Auto

Ora 07: Die „Blitzkatze“ fährt die Krallen aus

Erste Begegnung mit der Elektro-Limousine von Great Wall Motors, die im Herbst zu uns kommt. Zu Preisen ab etwa 43.000 Euro.

Katzen gehen immer. Auf Instagram, Facebook und TikTok sammeln sie jede Menge Likes, bei Haustier-Liebhabern sowieso. Weil Katzen verspielt sind, Charakter haben, auch nicht viel Pflege benötigen. All das mag eine Rolle gespielt haben, als Wei Jianjun, der Gründer des chinesischen Autoherstellers Great Wall Motor (GWM), vor sechs Jahren die auf Elektroautos spezialisierte Marke Ora aus der Taufe hob und seinen Ingenieuren und Designern die Aufgabe erteilte, eine ganze Modellfamilie von Stromern zu entwickeln.

ora 07: die „blitzkatze“ fährt die krallen aus

Runde Sache Beim Ora 07 ist die Verwandtschaft mit dem Ora 03 durch die Frontgestaltung offensichtlich. Fahrkomfort und Platzangebot sind jedoch wesentlich größer. In China ist er bereits seit zwei Jahren zu haben – im Herbst kommt er nun zu uns.

Das erste Produkt war ein putziger Kleinwagen von nicht einmal 3,50 Metern Länge, aber immerhin schon mit einer Reichweite von 400 Kilometern. Entwickelt wurde die Zwergkatze unter der Projektbezeichnung „Black Cat“, 2019 kam sie als R1 auf den Markt. Ein Jahr später folgte die „White Cat“, ein schon etwas größerer Stubenkater mit gleichem Herzen und gleicher Ausdauer. Beide blieben dem chinesischen Markt vorbehalten und verkauften sich dort, wie man hört, ganz ordentlich. Wohl auch und vor allem wegen ihrer günstigen Preise: Das schwarze Schmusekätzchen gab es schon für umgerechnet 8.500 Euro, den weißen Kater ab etwa 9.000 Euro.

300 kW starker Allradantrieb

Noch besser lief es mit Nummer drei, der „guten Katze“ aus der Ora-Zucht. Der elektrische Kompaktwagen fand ordentlich Abnehmer, in China, aber auch in Thailand und Malaysia. Und seit vergangenem Jahr auch in Deutschland. Erst als „Funky Cat“, als etwas exzentrische Katze, inzwischen unter der eher profanen Modellbezeichnung 03, sorgt der knuffige Stromer aus China für ganz zufriedene Gesichter nicht nur in der Firmenzentrale von GWM in Baoding, sondern auch beim Importeur, der Emil-Frey-Gruppe. Gleich im ersten Jahr konnte die O! Automobile GmH, die 2021 für den Vertrieb von GWM-Autos in Deutschland gegründet worden war, 4.579 Exemplare des Ora 03 an den Mann, wahrscheinlich aber noch mehr an die Frau bringen – so ganz genau kann es Geschäftsführer Johannes Brandenburger auch nicht sagen.

ora 07: die „blitzkatze“ fährt die krallen aus

Auf dem Sprung Der Ora 07 ist mit einer Länge von 4,87 ein ausgewachsenes Mittelklasse-Fahrzeug. Die Größe sieht man ihm nicht unbedingt an. Die roten Bremssättel von Brembo hingegen schon – sie künden auch von der Potenz des Elektromobils.

Und das ist erst der Anfang. Mit der sogenannten „Blitzkatze“ („Lightning Cat“) – offizielle Modellbezeichnung: Ora 07 – kommt im Herbst nun die neueste Züchtung aus Baoding zu uns. Ein ausgewachsenes, fast schon luxuriöses Mittelklassemodell von 4,87 Metern Länge und einem Radstand von 2,87 Metern, bis zu 300 kW oder 408 PS stark, ausgestattet mit einer 64 kWh großen LFP- oder einer 83 kWh großen NMC-Batterie von CATL für elektrische Reichweiten von 440 bzw. 520 Kilometer Reichweite. Als Kätzchen geht so etwas nicht mehr durch – eher schon als Raubkatze. Und als Tesla-Fighter – das Model 3 haben die Strategen als direkten Wettbewerber ausgemacht.

