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Diesel: Warum das Tanken nach dem Rekordjahr wieder günstiger wird

Der Liter Diesel kostet an der Zapfsäule wieder rund 1,60 Euro und ist damit deutlicher günstiger als vergangenen Sommer – obwohl Deutschlands ehemaliger Hauptlieferant Russland seit Februar nicht mehr liefert. Der Preisrutsch für Diesel hat mehrere Gründe, die nicht nur mit Russland zu tun haben.

diesel: warum das tanken nach dem rekordjahr wieder günstiger wird

Diesel: Warum das Tanken nach dem Rekordjahr wieder günstiger wird

Wer im vergangenen Sommer mit dem Auto in den Urlaub fuhr, dürfte sich noch an die Preisexplosion der Spritpreise erinnern. 2022 ging als Rekordjahr in die Geschichte ein, noch nie war Diesel tanken in Deutschland so teuer wie im vergangenen Jahr. Zwar versuchte die Bundesregierung mit dem Tankrabatt die Preise an den Tankstellen zu dämpfen. Doch der Dieselpreis im Juni 2022 lag im Schnitt trotzdem bei über 2 Euro pro Liter und damit sogar über dem von Super E10. Ganz anders ist das Bild in diesem Sommer.

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Inzwischen ist der Dieselpreis an der Tankstelle wieder deutlich zurückgegangen und lag im Juni im Bundesdurchschnitt bei 1,59 Euro pro Liter. Nachdem der Preis im März noch ein Rekordhoch erreicht hatte, fiel er im Mai laut ADAC auf den niedrigsten Stand seit Beginn des Ukraine-Kriegs (siehe Grafik).

Warum wird Diesel tanken also derzeit wieder günstiger? Das liegt im Wesentlichen an drei Entwicklungen, die Angebot und Nachfrage in den vergangenen Monaten beeinflusst haben: Ein hohes Angebot in Europa und insgesamt auf dem Weltmarkt bei geringer Nachfrage aufgrund der trüben Konjunktur.

Hohe Bestände in ganz Europa, doch Nachfrage schwächelt

Zum einen haben die ungewöhnlich hohen Puffer in den Lagerstätten den Kraftstoff in den vergangenen Monaten vergünstigt. “Die Dieselspeicher in ganz Europa wurden bis Ende Januar fast maximal gefüllt”, sagt Hagen Reiners, Experte für deutsche Mineralölpreise von der Preisnotierungsagentur Argus Media gegenüber dem manager magazin. Hintergrund für die starke Einlagerung von Diesel war laut Reiners das EU-Embargo gegen russischen Diesel, das im Februar in Kraft tritt. “In Vorbereitung darauf hat man günstigen russischen Diesel eingekauft. Damit war Europa lange sehr gut versorgt.”

Doch während die Speicher an ihre Grenzen stießen, blieb der Bedarf aus Europa aus. Zahlreiche Unternehmen fuhren die Produktion zurück, die Wirtschaftsleistung in Europa ging zurück. Das reale BIP in der Eurozone fiel im ersten Quartal um 0,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Dementsprechend fiel auch der Dieselverbrauch in Europa schwächer aus als erwartet. “Der Dieselpreis ist stark gebunden an die Wirtschaftsleistung Europas”, sagt Reiners. So senkte auf europäischer Ebene also ein Überangebot den Dieselpreis.

Russland-Sanktionen schmälern Angebot kaum

Auf dem Weltmarkt war das Dieselangebot Reiners zufolge ebenfalls stärker als erwartet. Und das, obwohl Russland – bis Ukraine-Krieg noch der wichtigste Lieferant Deutschlands – seit Februar nicht mehr EU-Staaten beliefert. “Russischer Diesel hat relativ gut neue Absatzmärkte gefunden. Zum Beispiel deckt die Türkei inzwischen fast ihren gesamten Dieselbedarf aus Russland”, sagt der Energiepreisexperte. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Saudi-Arabien und Brasilien importieren verstärkt Russlands Diesel, seit sich die russischen Ölkonzerne neue Abnehmer suchen mussten. Grob gesagt haben sich die Handelsströme also nur verschoben. Denn die VAE und Saudi-Arabien importieren nicht nur mehr Diesel, sie exportieren auch mehr. “So hat das globale Angebot trotz der Sanktionen gegen Russland insgesamt kaum abgenommen.”

