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Betreiber des "Wheel of Vision" in Dresden: "Riesenradfahrten sollte es auf Rezept geben"

In sechster Generation des 175 Jahre alten Familienunternehmens betreibt Oscar Bruch Jr. drei Riesenräder, die auf Komfort statt auf Nervenkitzel setzen. Eins davon steht am Postplatz in Dresden.

Mit 30 Jahren kaufte Oscar Bruch Jr. sein erstes Riesenrad. Das dreht sich noch immer und dazu inzwischen zwei weitere – darunter das Wheel of Vison am Postplatz in Dresden. © Bruch/Anne Orthen

Dresden. Zum Abspannen dreht Oscar Bruch Junior richtig auf. Dann setzt er sich in eine der Gondeln eines seiner Riesenräder und besieht sich die Welt von oben.

Besonders gern tut er das in Dresden, wo ihm die historische Altstadt zu Füßen liegt. Dann stellt er sich vor, wie die Gäste der Stadt erst durch die Gassen rund um die Frauenkirche, durchs Schloss und über den Theaterplatz mit Semperoper laufen und anschließend bei ihm einkehren. Denn das ist seine wärmste Empfehlung: sich nach einem ebenerdigen Stadtbummel aufzuschwingen und die Draufschau zu genießen. “Da erhält man eine schöne Übersicht darüber, wo man die Tage zuvor überall gewesen ist”, sagt der Riesenradbetreiber.

Im Winter Eisstockschießen und Eislaufbahn

Auf ihn selbst wirkt der Blick beruhigend und klärend, wenn der Kopf des Unternehmers mal wieder schier platzt. Drei Fahrgeschäfte dieser Dimension zu koordinieren, erfordert ständige Präsenz hier und dort. “Ich bin immer mit dabei, wenn ein Riesenrad an einem neuen Standort aufgebaut wird”, sagt der 60-Jährige. Im Winter sorgt er zudem mit Winterdörfern, Eislaufbahn und Eisstockschießen für Unterhaltung. Dafür braucht er 120 Mitarbeiter, im Sommer beschäftigt sein Unternehmen ein 55-köpfiges Team.

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Als Oscar Bruch in das heute 175 Jahre alte Familienunternehmen hineingeboren wurde, war zumindest seinem Vater sonnenklar, dass der Junior ebenfalls Schausteller werden würde. Das erschien wohl auch ihm völlig selbstverständlich, solange er als Knirps mit im Kassenhäuschen saß. “Ich konnte schon auf fünf Mark herausgeben, da ging ich noch gar nicht zur Schule”, erinnert er sich.

Die Schule besuchte er wie jedes andere Kind, lebte anfangs überwiegend bei seiner Großmutter, später im Internat und begleitete die Eltern an den Wochenenden zu Rummelplätzen, Kirmesfesten und Weihnachtsmärkten. “Mein Vater bot 1978 die erste transportable Looping-Achterbahn, die es je gab.” An ihrer Konzeption hatte er mitgearbeitet und sie schließlich herstellen lassen. Für solche Anlagen gebe es eine ganze Industrie, die sie entwickelt, produziert und vertreibt.

Einen ganz neuen Blick auf Dresden ermöglicht das Riesenrad “Wheel of Vision” auf dem Postplatz. © René Meinig

Nachdem Oscar Bruch auf Geheiß des Vaters nicht zum Maschinenbau-Studium gegangen war, wie er das eigentlich wollte, machte er sich Gedanken über ein eigenes Fahrgeschäft und sich zunächst mit einem kleinen Karussell selbstständig. So reihte er sich in die sechste Generation des weit verzweigten Familienunternehmens ein. “Ich habe damals bei null angefangen”, erzählt er. Das war 1988.

Vor 30 Jahren kaufte er schließlich zusammen mit seinem Onkel das erste Riesenrad. Es kostete fünf Millionen D-Mark, ist 55 Meter hoch und hat 42 Gondeln. Bis heute dreht sich das Bellevue, und Oscar Bruchs Herz hängt besonders an dessen Optik im romantischen Jugendstil.

Runderneuert für drei Millionen Euro

“Ich habe es gerade für drei Millionen Euro generalüberholen lassen”, sagt er. Eigentlich, so könnte man meinen, passt es ganz besonders gut nach Dresden und in seine historische Altstadt. Aber da steht ein ganz anderes: das Wheel of Vision mit ebenfalls 42 Gondeln. Am Postplatz ist es nicht zum ersten Mal zu Gast. Dort wird es auch zum Stadtfest ein Highlight sein.

Noch bis zum 27. August wird sich das Riesenrad am Postplatz in Dresden drehen. Zum Stadtfest ist es für viele Besucher eines der Highlights. © René Meinig

Umso mehr, als dass es tatsächlich licht und leicht erscheint. “Es hat wirklich eine sehr elegante und filigrane Anmutung, durch seine feinen, weiß lackierten Streben”, schwärmt Oscar Bruch. Eigentlich kennt man es mit blauen Gondeln, aktuell sind sie rot, als Zeichen des Sponsorings der Sparkasse im Rahmen des Stadtfestes. In Metropolen wie Lyon, Budapest, Basel und Melbourne stand es schon. In Dresden wird es noch bis zum 27. August, täglich von 11 bis 21 Uhr zu seinen knapp 15 Minuten dauernden Fahrten einladen.

Doch mehr als seine Optik und Weltgewandtheit dürfte die Fahrgäste interessieren, worauf heutzutage der entscheidende Wert gelegt wird. “Als mein Urgroßvater Emil 1896 seine Russische Schaukel betrieb, ging es vor allem um den Nervenkitzel”, erzählt Oscar Bruch. In der heutigen Zeit stehen die tolle Aussicht und der Komfort im Vordergrund. Entsprechend sind die Gondeln alle komplett geschlossen, ringsum verglast, klimatisiert und weitgehend barrierefrei.

Nirgendwo den Kopf besser auslüften

Für Touristen dürfte eine Fahrt darin sicher den Effekt haben, den Oscar Bruch beschreibt: ein rundes Resümee der Routen durch die Straßen und Gassen hin zu all den Sehenswürdigkeiten, die Dresdens Altstadt zu bieten hat. Aber auch Einheimische überrascht der Blick von so hoch oben, kennen sie ihre Heimat doch eher auf Augenhöhe. Vom Riesenrad aus nehmen sie die vielen neuen Bauten ganz anders wahr, die in den vergangenen Jahren im Zentrum entstanden sind, sehen beispielsweise auf Dachterrassen, die von unten nicht zu erkennen sind.

“Ich liebe es auch nach all den Jahren im Geschäft noch immer, mit dem Riesenrad zu fahren”, sagt Oscar Bruch. Nirgendwo könnte er besser den übervollen Kopf auslüften: “Wenn es mal wieder besonders dick kommt, nehme ich mir einen Kaffee, setze mich in die Gondel und hänge meinen Gedanken nach.” Das sei sehr entspannend. “Ich finde”, sagt Oscar Bruch, “Riesenradfahrten sollte es auf Rezept geben”.

Das Riesenrad dreht sich bis zum 27. August 2023 am Postplatz. Eine Fahrt kostet 9 Euro für Erwachsene, 6 Euro für Kinder bei einer Körpergröße bis 140 Zentimeter. Kinder bis zu 3 Jahren haben freie Fahrt.

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