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Umstieg zum Elektroauto: Die meisten Ladesäulen laden nicht schnell genug

umstieg zum elektroauto: die meisten ladesäulen laden nicht schnell genug

Ein Elektroauto lädt an einer Ladestation. (Symbolbild)

Eine Statistik mit „Schnellladern“, die aber nach heutigem Standard die modernen Elektroautos nur ganz langsam laden können – die bietet derzeit die Bundesnetzagentur mit ihrer Routineveröffentlichung über die „öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur“. Da werden zum jüngsten verfügbaren Datum, dem 1. Oktober 2023, inzwischen 21.111 „Schnellladepunkte“ aufgeführt.

Doch das richtig schnelle Laden der Batterie eines Elektroautos funktioniert nur an etwas mehr als der Hälfte der angegebenen Säulen. Nur 12.985 liefern nach Angaben der Bundesnetzagentur eine Ladeleistung von mehr als 149 Kilowatt. Das scheint nicht gerade viel für einen Fuhrpark von mittlerweile 1,4 Millionen batterieelektrischen Autos in Deutschland.

Abhängig von der Kapazität der Batterie

Die Fahrer von E-Autos sind bei längeren Reisen auf diese besonders schnellen Ladesäulen angewiesen, um unterwegs mit überschaubaren Wartezeiten nachzuladen. Um möglichst kurze Ladezeiten ist längst ein Wettlauf der Hersteller ausgebrochen. Doch nur mit den Schnellladern mit 150 Kilowatt oder 300 Kilowatt Leistung lassen sich die kurzen Ladezeiten erzielen, mit denen derzeit die Ladegeschwindigkeit der verschiedenen Elektroautos verglichen wird.

Dazu wird vor allem nach der Dauer einer Ladung von 10 bis 80 Prozent der Batteriekapazität gefragt. Porsche gibt für sein erstes Elektromodell Taycan 18 Minuten an und gehört damit zu den schnellsten beim Nachladen. Nach dem gleichen Vergleichskriterium wertet auch die Fachzeitschrift „Auto Motor und Sport“. Gemessen wurden in der Disziplin 10 bis 80 Prozent Ladung zum Beispiel 29 Minuten für einen Volkswagen ID.3, dagegen 47 Minuten für den ebenso kompakten chinesischen BYD Dolphin und 34 Minuten für die 5,4 Meter lange Luxuslimousine BMW i7.

Diese Ladezeiten sind abhängig von der Kapazität der Batterie – 102 Kilowattstunden beim BMW i7, 77 beim getesteten Volkswagen ID.3 und 60 kWh beim BYD Dolphin – und der maximalen Leistungsaufnahme. Die erreicht etwa beim BMW i7 fast 200 Kilowatt, beim neuesten Volkswagen ID.3 dagegen 185 Kilowatt, dem BYD nur 88 Kilowatt.

Der Porsche Taycan mit 800-Volt-Technik übertrumpft die meisten Anbieter mit einer Leistungsaufnahme von 270 oder 320 Kilowattstunden. Richtig vergleichbar sind die Ladedaten am Ende allerdings nur, wenn man den Zeitaufwand für das Laden einer bestimmten Kilometerdistanz vergleicht, bei 200 Kilometern etwa 25 Minuten für den BMW i7, 21 Minuten für den Volkswagen ID.3 sowie 54 Minuten für den BYD Dolphin.

Ladesäulen mit Gleichstrom

Sobald sich die Ladezeiten an Werte wie 15 Minuten annähern, werden auch Langstreckenfahrten mit Elektroautos attraktiver, weil dann das Laden – mit Bezahlen per Karte an der Ladesäule – kaum mehr länger dauert als Benzin tanken und an der Tankstellenkasse bezahlen. Porsche zeigt diese Richtung mit der offiziellen Aussage in den technischen Daten, dass bei maximaler Ladeleistung innerhalb von zehn Minuten 315 Kilometer an Reichweite geladen werden könnten. Von den dazu nötigen Schnellladern mit 300 Kilowatt Leistung und mehr gab es nach Angaben der Bundesnetzagentur zum 1. Oktober 2023 genau 5384 in ganz Deutschland.

Die Angaben der Autohersteller deuten in die gleiche Richtung: Für die Zukunft wird mehr Leistung vorausgesetzt. Die alten Kategorien von „Normalladen“ und „Schnellladen“, nach denen die Bundesnetzagentur Daten sammelt und die Politik urteilt, stammen noch aus den Anfangszeiten der Elektromobilität. Da werden unter „Normalladen“ Anschlüsse mit Wechselstrom geführt, die den privaten Ladeanschlüssen mit Wallbox entsprechen und bis höchstens 22 Kilowatt Leistung besitzen. Ihre Leistung ist begrenzt, weil Elektroautos mit Gleichstrom funktionieren und daher der gelieferte Wechselstrom im Auto noch einmal mit einem Bordlader umgewandelt werden muss.

