Auto

Elektro-Motorrad Maeving RM1S im Test: Born to be wild

Bisher waren Elektromotorräder meist entweder unansehnlich oder hatten zu wenig Reichweite. Die Maeving RM1S kommt im klassischen Gewand eines Coffeeracers, räumt mit diesen Vorurteilen auf und bereitet jede Menge Spaß.

Schnapsideen haben ihren Namen nicht von ungefähr. Zumeist kommt bei den Beschlüssen, die man in alkoholgeschwängerter Laune trifft, nichts Vernünftiges heraus. Manchmal findet man sich ein paar Wochen später gar in einem mehr oder weniger lustigen Tierkostüm am Strand einer Ferieninsel wieder. In einem Pub in Durham (England) saßen die beiden Jugendfreunde William Stirrup und Seb Inglis-Jones bei dem einen oder anderen Glas Bier zusammen und schmiedeten einen Plan: Irgendwann würden sie gemeinsam eine Firma gründen. Jahre später, genau genommen 2018, setzten die beiden das Vorhaben in die Tat um und hoben Maeving aus dem Taufbecken.

Das Ziel des gemeinsamen Unternehmens ist schnell umrissen: Ein elektrisches Motorrad im Stil klassischer britischer Zweiräder zu schaffen. Einen Stromer-Cafe-Racer im klassischen Stil der Triumph Bikes. Deswegen werden die Maeving-E-Motorräder auch in Coventry gebaut, in den britischen Midlands, dem Herzen der britischen Motorradindustrie, wo Firmen wie BSA, Norton, Royal Enfield und eben Triumph beheimatet sind. Einige Maeving-Ingenieure kommen aus diesem reichhaltigen Erfahrungs-Reservoir. Darunter Produktchef Graeme Gilbert, der zuvor 16 Jahre bei Triumph war.

„Die RMS1 ist ein Stadtmotorrad“

Die Verstaumöglichkeiten sind ausreichend für ein Spaßgefährt. Der „Tank“ bietet mit einem Fassungsvermögen von zehn Litern zwar gerade einmal genug Raum für das Ladekabel, in die optionale Seitentasche passt mit 14 Litern immerhin ein kleiner Rucksack. Kleiner Wermutstropfen: Den Helm muss man überall hin mitnehmen. Denn ein kleiner Zapfen, an dem man den Doppelringverschluss oder die Schlaufe des Kinnriemens diebstahlsicher fixieren könnte, wie es ihn etwa bei einer Vespa unter der Sitzbank gibt, sucht man bei der Maeving RM1S vergeblich.

Hinter einer seitlichen Klappe, wo sonst der Motor liegt, befinden sich zwei herausnehmbare Batterien mit einer Kapazität von jeweils 2,73 Kilowattstunden, was insgesamt 5,46 kWh ergibt. Die 16,4-Kilogramm schweren Akkus kann man einfach mit einem Handgriff herausziehen und in einer externen Dockingstation aufladen. Wer eine Garage mit einer Steckdose sein eigen nennt, stöpselt die Maeving RMS1 einfach ein. In gut 2,5 Stunden sind die Akkus von 20 auf 80 Prozent gefüllt. Sind die Energiespeicher leer, dauert es weniger als sechs Stunden, ehe sie wieder voll sind und eine Reichweite von maximal 130 Kilometern bieten.

elektro-motorrad maeving rm1s im test: born to be wild

Press-Inform

„Die RMS1 ist ein Stadtmotorrad“, erklärt Deutschland-Geschäftsführerin Ellen Schmid. Allerdings im Unterschied zur RM1 mit einer autobahntauglichen Spitzengeschwindigkeit von 110 km/h anstatt 72 km/h. Die Power kommt von einem selbst entwickelten Radnabenmotor hinten mit 7 kW / 10 PS Dauerleistung und 10,5 kW / 14 PS Spitzenleistung. Damit gilt die Maeving RMS1 als Leichtkraftrad (125er) und kann in Deutschland mit einem A1-Führerschein oder der Erweiterung B196 bewegt werden.

