Getestet: Ladeverhalten von Elektroautos bei Kälte
Auch wenn Hersteller von E-Autos mittlerweile mit Ladezeiten von 30 Minuten oder weniger werben: Solche Werte sind an Schnellladesäulen zwar erreichbar, allerdings nur unter optimalen Bedingungen. “Vor allem im Winter sieht es in der Praxis meist ganz anders aus – gerade, wenn wirklich tiefe Temperaturen herrschen”, erklärt Markus Kaiser, E-Mobilitätsexperte beim ÖAMTC.
“Speziell an öffentlichen Ladestationen wird meist nach Zeit abgerechnet.” Um herauszufinden, wie groß diese Problematik für Konsumenten tatsächlich sein kann, hat der ÖAMTC das Ladeverhalten aktueller Elektro-Autos bei winterlichen Temperaturen überprüft.
Die zentrale Frage: Wie viel Strom kommt bei welchem Ladestand im Akku der Autos an und welche Ladezeit ergibt sich dadurch? Kaiser fasst zusammen: “Die Ladekurven der einzelnen Fahrzeuge unterscheiden sich zum Teil stark. Was aber bei allen Modellen ähnlich ist: Die Ladeleistung schwankt, ist speziell zu Beginn der Ladezeit deutlich reduziert und zeigt eine direkte Abhängigkeit von den Temperatureinflüssen.
Fazit zu den getesteten Autos
Kia e-Niro 64 kWh
Der e-Niro von Kia ist vor allem durch seinen sparsamen Betrieb und geringen Verbrauch bekannt. Auch wenn die maximal mögliche Ladeleistung sicher nicht mehr das Maß aller dinge ist und der Kia e-Niro unter allen Testfahrzeugen die geringste maximale Ladeleistung unterstützte, war der Einfluss tiefer Temperaturen auf die Ladezeit vergleichsweise wenig bemerkbar. Mit einer Ladezeiterhöhung von 13 Minuten bei einem ohnehin schon langen Ladevorgang von rd. 100 Minuten mit temperierter Batterie, würden das bei einer zeitbasierten Abrechnung Mehrkosten von rd. 13% bedeuten.
Peugeot e-2008
Der Peugeot e-2008 hatte unter den Testkandidaten am stärksten mit tiefen Temperaturen zu kämpfen. Mit einer Ladezeiterhöhung von 26 Minuten bei nicht temperierter Batterie bedeutet dies bei einer zeitbasierten Abrechnung eine Kostenerhöhung pro vollem Ladezyklus von knapp 60%. Erreichte der e-2008 im temperierten Zustand zumindest kurzfristig knapp 95 kW, lag die maximale Ladeleistung bei ausgekühlter Traktionsbatterie – nach einer Stehzeit von 10 Stunden und einer Umgebungstemperatur von rd. 0 °C – bei lediglich rd. 40 kW. Nicht verwunderlich daher auch diese signifikante Ladezeiterhöhung.
Das Tesla Model 3 konnte auch mit kalter Batterie eine sehr gute Ladekurve erzielen. Mit einer Ladezeiterhöhung von lediglich 8 Minuten gegenüber der Ladung mit temperierter Batterie würden sich auch etwaige Mehrkosten bei zeitbasierter Abrechnung mit rd. 13% in Grenzen halten. Vor allem das Ladeverhalten des Tesla zeigte bei ausgekühlter Batterie einen interessanten Verlauf: Zwar konnte die im temperierten Zustand erreichte Ladeleistung von knapp 150 kW mit kalter Batterie bei weitem nicht erreicht werden, die maximal erreichte Ladeleistung von rd. 95 kW wurde dann jedoch für einen Zeitraum von über 15 Minuten annähernd konstant gehalten, ehe die Leistung sukzessiv reduziert wurde.
VW ID.3 58 kWh
Auch beim VW ID.3 war der Einfluss einer ausgekühlten Batterie auf die Ladeeigenschaften deutlich erkennbar. Lag die maximale Ladeleistung bei temperierter Batterie noch bei über 130 kW, erreichte der getestete ID.3 mit kalter Batterie nur eine Leistung von kurzfristig rd. 95 kW. Dementsprechend machte sich diese reduzierte Ladeleistung auch in der Ladezeit bemerkbar: In Summe 8 Minuten dauerte der Ladevorgang mit ausgekühlter Traktionsbatterie länger als im Vergleich zur Ladung mit temperierter Batterie.
VW ID.4 77 kWh
Bei genauerer Betrachtung des Ladeverhaltens des ID.4 fällt die Ähnlichkeit zur Ladekurve des ebenfalls getesteten VW ID.3 auf. Da beide Fahrzeuge auf der selben MEB-Fahrzeugplattform von VW aufbauen, sind die Ähnlichkeiten im Ladeverhalten auch nicht verwunderlich. Wie auch beim VW ID.3 hat sich auch beim VW ID.4 die Ladezeit mit ausgekühlter Batterie um rd. 8 Minuten erhöht. Konnten mit temperierter Batterie kurzzeitig noch knapp 130 kW Ladeleistung erreicht werden, waren es mit ausgekühlter Batterie zumindest noch kurzzeitig knapp 110 kW, ehe der sukzessive Leistungsabfall eingetreten ist.
Der Audi Q4 e-tron hatte im Vergleich zu den anderen Testkandidaten mit lediglich 2 Minuten mehr den geringsten Ladezeitunterschied zwischen der Ladung mit temperierter und einer bei rd. 0 °C Umgebungstemperatur abgekühlten Batterie. Tiefe Temperaturen spielen beim Audi Q4 e-tron hinsichtlich einer möglichen Ladezeiterhöhung daher eine eher untergeordnete Rolle.
Cupra Born 77 kWh
Beim Cupra Born zeigte sich bei der Ladekurve ein deutlicher Unterschied zwischen der temperierten Batterie und der ausgekühlten Batterie. Neben der deutlich reduzierten Ladeleistung – anstatt von knapp 150 kW im temperierten Zustand erreichte die Ladekurve bei ausgekühlter Batterie mit 75 kW gerade einmal die Hälfte – war es vor allem die Ladezeiterhöhung von 22 Minuten, welche die Notwendigkeit einer Temperaturkonditionierung der Batterie verdeutlicht hat. Bei Abrechnung des Ladevorgangs nach Zeit würden solche Bedingungen eine Kostenerhöhung pro Ladevorgang von knapp 35% bedeuten.
Hyundai Ioniq 5 72,6 kWh
Der Hyundai IONIQ 5 war das Fahrzeug im Testfeld, mit der potenziell höchsten Spitzen-Ladeleistung. Bei temperierter Batterie konnte das Fahrzeug die versprochenen Hersteller angaben einhalten und in der Spitze mit zumindest kurzfristig 220 kW Laden. Dementsprechend war auch die Ladezeit von 0% bis 80% Ladezustand sehr kurz. Einen deutlichen Unterschied zeigte die Ladekurve jedoch bei ausgekühlter Batterie: Der IONIQ 5 erreichte an der selben Ladestation in der Spitze lediglich knapp 145 kW, wodurch sich auch die Ladezeit merkbar um 15 Minuten verlängerte.
kWh-basierte Tarife
Kaiser: “Angesichts der Testergebnisse fordern wir einmal mehr die rasche Umstellung auf Kilowattstunden-basierte Tarife oder zumindest eine eindeutige Trennung zwischen Lade- und etwaigen Parkgebühren. Nur so ist Preistransparenz möglich – und nur so ist gewährleistet, dass man lediglich für jenen Strom zahlt, den man auch nutzt.”