Auto-News

Autos

Autos-Top Stories

Mein erstes Mal Elektrocamping - Testfahrt: Urlaub im Pössl eVanster

Ich hatte Angst, dann keine mehr. Ich hatte Vorurteile, dann keine mehr. Selber ausprobieren ist besser, als Stammtischgelaber zu glauben. Mein erstes Mal Elektrocamping: Über 2.000 Kilometer vollelektrisch reisen und campen. Ein Trip durch die Zeit, durch Missverständnisse und große Bedenken.

mein erstes mal elektrocamping - testfahrt: urlaub im pössl evanster

Erste Reise im Elektro-Campeervan für promobil-Redakteur Timo Großhans: “Nach 48 Stunden hat man sich umgestellt. Sicher gibt es Situationen, in denen ein 90-Liter-Dieseltank glücklicher macht.”

Ich habe Schiss. Respekt. Ich habe keine Ahnung, als ich mit dem eVanster das erste Mal losfahre. Ist von Pössl mit einem Schlafdach und einem Elektrokocher versehen und stammt sonst von Citroën. Reichweite (das Erste, nach dem alle fragen): ungefähr 360 km. Ein Wert, der viel weniger Relevanz hat, als viele denken; auch als ich dachte, weil sich E-Fahren mit Benziner oder Diesel Fahren dann doch nicht vergleichen lässt.

E-Trip mit dem eVanster

Ich bin also einfach mal los, mit dem Ziel, viele Kilometer zu machen, eine Reise zu machen, wie man sie als Tourist mit einem Campingbus so unternimmt. Ziel ist der Norden Deutschlands. Start ist Stuttgart. Zwischenziel ist Luxemburg. Die Stadt Clervaux und die Fotoausstellung Family of Man. Weltkulturerbe. Die wollte ich schon immer mal sehen, die ist weltberühmt, war ursprünglich im Moma in New York.

Ich möchte hier erzählen, wie es ist und ob es geht, mit einem E-Camper zu reisen. Warum es notwendig ist, hat mit den Menschen zu tun und wie das Reisen der Zukunft elektrisch funktioniert, worauf sich die Menschen einstellen müssen.

All die Fragen, ob das sinnvoll ist oder nicht, notwendig oder nicht, all die Fragen, die meist Nicht-Fachleute an Stammtischen derzeit über Batterien und Ladetechniken stellen, mag ich hier nicht diskutieren. Ich mag hier nur erzählen, wie es ist, mit einem Elektrocamper unterwegs zu sein.

Aha-Momente mit dem E-Campervan

Es ist Nacht und ich will laden. Ich habe keine Ahnung, wie das geht und wie bezahlt wird. Ich brauche eine App. Oder eine Ladekarte von der EnBW, dem Energieversorger. Aber die krieg ich heute nicht mehr, also lade ich die App runter. Konto hinterlegt und los. Ging recht einfach. Aha. Wie geht der “Tankdeckel” auf? Lustig: Ich versuche immer den hinten links aufzumachen, aber das ist der für das Benzin, der halt reingeschnitten ist in das Blech, für die Benzinvariante. Der Stromstecker ist vorn links.

Dann ist ein Kabel dabei. Aha. Ist schwer, sehr schwer. Ich lerne. Manche Säulen haben ein eigenes Kabel, so wie der Zapfschlauch an der Zapfsäule, andere nicht. Da braucht’s das eigene Kabel. Was sicher keine Lösung für die Zukunft ist. Aha, aha, aha. Ich lerne.

Hier lädt man fünf Stunden und da 40 Minuten für die gleiche Menge Strom. Und was steht da in der App? Man lernt neue Begriffe. CCS und CHAdeMO … ich lerne, dass in der mobility+ App ganz viel drin steht.

Wo die Säule ist, von welchem Anbieter und dass ich auch bei den meisten Fremdanbietern mit der App bezahlen kann. Ich lerne, was das alles so kostet, und dass man die Ladesäulen reservieren kann, schon bevor man da ist. Und, noch besser, dass meist Echtzeitdaten vorliegen und man sieht, wie viele Säulen es an dem Ladepunkt gibt, wie viele frei und belegt sind. Und was die jeweils raushauen.

