- Wie wurde die Verkehrslärmbelastung ermittelt?
- Welcher Lärmpegel wurde in der Studie als problematisch angenommen?
- Wie wurde ermittelt, wie viele Menschen davon in Kassel betroffen sind?
- In welchen Kasseler Stadtteilen leiden besonders viele Bewohner unter Lärm?
- Was will die Stadt Kassel tun, um die Menschen zu entlasten?
- Was ist sonst geplant?
- Werden mehr Elektroautos für mehr Ruhe sorgen?
Autos, Lkw und Züge
Kassel gehört zu den Städten mit dem meisten Verkehrslärm – Ein Stadtteil besonders betroffen
Auch hier leiden Anwohner unter Verkehrslärm: Blick aus einer Wohnung am Altmarkt auf den Knotenpunkt. Auch die Straßenbahnen sorgen hier für Krach.
Kassel ist eine „verlärmte“ Stadt. Über 20.000 Menschen leiden unter Verkehrslärm. Die wichtigsten Frankfurt und Antworten zum Thema.
Die Stadt Kassel hält die Studie, die nicht auf Messungen, sondern auf Verkehrsdaten und Rechenmodellen basiert, für fundiert. Wegen unterschiedlich präziser Daten aus den Städten sei eine Vergleichbarkeit aber nur bedingt möglich. Deshalb könne das „Zeit“-Ranking nur einen groben Anhaltspunkt geben. „Richtig ist: Kassel ist eine verlärmte Stadt. Dies zu ändern, daran arbeiten wir seit vielen Jahren“, sagt Anja Starick, Leiterin des Umwelt- und Gartenamtes. Besonders betroffen seien Bewohner mit geringem Einkommen, die sich ruhige Wohnlagen nicht leisten könnten. Zudem gehe mit der Lärmbelastung eine Schadstoffbelastung einher, die sich zusätzlich negativ auf die Lebenserwartung der Menschen auswirke.
Ampelschaltungen sollen optimiert werden: Anfahren und Bremsen erzeugen zusätzlich Lärm.
Die hohe Verkehrslärmbelastung habe ihre Ursache in politischen Entscheidungen, die beim Wiederaufbau der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg getroffen worden seien. Ein Umbau der Stadt sei langwierig und teuer und könne nur schrittweise erfolgen, so Starick. Mehr Radwege, ÖPNV-Ausbau, nächtliche Tempo-30-Regelungen auf Hauptstraßen, optimierte Ampelschaltungen und eine Schaffung von Ruheoasen sind nur einige Maßnahmen, die von der Stadt geplant sind.
Vor dem Hintergrund bedauert die Stadt, dass mit der Sanierung der Südtangente nicht ein sechsspuriger Ausbau verbunden ist. „Dieser hätte die Autobahn GmbH zum Lärmschutz verpflichtet“, so Starick. Für die laufende Sanierung und Aufweitung der Fahrstreifen gelte dies nicht. Mit dem Anschluss der A 49 Ende des Jahres an die A 5 rechnet der Bund mit täglich 82.000 Fahrzeugen (aktuell 65.000 Fahrzeuge).
Wie wurde die Verkehrslärmbelastung ermittelt?
Um die Verkehrslärmbelastung zu ermitteln, werden in der Regel keine Messungen vor Ort vorgenommen. Solche Messungen seien zum einen aufwendig und nicht flächendeckend möglich und zum anderen schwer vergleichbar, sagt Helmut Kämpfer vom Amt für Umwelt- und Emissionsschutz. Denn die Belastung sei durch unterschiedliche Verkehrsereignisse (Staus, Umleitungen etc.) starken Schwankungen unterworfen. Deshalb wird die Belastung an Straßen und Schienen auf Basis von Modellrechnungen (nach der EU-Lärmschutzrichtlinie) ermittelt. In diese fließen Verkehrsaufkommen, Straßenbelag, Topografie, Tempolimits und weitere Merkmale ein. Hupen, laute Auspuffanlagen oder laute Musik aus einem Auto werden nicht berücksichtigt. Die Stadt Kassel lässt ihre Berechnungen durch das Kasseler Verkehrsplanungsbüro LK Argus erstellen. Beim Bundesumweltamt laufen die Daten aus den Kommunen zusammen.
