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SUV statt Fiesta – dieses Aus offenbart den Niedergang der Kleinwagen

Der Automobilhersteller Ford beendet in Köln die Produktion des Fiesta. Nachfolger wird ein elektrischer SUV. Das zeigt: Individuelle Mobilität wird teurer – und Kleinwagen geraten zugunsten höherpreisiger Segmente aus der Mode.

suv statt fiesta – dieses aus offenbart den niedergang der kleinwagen

Der Ford Fiesta von 1976 und 2006 pa/obs/Ford-Werke Gmbh

Ford in Köln beendet an diesem Freitag die Produktion des Fiesta. Nach 47 Jahren und mehr als 15 Millionen produzierten Fahrzeugen läuft nun der letzte Kleinwagen mit diesem Namen vom Band.

Das ist nicht nur für den Automobilhersteller aus den USA ein Wendepunkt, sondern zeigt auch, wie sich der Markt in Deutschland und die Mobilität verändert haben.

Als der Fiesta 1976 auf den Markt kam, kostete das Auto 8440 D-Mark. Das war keineswegs wenig. Der durchschnittliche Bruttoverdienst eines Vollzeitbeschäftigten in der Bundesrepublik lag damals bei rund 1930 D-Mark im Monat. Angesichts einer etwas niedrigeren Abgabenquote blieb davon netto etwas mehr als heute übrig, nämlich ungefähr 1200 D-Mark. Damit kostete der Fiesta einen Durchschnittsverdiener in Westdeutschland ziemlich genau sieben Monatsnettolöhne.

Das zuletzt verkaufte Modell mit 75 PS war in der einfachsten Ausstattung für 20.350 Euro zu haben. Inzwischen sind Löhne und Gehälter kräftig gestiegen, allerdings hat das Geld auch nicht mehr die gleiche Kaufkraft wie in den 70er-Jahren.

Außerdem ist die Steuer- und Abgabenlast gewachsen, das führt dazu, dass bei einem Vollzeitbeschäftigten mit einem durchschnittlichen Monatsbrutto von 4240 Euro grundsätzlich etwas mehr als 2600 ankommen. Damit kostet die heutige „Fiesta“-Version ungefähr siebeneinhalb Nettogehälter, also etwas mehr als das erste Modell aus den 70er-Jahren.

Gemessen am verfügbaren Einkommen haben sich Kleinwagen in den vergangenen Jahrzehnten also nicht verbilligt, sondern eher etwas verteuert. Die Listenpreise für Konkurrenzmodelle wie Renault Clio und Fiat 500 liegen gut 2000 Euro unter dem Fiesta, der VW Polo kostet ähnlich viel und der Peugeot 208 rund 3000 Euro mehr.

Die Ansprüche der Fahrer an ihr Auto sind aber offensichtlich auch gestiegen. Kleinwagen werden seit Jahren immer weniger nachgefragt. Stattdessen wünschen sich die Deutschen SUVs, in denen sie höher sitzen und ein größeres Sicherheitsgefühl verspüren. Aktuell liegt der Anteil der kleinen Modelle an den Neuzulassungen bei nur noch 11,4 Prozent, im Jahr 2008 waren es noch 18 Prozent.

Die Voraussetzungen für den Autokauf sind heute andere als in den 70er-Jahren. Zu Beginn der Fiesta-Ära besaß erst rund die Hälfte der deutschen Privathaushalte überhaupt ein Fahrzeug, wie aus einer Auswertung des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Der Kauf eines Kleinwagens bedeutete damals oft den Aufstieg vom Zweirad aufs Auto.

Anfang der 80er-Jahre stieg der Anteil der motorisierten Haushalte in der Bundesrepublik dann steil an, auf zwei Drittel (65 Prozent). Heute beziffern die Statistiker die Quote auf knapp 78 Prozent – ein Wert, der sich in den vergangenen 20 Jahren nicht mehr groß verändert hat.

Vergleicht man die letzte Generation des Fiesta mit dem Ur-Modell von 1976, dann haben die Wagen nicht mehr viel gemein. So wie alle Autos hat auch der kleine Ford binnen vier Jahrzehnten eine enorme technische Entwicklung mitgemacht. Das Produkt ist ein anderes geworden: Heutige Standard-Ausstattungselemente wie Klimaanlage, ABS oder Servolenkung waren damals noch der Oberklasse vorbehalten. Selbst ein Radio war ein teures Extra, während heute Digital-Angebote wie Apples CarPlay selbstverständlich sind.

