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Marc-Cain-Gründer Helmut Schlotterer: Der schwäbische Modepatron

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Helmut Schlotterer in seiner Fabrik in Bodelshausen

Helmut Schlotterer führt durch seine Autosammlung im Keller seiner Firma. Ferraris und Porsches, fast alle ganz in Weiß. Ein Mercedes 300 SL, für den Sammler wohl Millionen zahlen würden. Er sei kein Purist, sagt der Modeunternehmer. Es geht ihm nicht darum, dass jedes Detail originalgetreu ist. Die Fahrzeuge sind getunt, sie sollen Spaß machen.

Wer Schlotterer in seiner Firma besucht, macht diese typische Baden-Württemberg-Erfahrung: Man fährt nichts ahnend in ein verschlafenes Nest, in dem Fall heißt es Bodelshausen und liegt südlich von Tübingen am Fuße der Schwäbischen Alb. Plötzlich baut sich vor einem ein hochmodernes Firmengelände auf, dessen architektonischer Anspruch nicht so recht in die Provinz passt. Schlotterer schwärmt in einem ausladenden Büro von seinem Campus, der „aus einem Guss“ sei und wie viele der Autos ganz in Weiß gehalten ist. „Das hätten Sie nicht erwartet, oder?“, fragt er grinsend.

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Ein Mitarbeiter kontrolliert ein Kleidungsstück in der Strickerei

Oldtimersammler und Rennfahrer

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Flachstrickmaschinen in der Produktion in Bodelshausen

Häufig genug sind die Produkte dieser Provinzunternehmen nicht mal unbekannt, so auch im Fall von Schlotterer. Aber wer weiß schon, dass die Frauenmodemarke Marc Cain aus Baden-Württemberg kommt? Helmut Schlotterer ist ein recht öffentlichkeitsscheuer Modeunternehmer. Während Wolfgang Grupp mit Trigema oder Antje von Dewitz mit dem Outdoorhersteller Vaude medial präsent sind, spricht Schlotterer nur alle paar Jahre mit der Presse. Dabei ist kaum jemand so schillernd wie er. Leistet er sich doch ein extravagantes Hobby: Oldtimer.

Er war einst Rennfahrer mit einem eigenen Rennstall, erzählt er. Den hat er nach Steuerquerelen verkauft. Rennen fuhr er weiter. Hatte aber später einen heftigen Unfall. Er saß im Rollstuhl. Heute läuft er wieder. Fragt man ihn, ob er einen Privatjet hat, hält er schmunzelnd den Finger vor die Lippen. „Ich bin großzügiger geworden gegenüber mir selbst“, sagt er. Sparsamkeit ergebe in seinem Alter, er ist jetzt 76, und bei seiner Vermögenslage keinen Sinn mehr, fügt er an.

Die Ursprünge der Firma gehen auf eine Textilfirma seines Vaters zurück, die Schlotterer in seinem leicht schwäbischen Einschlag gern als „Fabrikle“ bezeichnet. Die Sechziger und Siebziger waren harte Jahre für die damals große Textilwirtschaft im Südwesten. Reihenweise machten die Unternehmen dicht. Schlotterer wollte damals eigentlich raus aus Bodelshausen. Er hätte gern Architektur studiert, sieht sich bis heute als Ästheten. Schon in der Schule malte er. Seine Bilder seien im Gymnasium in Tübingen ausgestellt worden. Dann aber wurde „der väterliche Druck immer größer“, sagt er.

marc-cain-gründer helmut schlotterer: der schwäbische modepatron

Jede Masche sitzt: Helmut Schlotterer mit Mitarbeitern in der Strickerei seines Unternehmens

Er studierte Textiltechnik in Reutlingen, später sattelte er Betriebswirtschaft an einer Handelsschule in München drauf. Zur Belohnung für sein Studium ging es ein Jahr nach Paris; später einige Jahre nach Italien, damit er sich dort mit der Mode beschäftigt, gegen die sich die schwäbische Konkurrenz kaum behaupten konnte. Auf den Reisen traf er einen Kanadier namens Marc Cain, der Markenname war gefunden.

Zurück nach Bodelshausen wollte er nicht. Doch die Firma des Vaters stand vor dem Aus. Mit der Marke Marc Cain rettete er sie. Statt selbst ein Architekt zu sein, sei er nun ein guter Kunde seiner Architekten, sagt er. Der Satz ist typisch für ihn. Er kokettiert gern mit seinem Erfolg – und nimmt sich doch gern selbst auf die Schippe.

Die Pandemie setzte dem Unternehmen zu; unter dem Strich stand zeitweise sogar ein Minus. Davor gab es Jahre mit einer operativen Marge von 20 Prozent. In diesem Jahr könnte sie wieder knapp zweistellig werden. Der Erlös soll in Richtung 300 Millionen Euro gehen und damit fast wieder auf das Niveau von vor der Pandemie. Wie so viele Unternehmer aus der Region ist Schlotterer längst im Rentenalter und könnte eigentlich mit dem Arbeiten aufhören.

