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Superhandlicher, giftgrüner Wirbelwind

Ihren Bestseller Z 650 rüstet Kawasaki für 2023 mit einer Traktionskontrolle auf. MOTORRAD fuhr das neue Modell.

Superhandlicher, giftgrüner Wirbelwind

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Es ist bereits ein Topseller, findet alljährlich über 10.000 Käufer in Europa. 2022 entschieden sich allein in Deutschland 1.773 Motorrad-Menschen für die nackte Sechs-Fünfer. Sie liegt damit auf Rang 6 der Neuverkäufe hierzulande. Hinzu kamen noch 774 Exemplare der Ninja 650 (Rang 40). Da schadet ein kleines Update nicht. Kawasakis Motto lautet dabei Evolution, nicht Revolution. Schließlich blicken beide Twin-Modelle bereist auf eine lange Ahnengalerie zurück,

Bekannter Twin mit Charme

Typisch Kawasaki dreht der Zweizylinder nach Kaltstart recht hoch, rund 2000 Touren. Kernig-knurrig klingt der Gegenläufer-Twin mit seiner 180-Grad-Kurbelwelle aus dem kurzen Stummel am brotkastenförmigen Sammler mit kurzem “Wurmfortsatz” rechts vorn. Erster Pluspunkt: Die gesamte Auspuffanlage inklusive der geschwungenen Abgaskrümmer ist komplett aus Edelstahl gefertigt. Nächster Pluspunkt: beide Handhebel sind einstellbar. Wow, zum Ziehen der klasse dosierbaren, extrem leichtgängigen Seilzugkupplung reichen ein bis zwei Finger. Diese “Assist Slipper Clutch” kommt dank spezieller Rampen im Kupplungskorb mit nur drei Kupplungsfedern aus.

Sie verhindert gleichzeitig als “Anti-Hoppel”-Kupplung (korrekt: Anti-Hopping, also “Anti-Hüpf”) ein stempelndes Hinterrad beim heftigen Runterschalten aus hohen Drehzahlen. Gemach, ruhig bleiben. Erstmal losfahren. Mit Elan und recht elastisch setzt sich die Kawa in Fahrt. Kurze Übersetzung macht den Twin durchaus durchzugsstark. Ab 4000/min kommt Leben in die Bude, ab 6000 Touren wird der Vortrieb des rund 195 Kilogramm leichten Fliegengewichts einigermaßen feurig. Warmgefahren wird außerorts bei 8000 Touren der Leistungsgipfel geentert, mahnt der Schaltblitz zum Einlegen des nächsthöheren Gangs.

Besonders in der zweiten Drehzahlhälfte macht der kleine Raubatz unter dem 15-Liter-Tank mit derberem Pulsieren auf sich aufmerksam. Kein Wunder, dass fette Ausgleichsgewichte unter den Fußrasten sitzen, um Vibrationen an den Füßen zu eliminieren. Der in seinem Gitterohrrahmen mittragend sitzende Twin hat kein “Ride-by-wire”: Hier öffnest du noch direkt per Draht die primären Drosselklappen mit 36 Millimeter Durchmesser, denn es gibt da vor jedem Zylinder noch eine zweite, sekundäre Drosselklappe, die tatsächlich der Bordrechner befehligt.

Neue Traktionskontrolle für die Z 650

Und genau an ihnen setzt Kawasakis zweistufige und abschaltbare Traktionskontrolle an. Die abschaltbare Traktionskontrolle KTRC bekommt in Stufe 1 nicht viel zu regeln. Erst in Stufe 2 bleibt selbst mit nur 68 PS mitunter mal recht unvermittelt und lang die Leistung weg: Weicht die Umdrehungsgeschwindigkeit des Hinterrads zu sehr von der des Vorderrads ab, wird erst die Zündung zurückgenommen, dann ausgeschaltet. Wenn das noch nicht reicht, schließen die sekundären Drosselklappe. Scheint etwas zu dauern, ehe sie wieder öffnet. Egal, denn die Fahrdynamik stimmt. Schließlich treffen bei der Z 650 68 PS auf zarte 188 Kilogramm Maschinengewicht.

