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Erste Erfahrungen: Wie Auto-Batterien recycelt werden

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„Wir retten Rohstoffe“, sagte Murat Bayram über sein Geschäft. Er ist der Chef der EMR GmbH (European Metal Recycling) in Hamburg.

Die Werkshalle ist ganz neu und noch fast leer. Zwei Männer mühen sich mit weißen Stoffhandschuhen, zupfen und ziehen, bis sie sitzen. Darüber kommen dann die klobigen roten Schutzhandschuhe, die elektrische Ladung ableiten. Vor den Männern liegt auf einem Metallgestell der Akku eines Elektroautos, der recycelt werden soll: ein flaches Gebilde von mehreren Quadratmetern Größe, eine halbe Tonne schwer, komplett mit Alu ummantelt.

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Batterierecycling fängt mit Handarbeit an. Und mit Sicherheitshandschuhen.

Es ist überhaupt erst die dritte Batterie, die sie fürs Recycling auseinander bauen. Bis Ende des Jahres sollen hier tausende Batterien durchgeschleust sein, Tendenz schnell steigend. Ausgelegt ist das ganz neue Werk des Metallrecyclers EMR (European Metal Recycling) in Hamburg auf 25.000 Tonnen pro Jahr, was etwa 50.000 Batterien entspricht.

Noch gibt es gar nicht so viele alte Batterien zu recyceln. Zwar wurden im vorigen Jahr in Deutschland fast 500.000 reine Elektroautos neu zugelassen. Bis ihre Akkus nicht mehr für den Autoantrieb taugen, dauert es acht bis zehn Jahre, und dann sind sie immer noch stark genug für ein zweites Leben in stationären Speichern. Bis Batterierecycling zum Massengeschäft wird, dauert es also noch eine Weile.

Dann aber wird der Markt sehr schnell sehr groß werden. Mit der im Juni verabschiedeten Batterieverordnung schreibt die EU den Autoherstellern eine Rücknahmequote von 100 Prozent der Batterien vor. Das verwendete Kobalt und Nickel muss zu 90 Prozent wieder verwendet werden, Lithium zu 50 Prozent. Unabhängig von den Vorschriften gilt das Recycling von E-Auto-Batterien unter ethischen und politischen Aspekten als sinnvoll: Viele der Rohstoffe werden unter menschenunwürdigen Bedingungen gewonnen, vielfach wird dabei das ökologische Gleichgewicht ganzer Landstriche zerstört; und letztlich geht es auch darum, die Abhängigkeit von einzelnen Staaten möglichst gering zu halten.

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Kupfer ist einer der Wertstoffe, die schon im ersten Schritt des Batterierecycling anfallen – das klassische Geschäft von Metallverwertern.

Batteriehersteller sind in der Pflicht

Wer das Geschäft mit dem Recycling erledigt, ist unterdessen noch nicht klar. Die Branche ist gerade erst im Entstehen. Der Chemiekonzern BASF plant im nächsten Jahr mit dem Batterierecycling in Schwarzheide zu starten. Auch Mercedes und Volkswagen sind mit dem Thema längst befasst. Im größeren Stil sind schon Batteriehersteller engagiert, die ihrerseits von der EU schon für das Jahr 2027 verpflichtet werden, Rezyklate in der Produktion zu verwenden: sie brauchen also bald große Mengen an aufbereiteten Rohstoffen.

In Osteuropa, wo es schon einige Batteriefabriken gibt, habe man ein, zwei Jahre Vorsprung, so die Beobachtung von EMR-Geschäftsführer Murat Bayram: Die Hersteller üben die Verfahren quasi mit dem eigenen Ausschuss. Wie er aus der Autoindustrie gehört habe, sei aktuell noch fast jede vierte Batterie fehlerhaft, sagt Bayram und macht eine Rechnung auf: Selbst wenn die Fehlerquote sehr schnell sinke, gebe es auch in den nächsten Jahren schon viel zu recyceln.

Die Autoverwertung ist für EMR seit langem ein wichtiges Geschäftsfeld. Das Familienunternehmen aus der Gegend von Manchester gehört mit 4 Milliarden Euro zu den Großen in der Branche und wittert im Batterierecycling neues Potential. Es zu heben, stellt den deutschen EMR-Statthalter Murat Bayram allerdings vor ungeahnte Herausforderungen. Diplomatisch spricht er von einer „dynamischen Entwicklung“ mit Blick auf rechtliche Themen und lobt überschwänglich die Behörden in Hamburg, die den Weg mit ihm geebnet hätten, bis all die Vorschriften aus EU-Recht und deutschem Recht umgesetzt waren.

