Finanzen

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

700 Kilometer Reichweite – gelingt jetzt die Elektro-Revolution der Mittelklasse?

Stellantis, der Hersteller von Opel, Fiat und Peugeot kündigt, Konkurrenten wie Volkswagen und Tesla den Kampf an: Ab Ende des Jahres sollen E-Autos mit hohen Reichweiten und niedrigem Stromverbrauch auf den Markt kommen. So soll das funktionieren.

700 kilometer reichweite – gelingt jetzt die elektro-revolution der mittelklasse?

Auf der Technologie-Plattform namens STLA Medium sollen zwei Millionen Autos pro Jahr entstehen STELLANTIS // PROMO

Im Wettrennen um das beste Elektroauto kündigt Europas zweitgrößter Automobilkonzern, Stellantis, einen technologischen Sprung an. Der Hersteller von Marken wie Fiat, Peugeot und Opel will noch in diesem Jahr mit der Produktion neuer Mittelklasse-Modelle starten, die auf Reichweiten von mehr als 700 Kilometern pro Batterieladung kommen sollen.

Das ist bisher nur bei Oberklasse-Fahrzeugen möglich. „Wir steigen nun in das wirkliche Wettrennen ein“, sagte Konzernchef Carlos Tavares mit Blick auf den Wandel zur Elektromobilität.

Man ziele auf den Kern des Marktes, „wo der härteste Wettbewerb herrscht“ – auch mit Tesla und chinesischen Konkurrenten. „Wir werden sicherstellen, dass wir gegen jeden Wettbewerber kämpfen können“.

Grundlage für die Fahrzeuge ist eine Technologie-Plattform namens STLA Medium, auf der Mittelklasse-Autos in unterschiedlichen Formaten aufbauen sollen. Tavares setzt damit Konkurrenten wie Volkswagen nicht nur rhetorisch unter Druck.

Neben der sehr großen Batteriekapazität von bis zu 98 Kilowattstunden schafft die neue Plattform laut Stellantis auch einen Entwicklungssprung bei der Energieeffizienz.

Der Stromverbrauch der Fahrzeuge soll je nach Modell bei unter 14 Kilowattstunden pro 100 Kilometer liegen – damit sei man „Klassenbester bei der Energieeffizienz“. Viele Konkurrenzmodelle brauchen um die 20 Kilowattstunden.

Das erste Fahrzeug auf der neuen Basis werde der elektrische Nachfolger des Peugeot 3008, dessen Produktion noch 2023 in Frankreich beginnen soll, sagte Tavares. Danach folgen Wagen von Fiat und Opel, bis 2026 auch von Chrysler und Jeep in den USA.

Auch Opel soll von der Entwicklung profitieren

Zu den ersten Stellantis-Fabriken, die auf die Produktion der neuen Elektro-Plattform umgerüstet werden, zählt auch das Opel-Werk in Eisenach. Dort soll der Umstieg auf E-Autos im kommenden Jahr stattfinden. Bisher wird in Eisenach der Opel Grandland als Verbrenner und Hybrid gebaut.

Der Konzern bekräftigte den Plan, Opel bis 2028 zu einer reinen E-Auto-Marke zu machen und ab 2030 in Europa nur noch Elektroautos zu verkaufen. In den USA soll bis dahin der Anteil reiner E-Autos auf 50 Prozent steigen. Dadurch will Tavares den CO₂-Fußabdruck des Konzerns gegenüber 2021 halbieren.

Volkswagen kann Technologiesprünge wie Stellantis derzeit nicht bieten. Die Wolfsburger mühen sich, ihren „modularen E-Antriebs-Baukasten“ (MEB) weiterzuentwickeln, auf dem die Mittelklassefahrzeuge wie der ID.3 oder der Škoda Enyaq basieren.

Zugleich kämpfen die Ingenieure darum, die um zwei Jahre verspätete Plattform für Premium-Fahrzeuge von Audi und Porsche endlich auf die Straße zu bringen. Beide Projekte sind sehr komplex, weil auch die Software in großen Teilen neu entwickelt wird.

Stellantis dagegen hat die Entwicklung in mehrere Pakete zerlegt: Parallel zur STLA Medium Plattform bauen die Ingenieure des Konzerns noch drei weitere auf, für Kleinwagen, Oberklassefahrzeuge und Pick-ups. Die Software-Architektur wird getrennt im Projekt STLA Brain entwickelt. Daneben gibt es noch Software-Bausteine für das Cockpit (in Zusammenarbeit mit Foxconn) und für automatisiertes Fahren.

Tavares betonte die Fähigkeiten seiner Entwickler; 90 Prozent der neuen Plattform basierten auf eigener Technologie. „Wir haben 26.000 Ingenieure. Unsere Entwicklung ist so wettbewerbsfähig wie die unserer Konkurrenten“, sagte er.

Um die Leistungssteigerungen bei den E-Autos zu erzielen, habe man „jede Komponente angepasst“. Bisher basieren die Wagen der Stellantis-Marken auf einer älteren Plattform, die auf Verbrenner und E-Antriebe ausgelegt ist.

Mit der neuen Technologie sollen auch die Kosten deutlich sinken, allerdings liegen sie noch immer deutlich über denen vergleichbarer Verbrenner-Modelle. Tavares wiederholte seine Forderungen nach staatlichen Subventionen und nach Abwehrmaßnahmen gegen chinesische Konkurrenten.

„Die Kosten der Elektrifizierung liegen 40 Prozent über der konventionellen Technologie, die Mittelkasse kann aber nicht 40 Prozent höhere Preise bezahlen“, so der Manager. Man müsse den Widerspruch auflösen zwischen der Erschwinglichkeit von Autos für die Mittelschicht und der Fähigkeit von Unternehmen, die Kostensteigerungen zu verdauen.

Perspektivisch werde man mehr als zwei Millionen Autos pro Jahr auf der Basis von STLA Medium bauen, sagte Tavares. Dank der höheren Preise für E-Autos macht Stellantis in Europa bereits genauso viel Gewinn mit einem E-Auto wie mit einem Verbrenner. Die Margen des Unternehmens sind weit höher als die des Konkurrenten VW.

Auch das sieht Tavares als Wettbewerbsvorteil im Rennen um die Elektrifizierung. Bis zum Jahr 2026 rechnet der Manager mit weiteren deutlichen Kostensenkungen, unter anderem durch Feststoffbatterien, die Stellantis in Zusammenarbeit mit dem US-Start-up Factorial Energy entwickelt.

„Alles auf Aktien“ ist der tägliche Börsen-Shot aus der WELT-Wirtschaftsredaktion. Jeden Morgen ab 7 Uhr mit unseren Finanzjournalisten. Für Börsenkenner und -einsteiger. Abonnieren Sie den Podcast bei Spotify, Apple Podcast, Amazon Music und Deezer. Oder direkt per RSS-Feed.

TOP STORIES

Top List in the World