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Supercharger: Tesla macht sich zum Standard fürs Aufladen

supercharger: tesla macht sich zum standard fürs aufladen

Unter Strom: Tesla-Fahrzeuge an einer Ladestation in Miami

Jim Farleys Aha-Moment kam auf dem Rückweg von einem Urlaub am Lake Tahoe im vergangenen Jahr. Der Vorstandschef des Autoherstellers Ford fuhr auf den kalifornischen Straßen mehrmals an Ladestationen seines Wettbewerbers Tesla vorbei. Seine Kinder auf dem Rücksitz fragten ihn aufgeregt, ob er nicht dort anhalten könnte, um das Auto aufzuladen. Er musste ihnen jedes Mal sagen, dass das nicht geht.

Diese Episode erzählte Farley, als er im Mai mit Tesla-Vorstandschef Elon Musk eine bemerkenswerte Kooperation ankündigte. Elektroautos von Ford können demnach in Amerika bald an den sogenannten Supercharger-Stationen von Tesla aufgeladen werden. Das sei eine „wirklich, wirklich große Sache für unsere Kunden“ und ein „riesiger Schritt“ für die ganze Industrie, sagte Farley. Bald sollte sich herausstellen, dass die Ankündigung von Ford nur die erste von vielen sein würde.

Wenige Wochen später teilte auch der amerikanische Wettbewerber General Motors mit, seine Autos könnten künftig Teslas Ladesäulen nutzen, seither folgten noch einige andere Autohersteller, darunter auch Mercedes-Benz. Die plötzliche Serie von Kooperationen bringt Tesla auf den Weg, seine Ladestationen als Standard in Amerika zu etablieren. Sam Abuelsamid von der Analysegruppe Guidehouse Insights rechnet damit, dass bis Ende dieses Jahres so gut wie alle Autohersteller einen Zugang zu Teslas Ladenetz in Amerika aushandeln werden. Das würde also womöglich auch weitere deutsche Anbieter wie Volkswagen einschließen.

Für Elon Musk ist das ein Triumph. Er bekommt weitgehende Kontrolle über einen der wichtigsten Bausteine in der Infrastruktur für Elektroautos. Er verschafft seinem Unternehmen zusätzliche Umsatzquellen und kann überdies darauf hoffen, in den Genuss weiterer staatlicher Subventionen zu kommen. All die Allianzen mit Konkurrenten dürften ihm auch insofern Genugtuung verschaffen, weil sie Teslas Überlegenheit unterstreichen, wenn es um das Aufladen von Elektroautos geht. Das Unternehmen hat in Nordamerika nicht nur das größte Ladenetz, es umfasst mehr als 20.000 Ladestationen an gut 2000 Standorten.

Teslas Säulen gelten auch als besonders schnell und zuverlässig. Dagegen stehen die Ladestationen anderer Anbieter im Ruf, langsamer zu sein und oft gar nicht zu funktionieren, was aus Kundensicht fatal ist. „Das sorgt für fast so etwas wie Panik“, sagt Mike Ramsey von der Marktforschungsgesellschaft Gartner. Ford habe realisiert, dass dies eine „riesige Barriere“ für den Kauf von Elektroautos sei, und nachdem der Hersteller das Bündnis mit Tesla geschlossen habe, hätten sich Wettbewerber gezwungen gesehen, dem Beispiel zu folgen. Ramsey vergleicht das mit umfallenden Dominosteinen.