Das Fahrwerk muss da natürlich mitspielen. Vorne hat die Meaving RMS1 eine Teleskopgabel mit elf Zentimeter Federweg, hinten sind es Doppelfederbeine mit Vorspannungsverstellung und acht Zentimeter Federweg. Zwei gelochte Bremsscheiben mit einem Durchmesser von 24 und 18 Zentimetern sollen für eine standfeste Verzögerung sorgen. In der Tat: Die Bremsen packen so herzhaft zu, dass wir bei der Testfahrt zunächst überrascht aber bald von der Dosierbarkeit begeistert waren.

Drei Fahrmodi stehen zur Auswahl, die mit dem rechten Daumen per Knopfdruck einfach angewählt werden können: „E“ mit maximalen 50 km/h ist ideal für zähfließenden Verkehr in der Stadt, mit „1“ geht es bis zu 70 km/h, und wer richtig Spaß haben will, schaltet mit „S“ die gesamte Kraft und die Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h frei. Wir waren zumeist im „1-“ oder im Sport-Modus unterwegs, fühlten uns wie ein „Easy Rider“ und hatten ständig Steppenwolfs Biker-Hymne „Born to be Wild“ im Ohr.

elektro-motorrad maeving rm1s im test: born to be wild

Vor allem der Abzug im S-Modus hat uns immer wieder ein Grinsen in das Gesicht getackert. Kein Wunder bei 250 Newtonmetern Drehmoment. Zumal das E-Motorrad mit einem Gewicht von 133 Kilogramm (inklusive Batterien) kein Schwergewicht ist und sich dementsprechend leicht in die Kurven legen lässt. Grundsätzlich zieht die Maeving RMS1 auch jenseits der 100 km/h stabil ihre Bahnen. Allerdings ist das Fahrwerk noch nicht ganz optimal abgestimmt, da wir auch bei sehr guten Straßen immer ein leichtes Rütteln im Lenker hatten. Bei einem Auto würde man von Stuckern sprechen. Der Reifendruck hat gepasst. Dennoch könnten die grobstolligen neuen Reifen der Grund für dieses Phänomen sein.

Geliefert wird an die Haustür, Einweisung inklusive

Wir fühlen uns trotzdem wie ein echter Biker und haben uns schnell daran gewöhnt. Eine Rekuperation bietet die RMS1 nicht, was uns ganz gelegen kam. „Bei der Entwicklung stellte sich heraus, dass die Rekuperation bei Strecken ohne Steigerungen im Schnitt drei bis Prozent ausmacht“, erklärt Ellen Schmid. Zudem würde diese Technik den Preis nach oben treiben. Wir sind bei warmem Wetter mit voller Batterie losgefahren und hatten nach gut 40 Kilometern, die auch bergauf führten, noch einen Ladezustand von 65 Prozent, erreichten also nur ziemlich knapp nicht den angegebenen Wert von 130 Kilometern Reichweite.

elektro-motorrad maeving rm1s im test: born to be wild

Die Maeving RMS1 kann man online ordern, nach zwei bis drei Wochen wird das Motorrad an die Haustür geliefert und ein Techniker gibt eine Einweisung. Ähnlich läuft die Reparatur ab, die zumeist vor Ort geschieht. Ist der Defekt umfangreicher, wird das E-Bike in die Werkstatt transportiert und danach zurückgebracht. Ein Ersatzmotorrad bringt Maeving auf Wunsch gleich mit. Mit 8995 Euro ist das Bike allerdings kein Schnäppchen, ist damit aber um 410 Euro günstiger als das BMW CE 02 (9405 Euro) und das bei mehr Reichweite. Die Vespa Elettrica 70 (Höchstgeschwindigkeit 70 km/h) kostet mindestens 7199 Euro, hat aber keine entnehmbaren Akkus, dafür gibt es ein Top-Case als Kofferraum, und man kann im Gegensatz zur Maeving RMS1 einen Sozius mitnehmen.

TOP STORIES

Top List in the World