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Das Museum als Werkstatt: Warum reparieren wir nicht mehr?

das museum als werkstatt: warum reparieren wir nicht mehr?

Das Museum als Werkstatt: Warum reparieren wir nicht mehr?

Die beiden Axolotl liegen entspannt in ihrem Aquarium. Dieses befindet sich nicht etwa, wie man zuerst vermuten könnte, im Museum für Naturkunde. Das Aquarium steht im Deutschen Technikmuseum, nicht weit vom Potsdamer Platz, in der Sonderausstellung „Reparieren!“. Denn die mexikanischen Lurche sind echte Profis, wenn es um Reparatur geht: Verlieren sie ein Bein, so wächst es ihnen innerhalb von 40 bis 50 Tagen wieder nach. Reparatur der Natur, sozusagen. Damit haben sie unserer Gesellschaft in puncto Reparieren einiges voraus, denn selbst wie Fahrradreifen geflickt oder Knöpfe angenäht werden, ist schwindendes Wissen.

Wegwerfen oder Reparieren? Oft wird die Frage gar nicht mehr gestellt. Vielen fehlt die Zeit, die gebrochene Schüssel wieder zusammenzukleben, oder das Know-how, wie man den Mixer, der gerade kaputt gegangen ist, wieder in Gang bringen könnte. Der Weg zum Mülleimer und das Bestellen eines neuen Gerätes fällt leichter, als sich mit der Wiederverwendbarkeit von Gegenständen auseinanderzusetzen. Das Deutsche Technikmuseum in Berlin will mit seiner neuen Ausstellung einen Beitrag dazu leisten, die Wegwerfmentalität wieder umzukehren. Zur Eröffnung erschienen die Bundesministerin für Umwelt, Steffi Lemke, und der Staatssekretär für Kultur, Dr. Torsten Wöhlert.

Die Ausstellung soll besonders Kinder und Familien ansprechen, mit interaktiven Stationen und Mitmachworkshops. So kann ein Loch in einer Riesensocke gestopft oder ein Deich mit Sandsäcken repariert werden. Um zu demonstrieren, dass das Reparieren von Alltagsgegenständen einst die Regel war, bekommen Besucherinnen und Besucher auch einen Einblick in die Geschichte der Reparatur. Teil der Ausstellung ist auch ein „unkaputtbarer Mixer“ aus der DDR, in der jahrzehntelange Nutzung von Geräten der Normalfall war. Für alle Besucherinnen und Besucher unter 18 Jahre ist der Eintritt kostenlos, Schulklassen bekommen kostenfreie Reparier-Workshops.

Landeten Museen in letzter Zeit in den Schlagzeilen, so ging es meistens um die Klebe-Aktionen der Letzten Generation, die diese als Bühne für Klimaproteste nutzten. In den anschließend geführten Debatten war das Thema Klima eher nebensächlich. Vielmehr wurde diskutiert, ob Strafen gegen Klimaaktivisten erhöht oder Sicherheitskonzepte der Museen verbessert werden müssten. „Es wurde nie gefragt, wie Museen zur drohenden Klimakatastrophe stehen“, sagt Joachim Breuninger, Vorstand der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin, das habe ihm im Diskurs gefehlt. „Das Deutsche Technikmuseum nimmt den Klimawandel sehr ernst.“

Breuninger ist überzeugt, dass das Museum viel für den Umweltschutz tun kann, und das auch ohne erhobenen Zeigefinger. Dafür möchten sie mit gutem Beispiel voranschreiten: Die Ausstellung benutze ausschließlich gebrauchte Technik. Garantie für die Geräte gebe es nicht mehr. „Wenn etwas kaputt ist, müssen wir es eben reparieren“, so Breuninger, und solche Wege aus der Wegwerfgesellschaft möchten sie ihren Besuchern auch aufzeigen.

Auch wenn sich Verbraucher dazu entscheiden, etwas zu reparieren, ist es manchmal gar nicht möglich. Zum Beispiel bei Handys, bei denen kaputte Akkus nicht herausnehmbar sind und deswegen das gesamte Gerät nicht mehr funktionsfähig ist. „Recht auf Reparatur“,  so lautet der Name eines angekündigten Gesetzesvorschlags der EU-Kommission für 2023. Die Bundesumweltministerin Steffi Lemke ist Befürworterin: „Wir müssen weg vom linearen Wirtschaftswachstum hin zu einer Kreislaufwirtschaft.“ Alles andere sei „nicht zukunftsfähig“.

So unterstütze die Bundesregierung auch die Ökodesign-Richtline, die umfassendste Gesetzgebung, die es momentan auf europäischer Ebene zum Thema Ressourcenschonung gibt. Sie enthält Vorgaben für Produkte und Produktgruppen, etwa dass Smartphones in Zukunft so hergestellt werden sollen, dass Akkus austauschbar sind. „Die Kaskade aus Kaufen, Nutzen, Kaputtmachen, Wegwerfen und Neukaufen müssen wir durchbrechen“, sagt Steffi Lemke. Im Schnitt fallen pro Kopf jedes Jahr 19 Kilo Elektroschrott an. Um das zu reduzieren, sollten im Alltag mehr Reparaturen gemacht werden, aber dazu sei auch politische Regulierung notwendig, so Lemke.

Besonders Jüngere kennen sich mit Reparieren nicht mehr aus, weil es ihnen nie beigebracht wurde. Man kauft eher eine neue Jeans, als den Knopf wieder anzunähen. Aber auch viele Ältere trauen sich alltägliche Reparaturen nicht mehr zu. Nach Anmeldung können Besucher kaputte Elektrogeräte in die Mitmach-Werkstatt des Technikmuseums bringen. Dort kann mit Unterstützung geschulter Mitarbeiter versucht werden, das Gerät wieder funktionstüchtig zu machen.

Reparieren! Verwenden statt Verschwenden, Sonderausstellung im Deutschen Technikmuseum. Eingang: Ladestraße (Zugang über Möckernstraße 26, 10963 Berlin), Laufzeit: 7. Dezember 2022 bis 3. September 2023, Öffnungszeiten: Di.–Fr. 9–17:30 Uhr, Sa./So. 10–18 Uhr.

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