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BMW i7 und 7er: Extremes Design, entscheidungsschwach im Antrieb

Wenn BMW den neuen 7er als E-Modell und Verbrenner auf den Markt bringt, wirkt das seltsam entscheidungsschwach. Denn sonst hat die Marke doch auch keine Probleme sich festzulegen. Etwa auf extremes Design.

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BMW i7 und 7er: Extremes Design, entscheidungsschwach im Antrieb

Der erste Eindruck: Der neue 7er ist filigran wie ein Backstein. Während sich andere Hersteller um aerodynamische Effizienz bemühen, ist das Flaggschiff der Bayern ein kolossaler Brocken, der selbst einen Rolls-Royce zierlich aussehen lässt. Als wäre das nicht genug, gibt’s bei dem Monolithen serienmäßig eine Beleuchtung für die grotesk große BMW-Niere und auf Wunsch auch noch Zweifarblackierungen in – nun ja – eher gewöhnungsbedürftigen Kombinationen.

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Das sagt der Hersteller: Stilkritik aus der Heimat perlt an BMW ab. Einerseits, weil die Absatzzahlen kontinuierlich steigen. Andererseits weil, auch wenn das niemand so sagen würde, das deutsche Echo auf den neuen 7er eher irrelevant ist. Schließlich bleibt nur ein niedriger einstelliger Prozentanteil der Produktion im eigenen Land. Gefallen muss das Auto stattdessen vor allem US-Amerikanern und den Kunden in Asien. »Allein China kommt bei uns auf einen Anteil von 48 Prozent«, sagt BMW-Projektleiter Christian Schneider. Und dort sind die Käufer experimentierfreudiger, exaltierter und im Schnitt nur etwa halb so alt wie in Europa.

Aber auch sonst pfeifen die Bayern auf den heimischen Zeitgeist. »Wir lassen uns nicht vorschreiben, mit welchen Motoren unsere Autos fahren sollen, und wollen auch unseren Kunden keine Vorgaben machen«, sagt Vertriebsvorstand Pieter Nota. Andere Hersteller singen das Hohelied des Elektroantriebs; BMW predigt Technologieoffenheit und behandelt alle Antriebsvarianten nahezu gleich. Deshalb gibt es auch keine ungleichen Zwillinge wie bei Mercedes mit dem EQS und der S-Klasse, sondern ein Auto für alle Antriebe, auch wenn das ein paar Kompromisse erfordert. »Das gibt unseren Kunden und uns die maximale Flexibilität«, sagt Nota. Projektleiter Schneider nennt einen weiteren Vorteil dieser Strategie: »Es gibt kein besseres oder schlechteres Auto, kein modernes oder altmodisches – sondern es gibt nur einen 7er.« Basta.

Und das sei – was für eine Überraschung – der beste, den BMW bislang gebaut hat, sagt Schneider. Dann allerdings nennt er Details, die einem bei einer Firma, die den Begriff »Motorenwerke« im Namen trägt, nicht unbedingt in den Sinn gekommen wären: den riesigen Theater Screen etwa, der mit 31 Zoll Bildschirmdiagonale auf der gesamten Breite vom Dachhimmel über den Hinterbänklern klappt und erstmals im Auto sogar Netflix oder Amazon streamt; oder die taktilen Bedienelemente unter Kristallglas-Imitat im Armaturenbrett; oder die automatischen Türen. Erst am Ende der Präsentation geht es dann doch noch um den Elektroantrieb, die Verbrenner und – die Freude am Fahren. Der 7er sei die dynamischste Limousine in dieser Liga, sagt Schneider dann doch noch in klassischer BMW-Manier.

Das ist uns aufgefallen: Bayerischer Barock trifft Captain Future – so könnte man die BMW-Formulierung »progressiver Luxus« übersetzen. Mit dem gebogenen Flachbildschirm hinterm Lenkrad, den Touchpads in den Fondtüren und den von Digital Artists programmierten Grafikwelten ist der 7er das aktuell vielleicht futuristischste Flaggschiff. Gleichzeitig ist er derart mit Ornat und Lametta vom funkelndem Glasdekor über die aufwändigen Stoffperforationen bis hin zur Merino-Wolle von Bio-Schafen überladen, dass er schon wieder altmodisch wirkt. Der ballastfreie, kühle Luxus von Newcomern wie Nio oder Tesla funktioniert jedenfalls anders.

Was in der ersten Reihe noch irritiert, könnte in der zweiten Reihe allerdings zum Plus des 7ers werden. Denn die Hinterbänkler werden in den E-Limousinen der Konkurrenz bislang eher stiefmütterlich behandelt. Während Mercedes in der S-Klasse selbstverständlich Einzelsitze im Fond anbietet, gibt’s im EQS nur eine schnöde Bank, von großen Monitoren ganz zu schweigen. Im 7er dagegen lockt BMW auch bei der E-Version mit elektrischen Loungeliegen, mehr Beinfreiheit als bei jedem anderen Luxusmodell und auf Wunsch eben auch mit der Neuinterpretation des Autokinos. Der Flirt mit dem elektrischen Establishment geht noch weiter: BMW will den i7 bald sogar als erste Sonderschutzlimousine mit Akkuantrieb anbieten, und sich als erstes E-Auto im Staat empfehlen.