Die Ladesäulen mit Gleichstrom hatten von Anfang an ab 22 Kilowatt Ladeleistung. Inzwischen gibt es aber auch Ladepunkte mit mehr als 300 Kilowatt Leistung. Große Ladenetzbetreiber wie EnBW oder Ionity betonen, dass sie sich beim Ausbau ihrer Ladeinfrastruktur gerade auf diese Art von Schnellladern konzentrieren, das gesamte Angebot an Ladeleistung steigt damit überproportional. Die Branche spricht inzwischen von einer neuen Kategorie, den „Ultraschnellladern“ oder HPC (High Performance Charger). Diese Kategorie beginnt je nach Quelle bei um die 150 Kilowattstunden Leistung, ist aber eigentlich schon wieder der Entwicklung hinterher.

Die Angaben der Autohersteller weisen dabei immer in die gleiche Richtung: Porsche etwa spricht in den offiziellen Daten davon, dass ein Taycan bei nur 150 Kilowatt maximaler Ladeleistung an der Säule schon 33 Minuten – statt 18 – zum Laden von 10 auf 80 Prozent der Batteriekapazität braucht. BMW berichtet, dass Laden mit 22 Kilowatt Leistung viermal so lange dauert wie mit 100 kW, mit 49 kW immer noch eineinhalbmal so lange wie mit 100 kW. Die Ladezeiten sind dabei nicht ganz proportional zum Unterschied der Ladeleistung, weil die Steuerung der Ladung zur Schonung der Batterie ohnehin nicht immer die maximal mögliche Ladegeschwindigkeit zulässt (und aus diesem Grund wird das Laden von 80 auf 100 Prozent der Batteriekapazität noch einmal langsamer).

Kia, zusammen mit Muttergesellschaft Hyundai einer der ersten Massenhersteller, der ebenso wie Porsche für schnelles Laden auf 800 Volt-Technik setzt, liefert eine besonders hohe Diskrepanz bei den Ladezeiten: An einem ultraschnellen Lader kann ein Kia mit bis zu 240 kW in 24 Minuten von 10 auf 80 Prozent der Batteriekapazität laden, eine immer noch als Schnelllader firmierende Säule mit 50 kW Leistung braucht dafür eine Stunde und 23 Minuten. Eine Hauswallbox mit 10,5 kW Wechselstrom benötige bis 100 Prozent Ladung mehr als 9 Stunden.

„Den Kauf eines E-Autos verschiebe ich“

Die Unzulänglichkeit der offiziell erfassten 87.000 Wechselstrom-Normalladesäulen und die Diskrepanzen innerhalb der 21.000 Schnellladesäulen traut sich in der Öffentlichkeit derzeit niemand so richtig anzuprangern. Offenbar gibt es dabei die Befürchtung, man könne damit potentielle Käufer von Elektroautos abschrecken, die dabei die Schlussfolgerung ziehen würden, dass die Ladeinfrastruktur noch nicht so weit sei, um ein E-Auto zu betreiben. „Dabei ist Deutschland mit seiner heutigen Ladeinfrastruktur auch im europäischen Vergleich ein Eldorado für die Fahrer von Elektroautos“, sagt ein Porsche-Sprecher. Lücken gibt es dennoch, etwa durch den wegen juristischer Fehler um Jahre verschobenen Ausbau der Ladein­frastruktur auf Autobahnraststätten.

Ganz zu verachten seien die langsameren Ladeanschlüsse dennoch nicht, sagen die Fachleute und die Sprecher der Autohersteller. Wer nicht auf der Langstrecke unterwegs sei und sich länger an einer Stelle aufhalte, der könne im Einkaufszentrum, neben dem Konferenzort oder am Hotel ja auch langsamer laden. Damit werde zudem auch noch die Batterie geschont.

In der Praxis funktionieren die Ladestrategien dennoch nicht immer wie geplant. Darüber berichtete zum Bespiel gerade die Chefredakteurin der Zeitschrift „Auto Motor und Sport“, Birgit Priemer: Auf dem Weg von Stuttgart nach München sei sie noch voll Optimismus an einer zuverlässigen Ladequelle nahe der Autobahn vorbeigefahren, schreibt sie in einem Newsletter.

Am Münchener Fußballstadion, dem Konferenzort, hieß es jedoch, man könne dort nur am Wochenende oder während der Spiele laden. Im nahe gelegenen Park-and-ride-Parkhaus waren alle Ladesäulen belegt. Weitere Standorte von Ladesäulen gab es im Umfeld, doch die einen waren zugeparkt, die anderen defekt. Neben dem Business Club des Stadions Allianz Arena gibt es ebenfalls Säulen, doch dürften dort nur Fußballspieler oder Vorstände des Klubs Bayern München laden. Reaktion der Reisebegleiter: „Den Kauf eines E-Autos verschiebe ich.“

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