Welcher Lärmpegel wurde in der Studie als problematisch angenommen?
Bereits eine lang anhaltende Geräuschbelastung von tagsüber über 55 Dezibel und nachts über 50 Dezibel gilt als Ursache für Stress, Schlafstörungen und Herzkrankheiten. An diesen Grenzwerten hat sich auch die Studie orientiert. Besonders gesundheitsschädlich wird Lärm ab über 65 Dezibel. Zum Vergleich: Ein Gespräch in Zimmerlautstärke entspricht etwa 60 Dezibel.
Wie wurde ermittelt, wie viele Menschen davon in Kassel betroffen sind?
Anhand der Einwohnerdaten wurde festgestellt, wie viele Menschen in den problematischen Bereichen leben. In Kassel sind dies gut 20.000 – dies entspricht etwa zehn Prozent der Bevölkerung. In Düsseldorf, dem Lärm-Spitzenreiter, sind fast 15 Prozent betroffen. In Reutlingen, der ruhigsten Großstadt im Städtevergleich, sind es nur gut vier Prozent.
In welchen Kasseler Stadtteilen leiden besonders viele Bewohner unter Lärm?
Am stärksten belasteter Stadtteil: Der Vordere Westen ist dicht besiedelt und hat eine hohe Kfz-Dichte.
Was will die Stadt Kassel tun, um die Menschen zu entlasten?
Alle fünf Jahre stellt die Stadt Kassel mit dem Regierungspräsidium eine Lärmaktionsplanung auf. Darin wird ein ganzes Bündel von Maßnahmen festgelegt. „Zum einen ist es das Ziel, ruhige Gebiete vor weiterer Verlärmung zu schützen. Zum anderen wollen wir in belasteten Bereichen ruhigere Orte identifizieren und entwickeln. Solche Oasen können kleine Grünanlagen und Plätze sein. Ziel ist es, dass jeder in 400 Meter Entfernung einen solchen Ort findet“, sagt Anja Starick, Leiterin des Umwelt- und Gartenamtes. Für das Umfeld Lutherplatz / Stern und den Bereich Königstor – wo es bislang an Ruheoasen mangelt – sollen solche Orte entwickelt werden. Der aktuell entstehende Park Schönfeld-Ost zwischen Frankfurter Straße und „Am Auestadion“ und der durch eine begrünte Wand abgeschirmte neue Sporthof des Goethe-Gymnasiums an der Ysenburgstraße / Ecke Weserstraße seien gute Beispiele.
Was ist sonst geplant?
Neben einem Ausbau des ÖPNV und der Rad- und Fußwege sollen Ampelschaltungen weiter optimiert werden. Denn Anfahren und Bremsen erzeugt zusätzlichen Lärm. Kopfsteinpflaster soll zudem sukzessive durch Asphalt ersetzt werden, um Rollgeräusche zu minimieren. Rasengleise seien eine Option, den Schienenlärm zu verringern, so Starick. Bei Straßenumbauprojekten (ähnlich wie Goethe-Boulevard) werde verstärkt der Verkehrslärm im Blick behalten. „Es ist aber nicht realistisch, dass wir die ganze Stadt umgestalten“, so Starick. Insofern sei auch jeder Einzelne gefragt, sein Mobilitätsverhalten zu überdenken. Zudem lasse die Stadt prüfen, ob es auf einigen Hauptstraßen rechtlich möglich sei, nachts Tempo 30 anzuordnen.
Werden mehr Elektroautos für mehr Ruhe sorgen?
Für Verbrennungsmotoren gelten EU-Grenzwerte, die 2026 verschärft werden sollen. Allerdings gibt es Kritik an den Messverfahren, die nicht der Alltagsnutzung entsprächen. Zudem ist der Motor nur eine Lärmquelle. Nach Expertenangaben ist das Rollgeräusch der Reifen bereits ab einer Geschwindigkeit von 35 Stundenkilometern lauter als der Motor. Neben der Geschwindigkeit spielen die Reifenqualität und der Straßenbelag eine wesentliche Rolle. Das heißt, die Hauptursache für Verkehrslärm wird auch dann erhalten bleiben, wenn deutlich mehr Elektroautos unterwegs sind.