Dass der Wagen solch fürstliche Platzverhältnisse bietet, liegt – anders als bei elektrischen Konkurrenten wie Mercedes EQS oder Tesla Model S – nicht an der geschickten Raumausnutzung, sondern schlicht am Format. Weil es den Wagen in China und den USA ohnehin nie anders gab, bietet BMW den Luxusliner ab sofort nur noch in der Langversion an. Und auch die wurde noch einmal um 13 Zentimeter auf 5,39 Meter gestreckt.

Vom neuen Format bekommt der Fahrer kaum etwas mit. Auf der Landstraße kompensieren Hinterachslenkung, Wankstabilisierung und adaptive Dämpfer Kilos und Zentimeter, und beim Parken hilft eine schlaue Automatik. Während BMW den Drive Pilot der Mercedes S-Klasse erst in ein paar Jahren kontern will, rollt das Flaggschiff auf selbst erlernten Wegen ganz ohne Fahrer auf den Parkplatz, wenn der bei der ersten Tour am Steuer gesessen und auf Speichern gedrückt hat.

Dass autonomes Fahren bei BMW eine niedrigere Priorität hat, mag auch daran liegen, dass die Bayern sich noch immer als Gralshüter der Fahrfreude sehen. Ob mit Verbenner oder E-Antrieb – der 7er fährt engagierter als die Konkurrenz, spannt den Fahrer stärker ein, vermittelt mehr Rückmeldung von der Fahrbahn, geht beherzter um die Kurven und ist bei aller Ruhe und allem Komfort weniger entkoppelt und abgehoben. Schade nur, dass das den chinesischen Kunden im Dauerstau von Peking und Shanghai herzlich egal sein wird. Und was helfen den deutschen Kunden solch deutsche Tugenden, wenn deren Geschmack ansonsten ignoriert wird?

Das muss man wissen: Der neue 7er ist der siebte in der Generationenfolge, die vor 45 Jahren mit der Baureihe E23 begonnen hat, Bislang verkaufte BMW rund zwei Millionen Exemplare seines Flaggschiffs, die neue Generation kommt zum Jahreswechsel in den Handel. Die Preise beginnen bei 114.300 Euro für die Verbrenner und 135.900 Euro für den elektrischen i7 und lassen sich mühelos noch höher treiben. Beispiele gefällig? Zweifarblackierung kostet 12.000 Euro extra, Loungesitze im Fond 6730 Euro, Glasapplikationen 850 Euro, Theater Screen 4750 Euro und die automatischen Türen 1500 Euro – Lederpolster und Merino-Bezüge sind da noch gar nicht eingerechnet.

Als i7 fährt der 7er zunächst mit zwei Motoren mit zusammen 544 PS Leistung vor, pulverisiert das üppige Gewicht mit maximal 745 Nm Drehmoment, sprintet in 4,7 Sekunden auf Tempo 100 und wird erst bei 240 km/h eingebremst. Im Sandwich-Boden steckt – und das ist ein weiterer Grund für den langen Radstand – ein Akku mit einer Netto-Speicherkapazität von 101,7 kWh, der im Normzyklus für 625 Kilometer reicht. An der Wallbox mit bis zu 22 kW und am Gleichstrom mit maximal 195 kW geladen, ist der i7 zwar nicht der Allerschnellste, zieht aber im besten Fall binnen zehn Minuten trotzdem den Strom für 110 Kilometer.

Verbrenner-Interessenten bekommen als Einstiegsmodell einen Sechszylinder-Diesel mit 299 PS und mehr als 1200 Kilometern Reichweite im 740d. Wer Benzin tanken möchte, dem bieten die Bayern zwei Plug-in-Antriebe mit jeweils knapp 100 Kilometern elektrischer Reichweite an. Im 750e hat das Paket eine Systemleistung von 489 PS, im 760e sind es 571 PS, die dann auch den bisherigen V12-Motor überflüssig machen sollen. Denn bei aller Liebe zum Luxus, passt der offenbar selbst für BMW nicht mehr in die Zeit.

Das werden wir nicht vergessen: Das Entrée, das der 7er seinen Insassen bereitet. Und das ist genauso ambivalent wie das ganze Auto. Der rote Lichtteppich, den die Bayern beim Öffnen per LED-Technik ausrollen, ist eine spektakuläre Spielerei, doch die elektrischen Türen sind eher nervig als nobel. Denn sie bewegen sich so lahm und die Sensoren für die Überwachung des Schwenkbereichs sind so sensibel, dass das Ein- und Aussteigen zur Geduldsprobe wird – wenn es überhaupt klappt. So liefern die Bayern die vielleicht höchste Hürde auf dem Weg in die Zukunft als Extra gleich mit.

Thomas Geiger ist freier Autor und wurde bei seiner Recherche von BMW unterstützt. Die Berichterstattung erfolgt davon unabhängig.

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