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Mit Ryd wird das Auto zur Kreditkarte

mit ryd wird das auto zur kreditkarte

Mehr Tempo beim Tanken: Wenn das Auto bezahlt, könnten die Schlangen kürzer sein.

Ein Auto, das mitdenkt, gab es früher nur in Hollywood. KITT zum Beispiel, das gepanzerte Hightech-Vehikel, das für David Hasselhoff in der Fernsehserie „Knight Rider“ per Armbanduhr jederzeit ansprechbar war, ist unvergessen. Vier Jahrzehnte später übernimmt das Auto im Alltag immer mehr Tätigkeiten. Mit der Software von Ryd bezahlt es selbständig die Tankrechnung. „Ryd baut die Bezahlplattform für die Autohersteller“, sagt Unternehmensgründer Oliver Götz im Ge­spräch mit der F.A.Z.

Für die Zahlungen direkt aus dem Auto muss Ryd Autohersteller, Mineralölkonzerne und Kreditkartenanbieter zusammenbringen, und das ist dem 2014 gegründeten Unternehmen laut Götz nun in großem Stil gelungen. Schon heute sei Ryd das „größte europäische B2C-Netzwerk für Digital Fueling“, sagt Götz. Zu den strategischen Finanzpartnern gehören BP, Mastercard, Mercedes und Axa.

Offene Plattform

Und weil Ryd als offene Plattform agiert, können immer mehr hinzukommen. Gerade erst wurden Verträge mit Esso und OMV geschlossen. Und auch BMW folgt dem Konkurrenten Mercedes auf die Ryd-Plattform.

Der Entrepreneur Götz hat schon mit 19 Jahren als Informatikstudent sein erstes Unternehmen gegründet, mit Ende fünfzig soll Ryd nun ein großer Wurf werden. Mit an Bord ist auch Klaus Esser, der frühere Mannesmann-Chef und lang­jährige Investor von General Atlantic. „Wenn Apple ein Auto bauen würde, dann würde das Auto aus dem Dashboard bezahlen“, wählt Esser einen nicht allzu fernliegenden Vergleich.

Damit Mercedes-Fahrer aus ihrem In­fotainmentsystem mit der Ryd-Software an der Tankstelle bezahlen können, müssen sie nur eine Bankverbindung hinterlegen. „In-Car-Payment“, nennt sich diese Technik. Der Bezahlvorgang selbst läuft digital: Die Kunden wählen die Zapfsäule aus, tanken und erhalten später ihre Rechnung über Ryd Pay. Die komplizierte Authentifizierung mit Codes und Passwörtern ist überflüssig.

Funktioniert an fast jeder zweiten Tankstelle

„Das funktioniert in Deutschland an fast jeder zweiten Tankstelle, sobald wir in den nächsten drei Monaten das Esso- und OMV-Netz angeschlossen haben“, sagt Götz. In Europa ist Ryd in mittlerweile elf Ländern vertreten. Wie Götz erzählt, dringen die Autohersteller darauf, auch Amerika und China zu erschließen.

Ryd Pay verbindet das Auto mit dem Tankstellen-Kassensystem, die Installation ist für die Pächter kostenlos. Die kleinteilige Ausweitung des Netzes habe viel Zeit beansprucht, gibt Götz zu und spricht angesichts von 200 unterschiedlichen Kassensystemen und 150 Tankstellenmarken in Europa von einem „Häuserkampf.“

Die Vorbehalte aufseiten der Tankstellenbetreiber sind gleichwohl groß. Früh warnte der Tankstellen-Interessenverband (TIV) davor, dass die Ryd-App den eigenen Shop-Markt ruiniere und so Tausende von Arbeitsplätzen in den 14.500 Tankstellen in Deutschland gefährde.

Tankstellen bangen um Shop-Geschäft

Tatsächlich basiert das Geschäftsmodell einer Tankstelle darauf, dass Kunden den Shop betreten und etwas kaufen. Darauf entfallen 60 Prozent des Umsatzes, während der Spritverkauf nur 20 Prozent ausmacht – schließlich bekommt der Pächter nur einen Cent Provision je verkauftem Liter.

Götz glaubt nicht, dass die Tankstellengeschäfte unter In-Car-Payment leiden. Er verweist auf Studien seiner Tankstellenpartner, wonach 40 Prozent der Kunden nur rasch tanken und weitere 40 Prozent nur im Laden einkaufen wollten. Autofahrer wie Tankstellenbetreiber hätten den Vorteil, dass sich vor den Zapfsäulen keine Schlangen mehr bildeten.

Außerdem könne Ryd nicht nur das Tanken oder Laden bezahlen, sondern auch weitere Angebote wie das Waschen des Fahrzeugs und den Morgenkaffee. „Wir gehen noch weiter: So könnte zum Beispiel der Versicherer seinen Kunden nach langer Autofahrt beim Tanken auf einen Espresso oder Red Bull einladen. Das verringert die Unfallgefahr und erhöht die Kundenzufriedenheit“, sagt Götz.

Prominenter Investor

Solche smarten Ideen begeistern auch den heute 76 Jahre alten Investor Esser, der in seiner Zeit bei General Atlantic in gut einem halben Dutzend Start-ups aktiv im Management war. „Ryd ist nicht nur eine Softwarelösung, sondern ein Ökosystem“, sagt Esser, der mit 10 Prozent beteiligt ist. Die Ryd-Mehrheit hält Gründer Götz. Das junge Unternehmen mit seinen 84 Mitarbeitern macht derzeit noch Verluste und „verbrennt Cash“, wie Esser zugibt.

Bis im Jahr 2025 die Gewinnschwelle erreicht werden soll, sei im kommenden Jahr noch eine Finanzierungsrunde über rund 20 Millionen Euro nötig. Esser und Götz sind davon überzeugt, dass das Auto binnen fünf Jahren für die Hälfte des jährlichen Tankum­satzes in Europa steht. Nach Einschätzung der Analysten der Ptolemus Group in Belgien wird über In-Car-Payment bis zum Jahr 2030 in 600 Millionen Fahrzeugen ein Umsatz von 537 Milliarden Euro erreicht werden.

Ryd strebt vom Transaktionsvolumen der Tankstellenkunden eine Marge von 4 Prozent an. Damit sei man profitabel. Dass in das „Ökosystem Mensch, Auto, Tankstelle“ schon bald ein Technologie­riese wie Amazon, Google oder Apple eindringen werde, glauben Götz und Esser nicht. „Die Gefahr war vor drei Jahren größer“, sagt Esser. Offenbar haben die Amerikaner den „Häuserkampf“ gescheut.

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