Das Camping-Setup im eVanster

Weil der eVanster in Sachen Camping nicht alles hat, muss vor der Reise noch alles rein, was fehlt. Aber davor schmeiße ich eine Sitzreihe raus und einen Einzelsitz. Es bleibt eine Zweiersitzbank hinten. Schlafen werde ich oben im Aufstelldach.

Und das kommt noch rein: ein Porta Potti. Ein Wasserkanister und eine faltbare Spülschüssel für die Wäsche. Und ein Waschlappen, für den Komfort bei der Wäsche. Eine Kühlbox habe ich nicht dabei, aber eine Box aus so einer Art Styropor, die ein bisschen Zeug kühl hält. Und ein Hängeregal aus dem Campingzubehör, dass die Klamotten schön aufgeräumt sind. So ungefähr sieht das Setting aus.

Das Laden daheim ist eher geht so, weil die Säulen um meinen Wohnort herum rar gesät sind. Weil ich aus Versehen in einer eher wohlhabenden Ecke Stuttgarts wohne, haben alle, die E-Autos haben, ihre privaten Wallboxen. Bei meinem Nachbarn schaut das aus wie ein Gartenschlauch, aufgewickelt an der Hauswand. Öffentliche Säulen gibt es nur wenige.

Wie geht’s nach Luxemburg?

Zieleingabe am Navi: Luxemburg Stadt. Auch weil das Ausland ist und Ausland ist ja anders als Inland, aber da reist man ja oft durch im Urlaub. Wie geht das da mit dem Laden? Infrastruktur? App? Bezahlen? Schnellladen? Auf dem Navi von Citroën poppen Punkte auf. Kleine Ladesäulen. Beim Reinzoomen trennen sich die Punkte in weitere Punkte, es sieht so aus, als gäbe es ganz viele Säulen.

Ich habe jetzt nicht mehr so viel Angst. Restreichweite irgendwie so 350 km steht dran. Vertrauen du musst. Aber Vertrauen muss man sich verdienen. Ich surre leise vom Hof. Die Kinder von den Nachbarn schauen, und weil sie nichts hören, ist das komisch für sie. Wie wird wohl für deren Kinder ein Motor wie der 2,5-Liter-Fünfzylinder-Diesel in dem T4, der hier auch rumsteht, wirken in 20 Jahren? Heute ist’s das Ohr, das den Unterschied wahrnimmt, es könnte die Nase sein, die in Zukunft feiner wahrnimmt, was wir heute nicht wahrnehmen.

E-Auto fahren ist schön

Ich glaube, die wenigsten haben Probleme damit, dass es leiser ist, ruhiger. Eine der seltsamen Fehlannahmen von Greta-Hassern ist ja, dass man nur beim E-Auto durch das Langsamfahren Reichweite gewinnt. Und von denen wäre auch niemand “so dumm”, hinter einem Lkw herzufahren, um die aerodynamischen Vorteile auszunutzen. Mir ist die Geschwindigkeit im Moment egal, ich habe keinen Zeitdruck, und die Ruhe des Fahrzeugs koppelt sich schnell an mein Gemüt. Und die Fahrt an Landau, Pirmasens und Zweibrücken vorbei animiert zum Schauen, nicht zum Schnellfahren.

Ich suche mal eine Ladesäule und fahre ab von der Autobahn, weil das Navi mir eine anzeigt, von der ich das Gefühl habe, die wäre es nun, die ich brauche. Der erste Schritt für einen Erfahrungsprozess, in dem es darum geht, ein Gefühl fürs E-Tanken zu entwickeln, das man ja beim B- und D-Tanken schon völlig verinnerlicht und abrufbereit hat. Die Säule ist rosa. Aha. Hinter mir ist ein Bordell, was aber Zufall ist.

Das Freischalten versteh ich nicht. Mit der Kreditkarte geht es nicht. Ich finde kein EnBW-Zeichen. Wie soll ich dann hier bezahlen? Ich rufe bei der Hotline an. Der Mann sagt, es gebe eine App von der EnBW. Danke, ich verstehe. Die App geht immer.

Einstöpseln. 100 kW lädt das Ding. Die Säule könnte schneller, das Auto aber nicht. Ich könnte jetzt gemütlich einen Kaffee im Puff trinken gehen. Auch wenn ich das nicht mache, weil ich mir vom Kaffee nicht so viel erwarte, wird mir klar, dass man während des Ladens tatsächlich Dinge machen könnte. Sinnvolle oder eben weniger sinnvolle.

