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Autobauer aus Vietnam nimmt Kurs auf Europa

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Autobauer aus Vietnam nimmt Kurs auf Europa

Wer über den Flughafen von Hanoi schlendert, entkommt diesem Plakat kaum: Eine bunte Staffelung blitzender Autos rast auf die Betrachterin zu, mit scheinbar unaufhaltsamer Geschwindigkeit. Sie sehen sauber aus, technisch hoch anspruchsvoll, bewegen sich auf ebenem Untergrund und mit einer modernen Metropole im Hintergrund. Werbespruch: Destination Future. Wer hier wirbt, verrät die obere Bildecke: Vinfast.

Eine weltbekannte Marke ist der vietnamesische Autohersteller noch nicht. Aber das könnte sich bald ändern. Im Zentrum von Berlin betreibt Vinfast bereits einen Showroom. Und die Konzernzentrale in Hanoi kündigte an: Noch heuer werde man seine ersten E-Autos an Kunden in Europa liefern. Von einigen Tausend Bestellungen ist die Rede, fortan sollen die Verkaufszahlen deutlich steigen. Vinfast lässt keine Zweifel: Jenen Teil der Welt, wo Autos einst erfunden wurden, will man jetzt einnehmen.

Gerade an die bisweilen behäbige deutsche Autoszene ist der Vorstoß des vietnamesischen Autobauers eine bemerkenswerte Kampf­ansage. Schließlich fällt es Herstellern aus Europa schwer, sich von Verbrennermotoren zu verabschieden. Nun kommt auch noch ernst zu nehmende Konkurrenz aus einem Schwellenland.

Verblüffend ist an Vinfast so einiges. Zum Beispiel das Marktsegment, in dem sich das Unternehmen mit bekannten Autobauern messen will. Der VF-9, ein Siebensitzer, von dem nun die ersten Exemplare auf europäische Straßen kommen, kostet gut 60.000 Euro. Damit ist das Flaggschiffmodell ähnlich teuer wie das Wasserstoffauto Mirai von Toyota oder der eVito von Mercedes. Und die Bewertungen von Autoexperten sind gut – trotz des eher hohen Preisniveaus. Die Reichweite und die zehn Jahre lange Garantie werden gelobt.

Mehr als ein Autobauer

In der Vergangenheit stiegen Neulinge eher mit Billigmodellen und Kampfpreisen in den Automarkt ein. Vinfast dagegen will als Qualitätsprodukt wahrgenommen werden, trotz wenig Erfahrung. Gegründet 2017, präsentierte das Unternehmen seine ersten E-Autos einer internationalen Öffentlichkeit erstmals beim Pariser Autosalon 2018. Danach eroberte Vinfast den Heimatmarkt und plant derzeit Milliardeninvestitionen in Indonesien. Mit der Expansion nach Europa und in die USA soll 2024 die Gewinnschwelle erreicht werden.

In Vietnam ist Vinfast mehr als ein Autohersteller. Vor 50 Jahren, als sich nach dem zwei Jahrzehnte dauernden Krieg das US-Militär zurückzog, gehörte das südostasiatische Land noch zu den ärmsten der Welt. Als die seither regierende Kommunistische Partei (KP) Mitte der 1980er-Jahre das private Unternehmertum erlaubte, begann die Volkswirtschaft bald zu boomen. Vietnam ist längst nicht mehr nur ein Produzent von Agrarprodukten wie Reis oder Kaffee sowie Billigtextilien. Das Land industrialisiert sich in hohem Tempo.

Vinfast gehört zur Spitze dieser Entwicklung. Wobei der Gründer, Pham Nhat Vuong, der als reichster Mann Vietnams gilt, mit seiner Vingroup eine ganze Reihe von Marktführern geschaffen hat. In Vietnam kann man sich vor den diversen Unternehmen, deren Namen mit dem Präfix „Vin“ beginnen, kaum retten. Die Konzerngruppe hat im vergangenen Jahr umgerechnet rund vier Milliarden Euro umgesetzt – und der Autobauer Vinfast ist dabei noch ein kleines Licht.

Vergnügungsparks und Handys

Vinmec ist ein Betreiber von Krankenhäusern, Vinsmart bietet Smartphones an. Mehrere andere Techprodukte laufen aber unter dem Namen Vintech. Wer durch Vietnam reist, könnte in einem Resort von Vinpearl unterkommen. In dessen Nähe findet sich womöglich ein Vergnügungspark von Vinwonder. Und zur Ausbildung des nationalen Nachwuchses stehen Vinschool und Vinuniversity bereit – schließlich boomt in Vietnam nicht nur der Tourismus, sondern auch der Bildungssektor. Im Bausektor macht die Vingroup bisher rund die Hälfte ihrer Umsätze.

Kapital für neue Investitionen ist im Haus Vin also vorhanden. Und Optimismus auch: Gründer Pham Nhat Vuong, der einst durch ein Austauschprogramm einen Studienplatz im kommunistisch verbrüderten Moskau erhalten hatte, startete seine Unternehmerkarriere als junger Mann in den 1990er-Jahren – mit einem vietnamesischen Restaurant in der Ukraine. Später wurde er der erste Milliardär seines Lands. Und nun könnte er auch noch der Mann werden, der den Europäern zeigt, wie man E-Autos an den Mann bringt und damit Geld verdient.

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