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BYD Seal: Der neue Tesla-Jäger aus China im ersten Test

BYD zählt zu den chinesischen Automobilherstellern, die wohl nach Deutschland gekommen sind, um zu bleiben. Mit dem Seal ergänzt BYD sein Portfolio um eine elektrische Sportlimousine, die es in erster Linie mit dem Tesla Model 3 aufnimmt. Dabei soll auch eine besonders fortschrittliche Batterietechnologie helfen.

byd seal: der neue tesla-jäger aus china im ersten test

BYD Seal: Die elektrische Sportlimousine kommt jetzt auch nach Deutschland. Hersteller

Den Deutschland-Start des BYD Seal dürfte es nur meteorologisch gründlich verhagelt haben: Tischtennisballgroße Hagelkörner waren Ende August auf jene Fahrzeuge niedergeprasselt, die der chinesische Hersteller im Tegernseer Tal angerichtet hatte, um Pressevertretern einen Erstkontakt zu vermitteln, einige der Limousinen hatten infolge des Unwetters tiefe Wunden davongetragen.

Tatsächlich wird beim Seal aber wohl nichts schiefgehen. Denn der elektrischen Sportlimousine hilft geballte chinesische Wirtschaftskraft auf die Sprünge. BYD – ausführlich: Build Your Dreams – ist nicht irgendein Newcomer aus der Start-up-Szene, sondern als Hightech-Company eine echte Größe. 1995 wurde das Unternehmen im südchinesischen Shenzhen als Batteriehersteller gegründet, 2005 lief ein erstes Auto vom Band, seit 2010 gehören Elektroautos zum Portfolio, und bereits Anfang August 2023 feierte BYD sein fünfmillionstes “New Energy Vehicle”. Reine Verbrenner verkauft man inzwischen gar nicht mehr und bezeichnet sich stattdessen als weltweit führenden Hersteller von elektrifizierten Fahrzeugen.

Volkswagen-Schreck

In Deutschland hat es BYD im April dieses Jahres erstmals in die Schlagzeilen geschafft, damals löste der Hersteller VW als Marktführer in China ab. Neben Batterien und elektrifizierten Autos stellt BYD in großem Stil Stromspeichersysteme für Photovoltaikanlagen her, ist Elektronik-Zulieferer und fertigt Elektrobusse- und -Züge.

Jetzt nimmt sich BYD Auto Europa vor, und dies in rekordverdächtigem Tempo. Erst im vergangenen Oktober wurden die Limousine Han sowie die Crossover-SUVs Atto 3 und Tang auf der Paris Motor Show präsentiert, inzwischen befinden sie sich in Deutschland schon im Handel, ebenso wie der kompakte Dolphin. Und noch im vierten Quartal 2023 sollen erste Exemplare des Seal – zu Deutsch: Seehund – ausgeliefert werden.

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Dass die Mission der 4,80 Meter langen Elektrolimousine auch die eines Tesla-Jägers ist, lässt sich nicht übersehen. Der aerodynamisch geformte Seal mit seinen bündig versenkten Türgriffen ähnelt auf den ersten Blick durchaus dem Model 3, wirkt aber spannender und sportlicher, das Auge kriegt mehr geboten, woran es sich festhalten kann. Als Designchef hat BYD übrigens Wolfgang Egger verpflichtet, der auf leitende Positionen bei Alfa Romeo, Seat und Audi zurückblicken kann.

Unaufdringlicher Luxus

Auch das Interieur zeigt in beeindruckender Manier, was die Chinesen inzwischen so alles können. Premium-Qualität und unaufdringlichen Luxus nämlich, tadellosen Sitzkomfort auf in feines Kunstleder gehüllten Sitzen sowie den Verzicht auf jeglichen barocken Klimbim. Als einzige Extravaganz leistet sich der Seal einen kristallin verbrämten Schaltstummel. Belichtet wird das clean gestaltete Interieur durch ein großflächiges Panoramadach. Die induktive Ladefläche versorgt gleich zwei Mobiltelefone, und – Staun-Effekt – der opulente 15-Zoll-Bildschirm lässt sich auf Knopfdruck vom Quer- ins Hochformat drehen.

Suche im Untermenü

Dankbar haben wir zur Kenntnis genommen, dass die Sprachassistenz weder kugelige Körperformen wie Nomi im Nio ET7 annimmt noch als Avatar wie im Ora Funky Cat aufpoppt; man wisse, dass europäische Kunden derartige Verspieltheiten weniger schätzen als chinesische, sagt Penny Peng diplomatisch, Marketingdirektorin bei BYD Europe. Die weitgehende Abwesenheit physischer Bedienelemente führt dazu, dass allzu viele Funktionen in Untermenüs von erst zu erlernender Struktur aufgespürt werden müssen, die Sitzheizung beispielsweise und leider auch die Rekuperationsstärke, die man eigentlich unkompliziert und ablenkungsresistent während der Fahrt variiieren möchte.

byd seal: der neue tesla-jäger aus china im ersten test

Dass der Seal beständig plingt und verbal mahnt, wenn die erlaubte Geschwindigkeit auch nur minimal überschritten wird, wollen wir ihm nicht verübeln, neue Fahrzeugtypen müssen ein solches System an Bord haben. Man kann es abschalten, muss dies bei Fahrtantritt aber immer wieder aufs Neue tun und speziell beim Seal wird damit auch die hilfreiche Verkehrszeichenerkennung deaktiviert.

