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Verkehrspolitik: Warum die FDP mehr Autos in den Innenstädten will

verkehrspolitik: warum die fdp mehr autos in den innenstädten will

Sollen aus FDP-Sicht wieder mehr in den Fokus der Innenstädte rücken: Autos, hier im Herbst 2021 in Hannover dicht hintereinander

Das Präsidium der FDP hat am Montag einen Zehn-Punkte-Plan für eine „Politik für das Auto“ beschlossen. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai stellte die Inhalte des Papiers zusammen mit dem Spitzenkan­didaten zur Landtagswahl in Brandenburg, Zyon Braun, in der Berliner Parteizentrale vor. Braun sagte, die FDP mache den „Kulturkampf gegen das Auto“ nicht mit. Gerade auf dem Land seien Menschen auf das Auto angewiesen. Djir-Sarai ergänzte, dass das Auto auf dem Land eine andere Bedeutung habe als in Großstädten, wo viele Menschen leicht darauf verzichten könnten.

Kritik an dem Plan, der am Sonntag bereits in der „Bild“-Zeitung vorgestellt und von Djir-Sarai eingeordnet worden war, wiesen die beiden FDP-Politiker zurück. So betonte Djir-Sarai, dass er das Konzept als Generalsekretär der FDP vorstelle, nicht als Generalsekretär der Bundes­regierung.

Er beschrieb es als Angelegenheit der Liberalen, ihr Verständnis von der Bedeutung des Autos herauszustellen, ohne Rücksicht auf abweichende Einschät­zungen aus den Reihen des grünen Koalitionspartners zu nehmen. Spitzenkandidat Braun fügte hinzu, es gehe darum, die po­litische Mitte stärker unterscheidbar zu machen. Er verwies darauf, dass in Brandenburg die AfD derzeit die Umfragen anführe. Dem müsse man eigenes Profil entgegensetzen.

Die Formel 1 als Innovationsmotor

Die FDP will dem Beschluss zufolge unter anderem Städte und Gemeinden dazu bringen, bedarfsgerecht kostenloses Kurzparken zu ermöglichen, um wieder mehr Kunden in die Innenstädte zu locken. Wo dies nicht gehe, sei eine Art Flatrate-Parken im Stile des 49-Euro-Tickets denkbar. Auch 16-Jährige sollen Auto fahren dürfen, in Begleitung Erwachsener. Weiter will sich die Partei gegen ein allgemeines Tempolimit sowie EU-Pläne zur Stilllegung von Dieselautos stemmen.

Die Digitalisierung solle schnelleres Vorankommen mittels „grüner Wellen“ im Stadtverkehr befördern. Außerdem will die FDP autonomes Fahren fördern und begreift die Formel 1 als Innovationsmotor, der für private Investoren attraktiver werden soll. Grundsätzlich ver­langen die Liberalen von Kommunen, Ländern und Europäischer Union, sich zum Automobil zu „bekennen“.

Ein entsprechendes Bekenntnis war am Montag aus dem Bundesverkehrsminis­terium nicht zu vernehmen. Sprecher von Verkehrs- und Umweltministerium wollten den FDP-Plan am Montag nicht kommentieren. Wohl auch, weil er eine Offensive der FDP als Partei, nicht des Verkehrsministeriums ist. Förderlich dürfte die Initiative der angespannten Stimmung in der Regierungskoalition nicht sein.

Zwar ist sie, wie Spitzenkandidat Braun deutlich machte, auch dem Ost-Wahlkampf geschuldet. Doch in der Bundesregierung wollen FDP und Grüne noch ein ganzes Jahr miteinander aushalten. Der Vizevorsitzende der Grünenfraktion im Bundestag, Andreas Audretsch, kritisierte den Beschluss: Es sei „nicht sinnvoll“, Au­tos gegen Fußgänger zu stellen.

Grüner OB in Hannover: Planungen konterkariert

Kritik an dem FDP-Konzept kommt auch von grünen Kommunalpolitikern wie Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay, der von einem „Rollback in der Verkehrspolitik“ spricht. Bisher habe es einen weitgehenden politischen Konsens gegeben, dass Deutschland eine klimafreundlichere Verkehrspolitik benötige. Mit ihrem Pa­pier stelle sich die FDP gegen einen europäischen Trend zu weniger Autoverkehr, der in den Niederlanden, aber auch in Kopenhagen, Paris oder Wien entschlossen beschritten werde.

Aktuell bekommt Onay die wachsenden Widerstände gegen diese Politik auch in Hannover zu spüren. Nach dem Zerbrechen seiner grün-roten Koalition im Rat der Stadt haben SPD, CDU und FDP ein Innenstadtkonzept vorgelegt, das Onays zentrales Wahlversprechen einer nahezu autofreien Innenstadt konterkariert. Das Konzept sieht vor, dass die rund 4000 oberirdischen Parkplätze in der Stadt „vollumfänglich erhalten“ bleiben, halbseitiges Parken erlaubt bleibt, die Stadt künftig auf Abpollerung verzichtet, man in der Innenstadt ab 18 Uhr kostenfrei parken darf und sogar möglicherweise ein neues Parkhaus gebaut wird.

Onay wertet das Konzept als Beleg für einem „Stimmungswandel im politischen Raum“ und eine „ganz deutliche Abkehr von den klimafreundlichen Entwicklungen in CDU und SPD“, die in Hannover bereits auf die Linie der FDP eingeschwenkt seien. Onay hält es auch für die Attraktivität des Einzelhandels und die Aufenthaltsqualität in den Innenstädten für nötig, den Autoverkehr so weit wie möglich aus der Stadt zu drängen. Sein Plan sieht vor, dass die Bürger am besten mit öffentlichem Nahverkehr und Fahrrad in die Stadt fahren oder auf festgelegten Routen Parkhäuser aufsuchen und dort parken. Andere Parkplätze sollen weitgehend abgeschafft werden.

Der hannoversche FDP-Vorsitzende Patrick Döring, der lange auch die Verkehrspolitik der FDP-Bundestagsfraktion koordinierte, widerspricht. Oberirdische Parkplätze würden weiterhin stark nachgefragt, argumentiert Döring. Zudem wollten viele Bewohner der Innenstädte Planungssicherheit, ob sie ihre Wohnung künftig noch mit dem Auto erreichen können. Auch sei oft gar nicht klar, wie frei gewordene Räume genutzt werden könnten.

„So viele Tischtennisplatten können sie gar nicht aufstellen“, sagte Döring der F.A.Z. Anders als von den Grünen behauptet, trügen Parkplätze zur Belebung der Innenstädte bei. Einen Widerspruch zu den Klimazielen im Verkehrssektor sieht Döring nicht. Diese Ziele werde man nur erreichen, wenn man bei den Bürgern auf Akzeptanz stoße und durch klimafreundliche Antriebe werde auch der Autoverkehr künftig immer weniger die Umwelt belasten.

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