Elektroauto-Branche steuert gegen den Trend

Ökonomisch betrachtet stellen die Kleinwagen trotzdem die einfachste Ausführung des Autos dar – und für dieses Produkt müssen Beschäftigte in Deutschland heute etwas mehr Arbeitszeit aufwenden, um es sich leisten zu können. Das kontrastiert mit dem Trend zu allgemein billigeren elektrischen Geräten, aber auch Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Produkten.

Nach einer Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) mussten Arbeitnehmer Mitte der 70er-Jahre im Schnitt 65 Stunden und 45 Minuten arbeiten, um sich einen Fernseher kaufen zu können. Mutmaßlich war das immerhin schon ein Farb-Modell, bis vor der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 hatten die meisten Bundesbürger ein Schwarzweißgerät. Um sich einen modernen Fernseher leisten zu können, sind heute nur noch gut 22 Arbeitsstunden vonnöten.

Elektronik ist für Normalverdiener also bezahlbarer geworden. Das Gleiche gilt für Essen: Vor gut vier Jahrzehnten kostete ein Brathähnchen ungerechnet 2,39 Euro – ungefähr ein halber Stundenlohn. Heute müssen Arbeitnehmer gerade einmal eine Viertelstunde arbeiten, um sich den „Broiler“ leisten zu können.

Im Gegensatz zum Fiesta haben sich diese Produkte gemessen in Arbeitszeit also verbilligt. Für Benzin gilt dagegen Ähnliches wie für das Fahrzeug: Gemessen an der Kaufkraft der Arbeitnehmer ist Treibstoff genauso teuer wie damals. Und Strom hat sich sogar verteuert. Nach Angaben des IW mussten Beschäftigte im Jahr 1974 drei Stunden und 51 Minuten arbeiten, um 200 Kilowattstunden (kWh) zu bezahlen. Im Jahr 2022 waren dafür mehr als vier Stunden Arbeit erforderlich. Da immer mehr Bundesbürger auf Elektroautos umsteigen, ist der Strompreis eine relevante Größe.

Dass auf die Produktion des Fiesta in Köln ein elektrischer SUV folgt, passt zum Trend der Zeit. Anders als in den 70er-Jahren, als unter dem Eindruck der Ölkrise sparsame Wagen in Mode kamen, gelten heute Elektroautos und SUV aus Sicht der Hersteller als lukratives Marktsegment. Der neue Ford Explorer, ein Wagen in der Größe des ID.4 von Volkswagen, soll etwa 45.000 Euro kosten. Er wird ab der zweiten Jahreshälfte in Köln gebaut, auf Grundlage von VW-Technologie.

Ein neuer günstiger, kleiner Elektro-Ford ist vorerst nicht zu erwarten. Konzernchef Jim Farley hat kürzlich angekündigt, dass sein Unternehmen nicht mehr alle Marktsegmente bedienen wird. Man beschränke sich auf diejenigen Baureihen, mit denen am meisten Geld zu verdienen ist, beispielsweise Pick-ups in den USA.

In Europa gibt es derweil eine Debatte um die Erschwinglichkeit von Mobilität im Elektro-Zeitalter. Der Chef des Stellantis-Konzerns, Carlos Tavares, betont immer wieder, dass mit Autos eine soziale Frage verknüpft sei. Umgekehrt wehrt er sich gegen die Forderung des französischen Wirtschaftsministers Bruno le Maire, in Frankreich weiterhin elektrische Kleinwagen der Marken Peugeot und Citroën zu bauen. Deren Produktion verlagert Stellantis an günstigere Standorte in Süd- und Osteuropa und Nordafrika.

Auch Volkswagen wird die vier ab 2025 geplanten elektrischen Kleinwagen-Modelle von VW, Skoda und Cupra in Spanien bauen. Zielmarke sind Preise unter 25.000 Euro. Günstigere Wagen werden wohl erst gegen Ende des Jahrzehnts möglich sein, wenn die Batterien billiger werden.

Der billigste elektrische Kleinwagen ist in Europa einstweilen der Dacia Spring aus dem Renault-Konzern, zu Listenpreisen ab 23.000 Euro. Wie dieser Preis zustande kommt, ist kein Geheimnis: Das Auto wird in China hergestellt.

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