Tausende Elektroautos der Marke BYD warten in China auf einen Platz auf dem Schiff. Künftig sollen chinesische Elektroautos auch in einem Werk in der Türkei gebaut werden.
Die Standortwahl ist kein Zufall. Zum einen hatte die Türkei seit längerem in Peking für große Investitionen aus dem Reich der Mitte geworben und beispielsweise steuerliche Vergünstigungen angeboten, zum anderen aber könnte sich eine Fabrik in der Türkei schon in naher Zukunft als strategischer Volltreffer für die Chinesen erweisen. Denn nach der 1995 vereinbarten Zollunion zwischen der EU und der Türkei haben türkische Industrieprodukte, also auch Autos, einen bevorzugten Zugang zum Markt der EU. Die geplanten Zollerhöhungen für die Einfuhr chinesischer Autos nach Europa würden also wegfallen, wenn die Autos aus der Türkei kommen.
BYD zieht es nach Europa
Seit die USA hohe Einfuhrzölle auf chinesische Elektroautos erheben, ist die EU zum bevorzugten Ziel für den mittlerweile weltweit größten Elektroautobauer BYD geworden. Zum einen werden Autos mit BYD-eigenen Schiffen nach Europa gebracht, zum anderen wird bereits ein Werk in Ungarn gebaut, wo ab der zweiten Hälfte 2025 ein BYD-Elektrokleinwagen für den europäischen Markt produziert werden soll.
Waren es vor Jahrzehnten noch Joint-Ventures mit Renault und Fiat, die den türkischen Automarkt versorgten, sind mittlerweile auch Ford, Toyota, Hyundai und Mercedes mit eigenen Fabriken hier vertreten und beliefern von der Türkei aus auch den Nahen Osten und Teile des europäischen, hauptsächlich osteuropäischen Markts. Mercedes lässt beispielsweise fast alle Reisebusse mittlerweile in seiner Fabrik bei Istanbul bauen. Längst sind nicht mehr Textilien, sondern Autos der Hauptschlager der türkischen Exportwirtschaft.
Seit zwei Jahren ist die Türkei auch mit einer eigenen Marke am Start. Togg heißt die Marke, die eigene türkische Elektroautos produziert. Seit 2022 verkauft sie einen SUV, der von Aussehen und Leistung europäischen Elektro-SUVs ähnelt, aber zu gut 75 Prozent direkt in der Türkei produziert wird. Die Batteriezelle kommt aus China, demnächst sollen aber auch in der Türkei Batteriezellen produziert werden. Togg ist ein Prestigeprojekt von Erdoğan, zu dem er mehrere türkische Firmen gedrängt hat. Bei einem Preis von knapp 50.000 Euro ist das Auto allerdings nur für wenige Kunden in der Türkei erschwinglich. Stattdessen will jetzt BYD in der Türkei und von dort auch in Europa den Massenmarkt mit leistbaren Preisen bedienen.
Günstiges Tor nach Europa
Da die EU gegen den deutschen Widerstand gerade erst Probezölle für chinesische Elektroautos eingeführt hat, könnte sich die Fabrik in der Türkei für die Chinesen als unschlagbar günstiges Tor nach Europa erweisen.
Die Türkei selbst verspricht sich von BYD erst einmal mehr als 5000 hochqualifizierte Arbeitsplätze und künftig günstige E-Autos für den heimischen Markt, die Togg zu den Preisen, wie die Chinesen sie anbieten, nicht liefern kann. Erdoğan hat versprochen, die Ladeinfrastruktur in der Türkei zügig auszubauen.
Probleme für deutsche Konzerne
Auch europäische Käufer von Elektroautos werden von den BYD-Autos aus der Türkei profitieren. Das ist gut für die Zukunft der Elektroautos in Europa, könnte aber natürlich gerade für deutsche Konzerne zum Problem werden. Am härtesten würde es wohl VW treffen, die es immer noch nicht geschafft haben, ein günstiges Modell für den Massenmarkt anzubieten. Ironie der Geschichte: Das Gelände bei Manisa, auf dem BYD jetzt sein Werk bauen wird, war ursprünglich für eine Fabrik vorgesehen, die VW in der Türkei bauen wollte, aber dann einen Rückzieher machte.
Auch an anderer Stelle tritt BYD bereits in die Fußstapfen von VW. Hautsponsor für die EM in Deutschland in diesem Jahr ist nicht mehr VW, sondern BYD. Seitdem kennen die deutschen Fußballfans die chinesische Marke.
Der Hauptanteilseigner von Tesla, Elon Musk, sieht in BYD die größte Gefahr für die Autoindustrie außerhalb Chinas. Gegenüber Bloomberg sagte er: “Sie sind extrem gut. Wenn es keine Handelsschranken gibt, werden sie die meisten anderen Autofirmen weltweit zerstören.” (Jürgen Gottschlich, 10.7.2024)