Gran Turismo für entspannte Fahrten

Das zeigt sich auch bei der ersten Begegnung mit dem „Super Streamlined Pure Electric Coupé“ (Ora-Werbung) auf dem Testgelände von GWM in Xushui, einem Bezirk der Zehn-Millionen-Stadt Baoding. Bei dem schneeweißen Fahrzeug in der allradgetriebenen GT-Ausführung, das uns dort zur Verfügung gestellt wird, handelt es sich angeblich noch um einen Prototypen, der noch nicht für Europa homologiert ist. Doch bei der Probefahrt auf dem Rundkurs zeigt das Modell schon einen hohen Reifegrad, sowohl antriebs- wie fahrwerkstechnisch. Tempo 100 war in nicht einmal fünf Sekunden erreicht – danach mussten wir uns ein wenig zügeln. Auch um den Fahrer des getarnten Mini Aceman (das Auto wurde bei GMC entwickelt und wird dort nun auch gebaut) auf der Piste nebenan nicht allzu sehr zu irritieren. Dabei bleibt unser Stromer brav in der Spur, ohne dass die zahlreichen Assistenzsysteme einzugreifen bräuchten.

ora 07: die „blitzkatze“ fährt die krallen aus

Ein wenig Panamera Ein ehemaliger Porsche-Design hat den Ora 07 gestaltet. Ein wenig muss er dabei an zurückliegende Zeiten gedacht haben.

Ohnehin sei der Ora 07 trotz der durchaus dynamischen Anmutung (cw-Wert 0,27) nicht unbedingt für eine sportliche Fortbewegung konzipiert, belehrt uns Rolf Albrecht. Der deutsche Ingenieur ist bei GWM für die Elektroantriebe verantwortlich und kennt sich mit dem technischen Unterbau bestens aus – jener L.E.M.O.N-Plattform, auf der auch der Ora 03 basiert. Wie er erklärt, sei die „Blitzkatze“ eher ein Gran Turismo, ausgelegt für lange Touren mit hohem Fahrkomfort. Dafür reiche denn auch die Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h völlig aus. Damit kann man sich arrangieren.

Magere Ladeleistung von maximal 95 kW

Wünschen würde man sich eher eine höhere Ladegeschwindigkeit: Die maximale Ladeleistung beträgt lediglich 95 kW. Für China mag das ein guter Wert sein – für europäische Verhältnisse ist er es eher nicht. Exakt 43 Minuten dauert es nämlich, den Ladestand des 84 kWh großen Akkus von 10 auf 80 Prozent anzuheben. „Für den Augenblick reicht das“ , findet Albrecht. Wichtiger als ein hoher Spitzenwert, behauptet er, sei ohnehin die Gesamtdauer des Ladevorgangs. Seine Entwickler hätten sich da eher an den stabilen Ladekurven eines Audi e-tron als der eines Tesla Model 3 oder eines Ford Mustang Mach E orientiert, die zwar steil ansteigen, aber auch schnell wieder abfallen. Die durchschnittliche Ladepower soll bei der Blitzkatze immerhin 75 kW betragen.

Was nicht heiße, dass es beim Ora 07 – der ursprünglich nicht für den Export nach Europa vorgesehen war – nicht noch Luft für Verbesserungen gebe. Ganz nach dem Wahlspruch von GWM: „Jeden Tag ein Stückchen besser werden.“ Darin sei das Unternehmen groß. Stimmt: Als sich beim Ora 03 herausstellte, dass sich das Ladekabel während des Ladevorgangs unter Funkenflug lösen ließ, schrieben die Software-Ingenieure in wenigen Woche ein Software-Update, das diese Sicherheitslücke schloss. Gut möglich also, dass auch bei der Ladeleistung zu einem späteren Zeitpunkt noch nachgessert wird.

ora 07: die „blitzkatze“ fährt die krallen aus

Glanz und Gloria Der Innenraum des Ora 07 bietet nicht nur ordentlich Platz, sondern auch viel fürs Auge. Die Ergonomie ist ausgezeichnet: Nicht alles wird erfreulicherweise über den großen Touchscreen über der Mittelkonsole gesteuert. Fotos: GWM