Wichtige Hürde für Kauf eines E-Autos

Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie der Beratungsgesellschaft J.D. Power bleibt die Sorge, keinen Zugang zu Ladestationen zu haben, der wichtigste Grund für Amerikaner, kein Elektroauto kaufen zu wollen. Zwar wachse die Zahl von Ladestationen in den USA, aber die Infrastruktur könne nicht Schritt halten mit dem rasant zunehmenden Angebot an Elektroautos. Auch US-Präsident Joe Biden hat das Problem erkannt. Im Februar gab das Weiße Haus das Ziel aus, die Zahl der Ladestationen in den USA bis 2030 von 130.000 auf 500.000 zu erhöhen. Bis dahin sollen nach Bidens Vorstellungen 50 Prozent aller verkauften Neuwagen in den USA Elektroautos sein. Ein 2021 beschlossenes Infrastrukturpaket sieht staatliche Mittel von 7,5 Milliarden Dollar für den Ausbau der Ladenetze vor. Tesla hat schon im Februar versprochen, die bisherige Exklusivität seiner Ladestationen für die eigenen Autos aufzugeben, was eine Voraussetzung für einen Teil der staatlichen Fördermittel ist. In Europa begann das Unternehmen schon 2021, sein Ladenetz für die Konkurrenz freizugeben. Der ADAC schätzt, in Deutschland sei mittlerweile fast jede zweite Supercharger-Station für andere Marken nutzbar.

Mit all den neuen Kooperationen könnte das Ladenetz zu einem substanziellen Geschäft für Tesla werden. Gartner-Analyst Ramsey sagt, bislang seien die Supercharger für Tesla kein großer Geldbringer, zumal sie mit hohen Investitionen verbunden seien. Sie dienten vor allem dazu, mehr Autos zu verkaufen. Gerade außerhalb von Hochburgen für Elektroautos wie Kalifornien seien die Stationen auch oft nicht ausgelastet. Das könnte sich aber ändern, je mehr Modelle Zugang haben, und damit könnte das Ladenetz viel rentabler werden. Guidehouse-Analyst Abuelsamid meint, bis 2030 könnte das Geschäft mit dem Aufladen von Elektroautos in den USA ein jährliches Umsatzvolumen von 20 Milliarden Dollar erreichen. Die Allianzen bringen Tesla in eine gute Ausgangsposition, einen großen Teil davon für sich zu reklamieren.

Exklusiv oder offen für Externe?

Teslas Wettbewerber nutzen derzeit in Amerika den auch in Europa eingesetzten Ladestandard CCS (Combined Charging System), Tesla hat seiner Techno­logie den Namen North American Charging Standard (NACS) gegeben. Die nun geschlossenen Allianzen sehen vor, dass Ford, GM oder auch Mercedes-Benz im kommenden Jahr zunächst einen Adapter anbieten, um ihre CCS-Elektroautos kompatibel mit NCAS-Superchargern zu machen. Von 2025 an wollen sie ihre Autos auf NCAS umrüsten. Abuelsamid rechnet damit, dass spätestens 2027 kein Hersteller mehr Neuwagen mit CCS-Standard in Amerika verkauft.

Die Verlierer dieser Entwicklung sind Betreiber anderer Ladenetze wie EVGo oder die von Volkswagen als Teil der Wiedergutmachung nach dem Dieselskandal ins Leben gerufene Gesellschaft Electrify America. Freilich bringt die Öffnung seines Ladenetzes auch für Tesla einige Risiken mit sich. Analyst Ramsey sagt, vielen Tesla-Kunden missfalle die Aussicht, die Supercharger mit anderen Marken teilen zu müssen. Und ausgerechnet in einer Zeit, in der die Konkurrenz immer mehr Elektroautos auf den Markt bringe, nehme sich Tesla selbst einen seiner größten gegenwärtigen Wettbewerbsvorteile – eine exklusive und überlegene Ladeinfrastruktur.

Die Allianzen rund um die Ladestationen werden womöglich zur Sprache kommen, wenn Tesla in wenigen Tagen seine Quartalszahlen vorlegt. Das Unternehmen hat kürzlich schon gemeldet, es habe die Zahl der ausgelieferten Fahrzeuge in den vergangenen drei Monaten im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 80 Prozent auf 466.000 gesteigert. Dabei dürfte eine Rolle gespielt haben, dass es seine Preise in jüngster Zeit zum Teil drastisch reduziert hat.

Käufer vieler Tesla-Modelle kommen derzeit außerdem in den Genuss umfangreicher Steuergutschriften, die im Rahmen des Gesetzespakets Inflation Reduction Act (IRA) vergeben werden. Elon Musk hat im Frühjahr erklärt, er sei zu Preiskämpfen bereit, Verkaufszahlen seien ihm derzeit wichtiger als Gewinnmargen.

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