Unerwartet viele Regelungen

Selbst die einzelnen Bundesländer hätten unterschiedliche Regelungen etwa zum Batterietransport, pflichtet ihm Mario Minow bei, der als QHSE-Manager bei EMR für die Themen Qualität, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt zuständig ist. Die AwSV, also die „Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“, gehört zu seiner täglichen Lektüre – und führte in der Umsetzung zu überraschenden Investitionen für das neue EMR-Werk. So soll etwa eine doppelte Folie im Betonboden verhindern, dass giftige Stoffe ins Erdreich gelangen können. Auch im Brandschutz erleben die Metallrecycler in Hamburg neue Anforderungen. Man habe ein „Aquarium“ gebaut, scherzt Bayram mit Blick auf einen Tank mit 63 Kubikmeter Löschwasser. Binnen Minuten würde das Batterielager damit deckenhoch geflutet, wenn sich Rauch entwickelte, oder aber wenn die Wärmebildkameras entsprechende Temperaturabweichungen meldeten, erklärt Minow.

So ist es jetzt nicht wie geplant Mai sondern Juli geworden, bis die Mitarbeiter zum ersten Mal Hand anlegen an einer E-Auto-Batterie. Im ersten Schritt muss nur der Aludeckel gelöst werden und ein paar Dutzend Schrauben werden entfernt. Dann wird die Batterie erst ein paar Stunden zum Entladen eingestöpselt, anschließend wird der Akku manuell auseinander gebaut. Kiloweise Alu, Kupfer und Kunststoff fallen dabei an – Rohstoffe, mit denen sich Bayram sein ganzes Berufsleben befasst hat. Gern posiert er für den Fotographen auf dem Metall-Recyclingplatz ein paar hundert Meter weiter auf einem Berg von Kabeln, zeigt seine Hände voller Kupferstaub, nachdem er Säcke mit zerkleinerten Kupferabfällen geöffnet hat.

Ob das Geschäft mit dem Batterie-Recycling auch künftig nach Art des bisherigen Metallrecyclings von mechanischer, oft manueller Arbeit geprägt sein wird, ist keineswegs ausgemacht. Schon Ende 2021 hat das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in einer Studie dargelegt, welche Schritte erforderlich sind und welche Technologien dafür in Frage kommen könnten. „Die Prozesse sind verstanden und müssen jetzt hochskaliert werden“, bekräftigt Thomas Schmaltz, einer der Studienautoren: „Inzwischen können Sie schon schlüsselfertige Anlagen von Maschinenbauern bekommen.“ In der neu entstehenden Branche dürften die Innovationen jetzt Schlag auf Schlag kommen. Bosch Rexroth hat auf der Hannover Messe angekündigt, das Entladen der Batterien zu automatisieren und den bisher viele Stunden dauernden Prozess auf 15 Minuten zu verkürzen. SMS Demag wiederum testet in einem Gemeinschaftsunternehmen mit dem australischen Bergbaukonzern Neometals die Zerlegung der Batterien bis hin zum Schreddern der entladenen Module.

Viele Wertstoffe in der „schwarzen Masse“

Was übrig bleibt, die sogenannte „schwarze Masse“ ist eine Art schwarzer Sand, in dem unter anderem Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan stecken. Diese Rohstoffe müssen hydrometallurgisch oder pyrometallurgisch aus der schwarzen Masse gewonnen werden. Für diesen Recyclingschritt kommen zum Beispiel Unternehmen in Frage, die bisher schon Haushaltsbatterien verarbeitet haben, Chemiekonzerne, Hüttenwerke oder wiederum die Batteriehersteller selbst. Investitionen gebe es auch für diese Verfahren schon vielfach, berichtet Fraunhofer-Wissenschaftler Schmaltz – wenngleich bisher meistens noch im Versuchsmaßstab. „Es gibt aber eigentlich keinen Zweifel, dass das funktioniert.“

Unter den Metallrecyclern ist EMR das erste Unternehmen mit einer nennenswerten Investition, bestätigt Kilian Schwaiger, Geschäftsführer beim Verband Deutscher Metallhändler und Recycler. Ähnliche könnten folgen, sofern die Strategie lautet, die ersten Verwertungsschritte auf regionaler Ebene zu etablieren, um Batterietransporte zu vermeiden. Das große Geld ist dafür nicht nötig. Für zehn Millionen Euro könne man so ein Werk bauen wie das von EMR in Hamburg, sagt Murat Bayram.

Wichtiger fürs Gelingen sind wohl die richtigen Lieferanten und Abnehmer. Darüber aber möchte Murat Bayram nicht sprechen. Sonst erzählt er gern, er will sogar ein Buch schreiben über seine spannenden Erlebnisse im Schrotthandel. Aber: In der Autoindustrie gelten andere Spielregeln als bisher auf dem Schrottplatz üblich, das hat er schon gelernt – und beschreibt es auf seine Weise: „Wenn Sie da einen Vertrag schließen, sind allein die AGB schon so dick wie eine Bibel.“

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