Dafür sind die Ora-Entwickler der Konkurrenz an anderer Stelle voraus: Der Ora 07 kann bidirektional laden, also den im Akku gespeicherten Strom auch wieder ausspeisen. Und das nicht nur, um beispielsweise einen Heimspeicher zu füttern und das Stromnetz zu stabilisieren, sondern auch um mit leerem Akku liegenbebliebenen Elektroautos wieder Kraft für die Fahrt zur nächsten Ladesäule zu spenden. Kleiner Wehrmutstropfen: Dieses Feature ist vorerst nur in China verfügbar. Wegen der komplizierten Regularien, aber auch unterdimensionierten Leitungen und Steckern müssen Kunden in Europa darauf noch verzichten. Schade, das wäre ein netter USP – ein echtes Alleinstellungs-Merkmal.

Feines Ambiente im Innenraum

Ansonsten wird es aber bei der Ausstattung der Export-Version an so gut wie nichts fehlen. Serienmäßig sind unter anderem ein Abstandshalte- und Spurhaltesystem sowie ein Highway-Assist für das teilautonome Fahren auf Level 2+. Es gibt elektrisch verstellbare Sportsitze vorne sowie ein beheizbares Lenkrad, ein riesiges Panoramadach und eine Wärmepumpe, dazu eine Ambientebeleuchtung für allerlei Farbspiele in der Nacht sowie ein automatisches Einparksystem. Da haben sie bei Ora wahrlich nicht gespart.

ora 07: die „blitzkatze“ fährt die krallen aus

Ferrari-Style Über drei feingeriffelten Silberknöpfe regelt der Fahrer die Klimaanlage und die Antriebscharakteristik – komfortabel, sportlich oder ganz sportlich. Am Lenkrad gibt es – ähnlich wie bei Cupra oder Porsche – einen extra Boost-Knopf.

Das gilt auch für den Innenraum. Platzmangel herrscht weder vorne noch hinten, auch das Kofferraumvolumen ist ordentlich. Einziges Manko: Statt einer großen, in die Heckscheibe reichenden Hecktür wie im Polestar 2 gibt es wie nur eine kleine Heckklappe wie bei Teslas Model 3. Die relativ kleine Öffnung erschwert die Beladung des Gepäckabteils.

Ansonsten verwandten die Designer viel Mühe darauf, den Passagierraum ansprechend wie hochwertig erscheinen zu lassen. Mit „veganen“ Lederbezügen sowie silberfarbenen Inlays und drei fetten Drehschaltern auf der ansteigenden Mittelkonsole – da ließen sich die Designer offenbar von Ferrari (812 Superfast), vielleicht auch von Bugatti (Chiron) inspirieren, die ähnliche Konzepte anbieten.

Preise ab 43.000 Euro in Deutschland

Mit Emanuel Derta war ein ehemaliger Gestalter von Porsche für das Design des Ora 07 verantwortlich. Das sieht man vor allem dem Hinterteil der Katze deutlich an: Gewisse Ähnlichkeiten mit der Heckpartie eines Porsche Panamera der ersten Generation sind unübersehbar. Aber wen stört’s? Es gibt schlechtere Vorbilder. Und Dertas Nachfolger, der ehemalige Opel- und VW-Gestalter Andrew Dyson, verspricht für die Zukunft ein mutigeres Design: Da wächst etwas Großes heran.

Das gilt – leider – auch für den Verkaufspreis. In China wird die Blitzkatze in der Basisausführung für umgerechnet 25.000 Euro angeboten, unser Testwagen in GT-Ausführung wäre für umgerechnet knapp 36.000 Euro zu haben. Was in Deutschland für den Fastback aufgerufen wird, steht angeblich noch nicht exakt fest. Die Rede ist aber von Preisen ab etwa 43.000 Euro aufwärts. Dafür werden günstige Leasingkonditionen in Aussicht gestellt – die hatten schon den Absatz der „guten Katze“ beflügelt. Rund 400 Exemplare will Deutschland-Manager Brandenburg noch in diesem Jahr absetzen. Das sollte zu schaffen sein.

TOP STORIES

Top List in the World