Erstmals gibt es jetzt Strafurteile geben Motorentwickler und Manager der VW-Tochter Audi.
Rupert Stadler war entweder dreist oder doof, als er 2016 permanent behauptete, die Diesel-Motoren von Audi seien sauber. Stadler ist Betriebswirt, kein Techniker, und womöglich hat er sich wirklich nicht die Raffinesse und kriminelle Energie vorstellen können, mit der Ingenieure die Abgasreinigung manipuliert hatten. Er hätte es wissen müssen, denn schon im September 2015 war der Betrug in den USA aufgeflogen. VW war überführt, doch die VW-Tochter Audi respektive deren Vorstandsvorsitzender Stadler gaben sich unverdrossen unschuldig und verkauften die manipulierten Autos weiter. Frecher gehts nimmer.
Vom „Betrug durch Unterlassen“ war die Rede am Dienstag im Landgericht München, das Stadler nach einem Geständnis und einer Millionenstrafe als freier Mann verließ. Ist das gerecht? Darf man sich Straffreiheit kaufen?
Eine Frage der Kultur
Bemerkenswert ist die Einlassung des Staatsanwalts, der nach jahrelangen Ermittlungen Zweifel hat, ob es überhaupt Hauptverantwortliche gibt, „wenn so viele Beteiligte in einem Unternehmen in die falsche Richtung laufen“. Das ist die Lehre aus der Geschichte: Es kommt auf die Unternehmenskultur an.
Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn haben Volkswagen von 1993 bis zum Dieselskandal geprägt. Durch Akquisitionen, tolle Autos und effiziente Motoren wurde der Zwölf-Marken-Konzern aus der niedersächsischen Provinz zum größten Fahrzeughersteller der Welt.
Ob Piëch/Winterkorn von der Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung gewusst haben, wird wohl nie geklärt; Piëch ist seit vier Jahren tot, und der 76-jährige Winterkorn kann wegen Krankheit nicht vor Gericht erscheinen. Seit 2015 bemühen sich die neuen Chefs in Wolfsburg um einen Kulturwandel nach dem totalitärem Regime ohne Checks and Balances im 600.000-Mitarbeiter umfassenden Weltreich.
Ein ähnliches paternalistisches System hat bei Thyssen-Krupp großen Schaden angerichtet, als eine selbstgefällige Führung zehn Milliarden Euro in amerikanischen Stahlwerken verbrannte, oder bei der Deutschen Bank, wo die beinahe schon pathologische Renditeorientierung des Vorstands unter Joachim Ackermann das einstige Spitzeninstitut zum Sanierungsfall machte. Die Korruptionsaffäre im Siemens-Konzern der Heinrich-von-Pierer-Ära ist auch noch in schlechter Erinnerung.
Missmanagement, Fehlverhalten oder Gier gehören zum Wirtschaftsleben wie der saubere Handschlag des ehrbaren Kaufmanns. Die schlimmsten Auswüchse können die Existenz kosten – oder rund 35 Milliarden Euro, die der VW-Konzern für die Aufarbeitung des Diesel-Betrugs aufwenden musste. Dafür hätte der Konzern eine Menge emissionsfreier Autos bauen können.
Die Herren Stadler und Winterkorn gehen nicht ins Gefängnis, aber als große Geldvernichter in die Geschichte der deutschen Industrie ein. Weil sie es konnten. Niemand schritt ein und rief Halt. Demut tut den Bossen gut – und die kann sehr wertvoll sein.