„Das waren alles extreme Egomanen“

Doch er kann nicht so richtig loslassen von seinem Lebenswerk. So „moderiert er den Betrieb weiter“, wie er sagt. Er hat ein Führungsteam aufgebaut, auf das er große Stücke hält und das sich um das Tagesgeschäft kümmert. Er selbst sieht sich als „Wächter der Marke“. Er setze dabei auf innerbetrieblichen Aufstieg: Jemanden von außen zu holen ging immer wieder schief. „Das waren alles extreme Egomanen ohne Empathie für die Mitarbeiter.“ Und fachlich seien sie oft auch nicht geeignet. Einen Nachfolger aufzubauen sei schwer. „Wenn ich gefragt werde, wie lange ich noch arbeiten werde, sage ich gern: ‚Mit achtzig halbtags.‘“

Er vereint vieles, was es braucht, um als Modeunternehmer erfolgreich zu sein: Er ist Ästhet und hat doch die Härte, die es in der Wirtschaft braucht. In der Textilbranche, in der bis heute vieles Handarbeit ist, setzte er früh auf Technologien. Die Produktion in Bodelshausen gilt als hochmodern. Schlotterer ist seit Jahrzehnten verheiratet. Seine Frau war früher Model, hat dann eine Boutique in Tübingen geführt. Kinder haben die beiden nicht. Erbe des Unternehmens ist eine Stiftung, so halten es in der Region nicht wenige Unternehmer. Schlotterer will die Stimmrechte den Mitarbeitern vermachen. Das Konstrukt sei in der finalen Planung.

Den Betrieb beschreibt er als „Ersatzfamilie“. Das Unternehmen hat in Deutschland knapp 900 Mitarbeiter, einen Betriebsrat gibt es nicht. Die Koordination wäre ihm zu zäh. Einige Tausend Mitarbeiter kommen in aller Welt hinzu; wie viele genau, lässt er offen.

Sich selbst sieht Schlotterer als „Patron“, nicht ohne Sinn für soziale Belange. Er schimpft auf die hohe Steuerlast seiner Arbeitnehmer, dass niedrige und mittlere Einkommen zu hoch besteuert würden, sei ein „Skandal, der von keiner Partei angegangen wird“. Er redet sich fast in Rage, wenn es um Politik geht. Mit dem Konzept eines bedingungslosen Bürgergelds offenbare die SPD ein „abartiges Verhältnis zur Arbeit“. Die FDP verpasse die Chance, vom Image einer Partei der Besserverdiener wegzukommen.

Er fordert eine klare Steuertabelle, in der für Beträge ab einem Schwellenwert hohe Steuern fällig werden: „Wer mehr als eine Million Euro verdient, kann dafür gern 70 Prozent an Steuern zahlen.“ Dafür findet er: „Die ersten 30.000 Euro sollten steuerfrei sein. Das braucht man mindestens zum Leben.“ Eine Vermögensteuer greife in die Privatsphäre ein, da man alles offenlegen müsse. Geradezu handstreichartig entwirft er eine Steuerreform, echauffiert sich über Merkels Russlandpolitik oder beschreibt den Staat als Monster. „Die Bauten im Regierungsviertel sind ja nicht mehr normal.“

„Eine Zeit lang habe ich fast wöchentlich Angebote von Investoren bekommen“, sagt er. Höhere dreistellige Millionenbeträge seien aufgerufen worden. Die Investoren machten sich Hoffnungen, dass ein Unternehmer ohne Nachkommen verkaufen will; Schlotterer aber wollte nicht. Manche der Investoren versuchten daraufhin, seinen Betrieb von innen zu unterwandern. Weiter sagt er dazu nichts. Dann ist da der Geschäftsführer seines Chinageschäfts, der laut Schlotterer in sechs Jahren 16 Millionen Euro nach Hongkong verschoben hat. „Ich habe ihn vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verklagt. Ein paar Tage vor Prozessbeginn ist er an einem Herzinfarkt gestorben“, sagt er.

Es blieben offene Wunden. Bis vor 15 Jahren war sein jüngerer Bruder sein Geschäftspartner, erzählt er. Das Unternehmen haben sie einst gemeinsam vom Vater geerbt. Die Firma aber sei sein Werk, macht Schlotterer deutlich, der Bruder hat nach seiner Darstellung wenig eingebracht, wollte aber irgendwann verkaufen. Was folgte, war ein juristischer Kampf. Schlotterer behielt die Firma. Auch hier will er nicht mehr verraten. Kontakt haben die Brüder kaum noch.

Marc Cain ist eine der teuren Marken in Deutschland. Einige Hundert Euro je Kleidungsstück sind schnell fällig. Doch auch Schlotterer bleibt die Luft weg, sagt er, wenn er die Preise hört, die Luxusmarken wie Louis Vuitton aufrufen. Marc Cain sei Luxus, den man sich noch leisten könne. „Top-Luxus geht nicht in Deutschland. Dafür fehlen uns die Gene und die Kultur.“

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