Ein paar Startschwierigkeiten

Die Erfindung des Ladesäulencampings: Stuttgart–Luxemburg sind 340 Kilometer. Sprich: Ich komme mit zwei Mal 360 km Reichweite problemlos an. Nachts. Ich finde eine Säule, die aber nur langsam lädt. Perfekt, weil ich habe damit auch einen Parkplatz und poppe das Dachzelt hoch. Niemanden interessiert es.

Dann der Schock am Morgen. Welch Teufelszeug diese Laderei ist! Zwar ist der Akku voll, aber die Kommunikation zwischen Säule, Auto und App ist abgebrochen. Aber das Kabel steckt noch drin und ist blockiert im Auto. Wegfahren geht nicht. Ah. Ich hatte gelernt: Hotline. Ich lerne. Die Nummer hilft mir mit meinem deutschen Handy nicht. Weil luxemburgische Hotline. Ich stehe dumm da und in der Sonne wird’s heiß. Nerv.

Eine Frau schlendert vorbei. Ich bitte sie, bei der Hotline anzurufen und sie tut das, nachdem sie ihre Freundin angerufen hat, dass sie später kommen wird, und sie bekommt sofort einen luxemburgischen Säulennotdienstler ans Telefon und zack: klick! Wir lachen. Das Auto ist frei. Ich sage Danke, sie kann zur Freundin und ich rolle ins Landesinnere von Luxemburg.

Ab zum Schloss Clervaux

Menschen frühstücken, sitzen im Freien. Viele Menschen. Es ist Sommer und es fahren hier auch dicke, fette Autos rum mit wenig CO2-Ausstoß pro PS, aber viel PS.

Auch wenn die eigenen Gewohnheiten den Blick auf sich selbst oft trüben, klar ist doch, dass dicke, fette Autos im Habitat des Menschen (Frühstückstische, schöne Kulisse, lieblicher Fluss) auch was Aggressives haben. So wie ein Motocrossmotorrad im Sandkasten. Klar, das ist unvorstellbar, aber auch eben deswegen, weil man es nicht gewohnt ist. Sonst ist man es im öffentlichen Raum gewohnt, den Autos Platz zu machen. Also der E-Antrieb, so viel fühle ich, bringt auf jeden Fall etwas Ruhe ins Miteinander.

Klimawandel, Verantwortung, Gefühl und Fakten. Wie geht es weiter? Keine Ahnung, ob das mit dem Elektro was bringt so insgesamt. In dem großen Skatepark in Luxemburg gibt es einen Spender mit Sonnencreme. Hab ich noch nie gesehen. Weil die für Skater sind, die mit Board in der Sonne fahren, ist das gut und es ist eben auch ein Symbol für eine Sonne, die unerbittlicher wird. Die Haut verbrennt, und das zunehmend mehr. Der Mensch will ja draußen bleiben dürfen, nicht in klimatisierten Hallen skaten müssen. Und ich denke, alle Menschen, die jetzt irgendwo wohnen, würden das ganz gerne weiterhin. Und nicht von Hitze oder Wasser vertrieben werden.

Und wenn das E-Auto doch etwas dazu beiträgt, den Klimawandel zu verlangsamen, wäre das zumindest einen Versuch wert. Aber vielleicht täusche ich mich und wir sollten einfach alles beim Alten lassen. Ich fahre weiter. Forschung und Gefühle sollen andere diskutieren. Ich schau ja nur mal rum. Das mache ich jetzt in Clervaux.

Da gibt es eben diese Fotoausstellung, in der sich alles rund um den Menschen dreht. Wie er liebt, welche Süchte er hat, mit welchen Veränderungen er so zurechtkommen muss(te). (Krieg, Massaker, aber auch kein Kohleabbau mehr ertragen müssen, Frauen dürfen wählen und so Sachen, die auch nicht allen gefielen, weil das ungewohnt war und man da trotzdem durchmusste, zähneknirschend.)

Strom-Tanken auf dem Campingplatz

Die Frau vom Campingplatz sagt: Wir können nicht zulassen, dass Sie Ihr Auto an den CEE-Stecker hängen. Aber sie sagt auch, ein bisschen heimlich, dass sie schon helfen könne, wenn es sein müsse. Auch der Campingplatzzettel, wo drauf steht, wo das Klo ist und ob man Feuer machen darf, sagt: Auto-Strom gibt’s im Ort am Bahnhof, und zwar schnell ladbaren. Bei Problemen solle man sich an die Info am Campingplatz wenden.