Topmodell mit 530 PS

BYD bietet die Elektrolimousine in zwei Varianten an, die jeweils einen 82,5-kWh-Akku mitführen. Der einmotorige Hecktriebler Seal Design leistet 230 kW/313 PS, beschleunigt in 5,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h und bietet eine maximale Reichweite von 570 Kilometern. Beim allradgetriebenen Seal Excellence-AWD gibt es einen zweiten, 160 kW starken Elektromotor an der Vorderachse, woraus eine Gesamtleistung von 390 kW/530 PS resultiert. 3,8 Sekunden verspricht BYD für den Standardsprint, wir glauben das gern, denn wenn man es darauf anlegt, stürmt der Chinese mit elektroautotypischer Vehemenz nach vorn. Die Reichweite des Topmodells wird mit 520 Kilometern angegeben. Was die Höchstgeschwindigkeit anbelangt, werden beide Seal-Versionen vernünftigerweise bei 180 km/h eingebremst.

An dieser Stelle müssen wir der Akkutechnologie noch ein paar Worte widmen, denn die ist eine BYD-typische Spezialität. Die selbst entwickelten, klingenartig geformten Blade-Batterien sind frei von Nickel, Mangan und Kobalt, beim Kathodenmaterial setzt BYD nicht auf Lithium-Ionen, sondern auf Lithium-Eisen-Phosphat (LFP). Das soll neben einer vergleichsweise hohen Langlebigkeit auch ein besonderes Maß an Sicherheit gewährleisten, beispielsweise was das gefürchtete “thermische Durchgehen” betrifft, bei dem ein interner Kurzschluss oder eine externe Beschädigung einen sich selbst verstärkenden Aufheizungsprozess auslöst, der die Batterie in Brand setzt beziehungsweise zum Explodieren bringt. Außerdem baut das Akkupaket sehr flach und dient auch als strukturelle Komponente der Konstruktion. “Cell-to-Body” (CTB) nennt BYD die Technologie, sie verbessert einerseits die Torsionssteifigkeit der Karosserie und andererseits die Raumausnutzung.

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An der AC-Wallbox lädt der Seal dreiphasig und mit bis zu 11 kW, die DC-Schnellladesäule zapft er mit nicht besonders ruhmreichen 150 kW an. In 26 Minuten soll der Akku von 30 auf 80 Prozent Ladestand zu bringen sein. Eine Wärmepumpe ist ebenso Standard wie die Vehicle-to-Load-Funktion (V2L), die den Seal zum Stromversorger für Laptops, E-Bikes oder den Campinggrill macht.

Eine Möglichkeit, den Ladevorgang im Sinne der Akku-Gesundheit bei 80 Prozent Ladestand (SoC) automatisch zu beenden, haben wir im Infotainment nicht gefunden, laut Penny Peng wird das aber mithilfe einer App möglich sein. Luft nach oben ist auch noch bei der Laderoutenplanung des Navis. Verwegen geben wir im Oberbayerischen das ferne Hamburg als Ziel ein, müssen die Ladestationen aber selbst in die Wegführung einpflegen. Immerhin wird eine große Auswahl aufgelistet, die sich zudem nach verschiedenen Kriterien – in der Nähe des Startpunkts, entlang der Strecke, am Zielort, Betreiber – filtern lassen.

Elektrisch gleiten

Fahrtechnisch kann der Seal vollumfänglich überzeugen. Entspannt elektrisch zu gleiten gelingt bestens mit ihm, kleinere und größere Unebenheiten werden vom Fahrwerk souverän pariert, Windgeräusche dringen kaum an die Ohren der Insassen, und wenn es drauf ankommt – bei Überholmanövern beispielsweise – setzt sich der beeindruckende Schub hilfreich in Szene. Auch das Team der Fahrassistenten ist umfangreich aufgestellt, vom Adaptivtempomat über die 360-Grad-Panoramakamera mit brillanter Auflösung bis hin zum Heckkollisions- und Querverkehrswarner.

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Die räumlichen Verhältnisse sind ordentlich, auch im Fond lässt es sich gut leben. Der Kofferraum bietet nicht allzu üppige 400 Liter Fassungsvermögen auf, zusätzlich gibt es einen 53-Liter-“Frunk” unter der Fronthaube, allerdings nur beim Hecktriebler.

Bleibt noch die Frage nach dem Preis, und die beantwortet BYD erst in Kürze auf der Münchner IAA (5. – 9. September). Man werde aber darauf achten, beim Einstiegsmodell das für den Umweltbonus wichtige Limit von 45.000 Euro netto nicht zu überschreiten, sagt BYD-Europe-Sprecher Ralf Kaiser. Der Vertrieb soll über ein klassisches und schnellstmöglich aufgebautes Händlernetz mit Werkstattanschluss erfolgen, also nicht ausschließlich über schicke Innenstadt-Lounges und Online-Bestellbücher.

Weiter auf Expansionskurs

Der Ausbau der BYD-Modellpalette wird mit unverändertem Tempo weitergehen. Schon auf der IAA feiert beispielsweise der Seal U seine Europapremiere, ein fünfsitziges Mittelklasse-SUV. Und perspektivisch wird wohl der Seagull das Portfolio nach unten abrunden – ein kleines E-Auto, das in China für rund 10.000 Euro angeboten wird und auch nach den erforderlichen Anpassungen für Europa die Hoffnungen auf bezahlbare Elektromobilität erfüllen könnte.

Ulla Ellmer

BYD Seal in Kürze:

Wann er kommt: Erste Auslieferungen im vierten Quartal 2023

Wen er ins Visier nimmt: Tesla Model 3, BMW i4, Polestar 2

Was ihn antreibt: Elektromotor mit 230 kW/313 PS im Seal Design, zwei Elektromotoren mit 390 kW/530 PS im Seal Excellence-AWD

Was er kostet: Preise noch nicht bekannt

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