Zudem war es für Russland insbesondere in den ersten zwei Quartalen des Jahres extrem attraktiv Diesel zu produzieren. “Die Gewinne durch die Produktion von Diesel waren für die russischen Raffineriebetreiber sehr hoch durch den geringen Rohölpreis”, erklärt Reiners. Obwohl Russlands Ölkonzerne den Kraftstoff auf dem Weltmarkt mit deutlichen Preisnachlässen anboten, um Absatzmärkte zu bekommen, fuhren sie mit der Produktion von Diesel viel höhere Gewinne ein als jene in Europa.

China lieferte überschüssigen Diesel

Hinzu kam ein temporärer Effekt auf globaler Ebene. Zeitweise warf China ungewöhnlich hohe Mengen Diesel auf den Weltmarkt angesichts der geringen Nachfrage im eigenen Land. Noch immer erholt sich die Volksrepublik von den Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Um den Diesel im Ausland loszuwerden und von den hohen Preisen infolge der Russland-Sanktionen zu profitieren, hatte die chinesische Regierung die Exportquoten für Ölprodukte angehoben, die normalerweise nur Dieselexporte in einem begrenzten Umfang zulassen. Doch inzwischen haben die Lieferungen wieder abgenommen. Seit Mai, als die Regierung die Quoten wieder senkte, sind die Exporte ähnlich dem geringeren Niveau des Vorjahres, sagt Reiners.

All diese Faktoren haben in den vergangenen Monaten die Kosten für fossilen Dieselkraftstoff geschmälert, während gleichzeitig auch noch der Preis für Biodiesel gefallen ist. Letzterer macht einen kleinen Teil des Dieselpreises an der Zapfsäule aus.

Der Rückgang der Kraftstoffpreise könnte dazu beigetragen, dass der Kauf eines Diesel-Pkw momentan wieder attraktiver wird. Wer sich momentan in einem Autokaufprozess befinde, der tendiere stark zu Verbrennungsmotoren, heißt es im jüngsten DAT-Barometer. “Im Drei-Jahres-Trend wird bei den Neuwagenkaufplanern deutlich, dass sich Benziner und Diesel nach oben entwickelt haben, während rein batterieelektrische Pkw (BEV) in der Gunst der Kaufplaner gesunken sind.” Im Mai planten 12 Prozent der Neuwagenkäufer einen Diesel zu kaufen.

Preissenkende Effekte lassen nach

Bleibt der Dieselpreis also erst einmal wieder auf diesem vergleichsweise niedrigen Niveau? Das lässt sich nur schwer vorhersagen. Zumindest haben die preisdrückenden Effekte laut Ölpreisexperte Reiners inzwischen wieder nachgelassen. Die Lagerbestände sind abgebaut, auch die Lieferungen von überschüssigen Diesel aus China sind vergangen. Zuletzt, also in der Woche bis zum 4. Juli, fiel der Dieselpreis im Schnitt wieder leicht auf rund 1,60 Euro pro Liter.

Klar ist außerdem, dass die Versorgungswege aufgrund der Russland-Sanktionen deutlich länger geworden sind. Statt aus Russland bezieht Europa seinen Diesel jetzt mehr aus dem Mittleren Osten, teilweise aus Indien und gegebenenfalls auch mehr aus den USA. Das heißt: längere Seewege und damit höhere Transportkosten.

Wie sich der Preis in kommenden Monaten entwickeln wird, hängt Reiners zufolge vom globalen Angebot ab, aber auch davon, wie sich der Dieselbedarf in Europa entwickelt. So spielt vor allem eine Rolle, inwieweit die Wirtschaft noch weiter in eine Rezession rutscht.

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