Sprich: Die Thematik ist voll und ganz da. Die Leute wollen hier in Zukunft mit den Stromautos Strom tanken. Ja, das Kabel hierher, sagt die Frau, sei noch nicht gut genug. Das hätten sie aber auf dem Schirm und beantragt. Sprich, die Frage “Wo willst du da laden?” wird sich erübrigen. Die Bilder der Ausstellung machen demütig. Sie machen Mut. Der Mensch hält vieles aus.

Schnellladesäule: gesucht, gefunden, Gyros, gaga

Auf dem Marktplatz ist die Ladesäule kaputt. Geht nicht, sie ist die einzige defekte Säule auf über 2.000 Kilometer Reise. Belgien enttäuscht auch. Die angekündigten Pommesbuden haben alle zu.

Weil ich Hunger habe, bietet es sich an, eine Schnellladesäule zu suchen und was zu Essen gleichzeitig. Ich finde eine Shell-Tanke mit Schnell-Lader. Google sagt: Nur unweit von hier befindet sich ein Grieche mit guter Bewertung. Die Sinnhaftigkeit von Bewertungen zeigt sich beim Blick auf die Klientel der Kaschemme, das Gyros schmeckt trotzdem.

Wahrscheinlich haben jetzt die Viehzucht und der Dünger für das Futter des Viehs (19 % CO2-Anteil weltweit) und der Betonanteil des Stalls (Bauwesen weltweit 31 %), in dem das Vieh stand, mehr CO2 emittiert als ich auf der ganzen Strecke hier mit Strom (Transport und Verkehr mit Booten und Flugzeugen 16 %).

Man wird dann doch auch schon ein wenig gaga, wenn man diesen ganzen Kram bedenkt und nur das Gute will, aber eben als Mensch immer eine “Furche der Zerstörung hinter sich lässt” (zitiert frei nach Robert Habeck). Der Akku ist voll. Die Niederländer, die neben mir laden, fahren E-Golf und würden nie mehr etwas anderes fahren als ein E-Auto. Sie haben auch einen guten Grund, da mit ihrer Meerlage.

Letzer Stopp: Hamburg

Reeperbahn. Hier kumuliert alles. Sehnsucht nach Heimat, das Fernweh. Gewalt, Liebe, Hormone, Triebe, Macht, Menschenhandel, Drogen. Hier kann der Mensch das sein, was er sein will. Was er denkt, was er ist. Hier wird nicht gewertet. Hier hat früher der schöne Klaus mit seinem Lambo angegeben. Der hatte noch echten Sound.

Ach ja, der eVanster steht wieder an einer Shell, unweit der Großen Freiheit. Lädt und parkt daher umsonst. Früher war ein Lambo cool, heute ist es cool, einen Parkplatz zu finden.

Und so schlecht kommt der eVanster nicht an! Gern bei jungen Paaren, denen man das Liebäugeln mit einem Bus ansieht. Dann schauen sie und tuscheln, und man hört das Wort “Elektro” und spürt, wie das gute Gewissen in ihnen kribbelt.

Die Reise geht weiter – nach Hause

Ah, ich lernte noch und vergaß auch schnell wieder, weil die Gewohnheit nach 48 Stunden die Oberhand gewann. Ich habe verstanden, wie ich Apps, Navis und Schilder zu lesen haben, und haben gelernt, keine Angst zu haben. Und ich bin nur einmal noch in einem Wohngebiet gelandet und musste kurz beim Laden warten.

Zurück in Stuttgart nach über 2.000 km, ist mein Kühlschrank zu Hause leer. Am Supermarkt ist eine Ladesäule, parken, anstöpseln, einkaufen, fertig. Gewohnheit. Fast 200 km Reichweite kurz mitgenommen. Was mach ich jetzt damit? In der Stadt reicht das ewig, vor allem weil ich hier meistens das Fahrrad benutze.

Ich fahre heim, leise, und die Kinder der Nachbarn kriegen es gar nicht mit, als ich in den Hof rolle. Sie spielen im Garten.

TOP STORIES

Top List in the World