Von Leistung und Handling

Heißt also rund 2,75 Kilogramm je PS als Leistungsgewicht – besser als bei der 900er-Ur-Z1 anno 1972. Tatsächlich vermisst du hier und heute gar nichts an Power. Denn Ibiza, das heißt: viele enge Straßen und haufenweise Kurven. Hier ist die Z 650 voll in ihrem Element. Locker-flockig wischt sie durch alle möglichen Radien, lenkt mit der Leichtigkeit eines Mountainbikes ein. Superhandlich gibt sie den giftgrünen Wirbelwind. Der recht hohe wie breite, einteilige Lenker und der schmale 160er-Hinterreifen wirken Wunder, sprich: handlingfördernd. Geradezu spielerisch lässt sich die Kawa hin-und-herwerfen.

Daran dürften die hier aufgezogenen Bridgestone S 22 ihren Anteil haben. Die Japan-Pneus grippen klasse, rollen herrlich rund bis zur Reifenkante. Ab Werk trägt die in Thailand gebaute Ninja 650 Dunlop Roadsmart 2 in Sonderkennung “W”. Einfach sind die weichen, komfort-orientieren Federelemente gestrickt – eine 41er-Telegabel und ein liegendes, lediglich in der Federbasis verstellbares Federbein. Immerhin trägt es ein Umlenksystem, könnte bei forcierter Gangart mehr Dämpfung, gerade in der Zugstufe vertragen. Und die Front taucht beim Griff zu den erstaunlich wirkungsvollen Doppelkolben-Schwimmsätteln weit ab. Diese guten Alltags-Stopper beißen ordentlich, doch nicht perfekt dosierbar auf die hippen Wave-Bremsscheiben. Sie sollen theoretisch die Wärmeabfuhr durch die größere, gezackte Oberfläche verbessern. Zudem soll die Wellenform der Bremsscheibe den Selbstreinigungsprozess von Bremsscheibe und -Belägen erhöhen.

Vom Sitzen und Lesen

Mit 790 Millimeter Sitzhöhe und ihrer extrem schmal geschnittenen Taille taugt die Z 650 – wie ihre rund fünf Kilogramm schwerere, zweieiige Zwillingsschwester Ninja 650 – bestens für kleine Fahrer(innen). Lange Beine sind nicht nötig, um den rettenden Erdboden zu erreichen. Doch spätestens ab 1,80 Meter Größe zwickt und zwackt der dann doch enge Kniewinkel. Dann empfiehlt sich der optionale, höhere Fahrersitz. Zumal er das Feedback von der Front, das Gefühl fürs Vorderrad entscheidend verbessert. Entgegenkommend gekröpft gibt sich der dünne Rohrlenker.

Ein weiter Pluspunkt von Zett und des Mini-Sportlers sind das kontrastreiche, gut ablesbare TFT-Display mit Connectivity-Funktion via Bluetooth. Es gibt sich hoch informativ – dank großer Ganganzeige und Informationen zu Fahrtzeit, Durchschnittsgeschwindigkeit/-verbrauch, Momentan-Verbrauch und Reichweite. Plus Bordspannung und Kühlwassertemperatur. Fehlt bloß noch die Umgebungstemperatur, momentan zwischen 16 und 20°C. Heißa, der Frühling ist da, die Mandelbäume blühen zartrosa.

LED-Blinker und 4 Jahre Garantie

Haben wir schon über die schöne Bananenschwinge (okay, aus Stahl) und die formschönen Räder mit den filigranen Gussspeichen gesprochen? Eben. Sonst präsentiert sich die Ausstattung komplett. Dafür sorgen hell strahlende LED-Scheinwerfer, Stichwort: sehen und gesehen werden. Aber auch Warnblinker und Gepäckhaken am Heck der in Kawasakis thailändischem Werk gebauten 650er. Langgestreckte 12.000er-Watungsintervalle und vier Jahre Hersteller-Garantie geben Sicherheit und helfen, Unterhaltskosten zu sparen.

Gut so. Denn beide 650er kosteten vor der leichten Modellpflege noch 550 Euro weniger. Da heißt es 2023 wohl “Mehrwert-teuer”. Dazu hat Kawasaki diverse Ausstattungspakete genschnürt. So werten Soziussitzabdeckung, Tankpad und höhere Mini-Scheibe die Z weiter auf.

Fazit

Wir jedenfalls sind so oder so angetriggert vom einfachen und bezahlbaren Motorradfahren, bei dem man seinem Motorrad durchaus auch mal überlegen sein kann.

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