sie Ihre Modellpalette weiterentwickeln?

Es ist klar, dass Ford in Zukunft mehr als früher eine einzige amerikanische Weltmarke sein wird. Zugleich haben wir mit der Übernahme der Elektroplattform von Volkswagen eine Zusammenarbeit begonnen, die auch weitergehen könnte. Dazu gibt es jetzt viele Ideen, die gerade diskutiert werden. Wir haben auch eigene Technologien, die nicht unbedingt im Wett­bewerb zum Explorer stehen, sondern die Produktpalette in Europa ergänzen.

Viele Stimmen rufen nach dem billigen Elektroauto. Werden Sie eines anbieten?

Ford hat die alte Produktstrategie hinter sich gelassen, mit der man in der Vergangenheit in jedem Marktsegment ein Produkt anbieten wollte, nur um mit den Konkurrenten mitzuhalten. Das sehen wir nicht als unsere Zukunft. Wir werden viel selektiver nur noch diejenigen Segmente bedienen, die zur Marke passen. Dazu brauchen wir ein eigenständiges Markenprofil und Produktportfolio, das uns von den europäischen Konkurrenten und künftigen neuen abhebt. Ein kleines Elektroauto spielt dabei in der Gesamtstrategie der Ford Motor Company nur ei­ne untergeordnete Rolle.

Kann Deutschland noch ein Leitmarkt oder Vorbild werden für die Elektromobilität?

Selbstverständlich, wir haben kompetente Unternehmen hier. Und da zählen wir dazu, zuletzt mit der Entwicklung des Explorers und des künftigen elektrischen Pumas. Es gibt keinen Grund, warum Deutschland nicht international in einer Führungsposition sein sollte. Wir müssen uns dem schärferen globalen Wett­bewerb stellen, uns mit der nötigen Zuversicht weiterentwickeln, aber aufhören mit dem Jammern und Zweifeln am Elektroauto.

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