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Anlassen am Ring: Das Glück liegt zwischen Fuchsröhre und Schwalbenschwanz

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Hier oben, in der Abgeschiedenheit der Vulkaneifel, ist man seit jeher gewohnt „groß zu denken.“ Weil alles, oder zumindest fast alles, anders ist als sonst wo. Größer, schöner, schlimmer, gefährlicher, fremder, dunkler. Nein, wir haben nicht nur eine ganz tolle Rennstrecke. Es ist die schönste, die Schwierigste, die Anspruchsvollste überhaupt. Weltweit. Und Tradition natürlich. Selbstverständlich. Die haben wir auch. Zugegeben, andere nicht minder. Der örtliche Fußballclub etwa. Der St.-Hubertus-Schützenverein. Oder die katholische Landfrauenvereinigung. Aber eine Rennstrecke, die in drei Jahren Hundert wird? Nein, sowas haben nur wir hier oben in der Eifel.

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Aber jetzt kommt’s! Nein, ganz ehrlich: 45.000 Motorradfahrerinnen und Fahrer? An einem Tag? In kurzer Zeit? Husch und weg? Bewahre! Nein. Das hatten wir auch noch nicht. Bis dieser 28. April 2024 kam. Und wir von ihnen (Gott sei Dank nur sinnbildlich) überrollt wurden. Wie kommt sowas aus heiterem Himmel? Was ist das für ein Phänomen? Was steckt hinter der nackten Zahl? Eine Spurensuche.

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Sieht so das Paradies aus? Hier im nüchternen Fahrerhimmel. Für die gerade dem Rotzlöffel- Alter entsprungenen Haudraufs der vielzitierten „Generation Z“? Die mit dem ersten eigenen Mopped? Zwischen Abi und Ersti. Die noch nicht wissen, was sie alles erwartet. Die von Work-Life-Balance und Dreitage-Woche schwadronieren beim Einstellungsgespräch. Oder für die, die sie großgezogen, genährt haben. Die ausgestiegen sind. Raus aus dem Hamsterrad. Keinen Bock mehr auf Tretmühle. Biker-Kombi statt Schlips. Werkzeugset statt Aktentasche. Endlich den Traum von Jahren und Jahrzehnten leben.

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Rauf auf die Honda Goldwing statt in den Senioren-SUV mit dem bequemen hohen Einstieg. Easy rider ist da. Als man kaum noch mit ihm gerechnet hat. Spät, aber nicht zu spät. Sind wir nicht alle ein bisschen Dennis Hopper, ein bisschen Peter Fonda? Ein Hauch übrig gebliebener Janis Joplin? Was kann uns das Leben noch geben? Wir wollen es wissen. Sparen? Vorsorgen? Für wen? Igitt! Der mittlerweile graue Haupthaar-Rest ist einer mächtigen silberfarbenen Manneszierde im Gesicht gewichen. Und nach Drei-Wetter-Taft fragen unsere Bikergirls ohnehin nicht mehr. Sechzig ist das neue… Ja, was wissen wir denn. Egal. Heute heißt es born to be wild. Wer weiß, was morgen ist.

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Händchen haltend laufen die Silverager im abgewetzten Nietenanzug, verliebt wie in der Penne vor dem ersten Kuss, durch die nicht enden wollende Kulisse der prächtigen Maschinen. Flanieren, gucken, staunen. Vergessen die Zeit. Fachsimplen mit Gleichgesinnten. Eine eigene wunderbare Biker-Welt in der Eifel an diesem Tag. An einem Ort, der gelebte Einzigartigkeit ist. Vergessen sind die News von n-24.de, die am laufenden Band auf uns hernieder prasseln. Kriege, Revolutionen, Börsencrashs. KI und Bitcoins. Das Sagen haben der Ratschensatz und der Drehmomentschlüssel.

anlassen am ring: das glück liegt zwischen fuchsröhre und schwalbenschwanz

Und als Zierrat auf diesem Ritt in eine Welt zwischen jung und etwas länger schon jung dieser magische Ort. Ein Name, der (beileibe nicht nur) Männerträume wahr werden lässt. Den man an diesem Tag in sich aufsaugen kann. Unterwegs auf (Kilo)Metern von Asphalt, die Geschichte geschrieben haben. Sich zuvor den Segen für das, was alles kommen könnte und doch möglichst nicht eintreffen sollte geben lassen. Unter Tausenden Gleichgesinnten. Kniefall. Demut statt Übermut.

anlassen am ring: das glück liegt zwischen fuchsröhre und schwalbenschwanz

Und dann endlich geht es los. Wird Anlassen wörtlich genommen. Ein nicht enden wollendes Hupkonzert schwingt sich auf einer grandiosen Tonleiter empor in den Eifel-Himmel. Dort, wo schon immer alles anders war. Wo sie Silberpfeil und Pferde-Fuhrwerk am gleichen Tag hatten. Nebeneinander. Miteinander. Wo Misthaufen und Ölabscheider gleichberechtigt den Tag fristeten.  Wo sich Caracciola und Bauer Backes Guten Tag sagten.

anlassen am ring: das glück liegt zwischen fuchsröhre und schwalbenschwanz

Heute gehören wir dazu. Einmal höllisch sein. Höllisch verrückt. Losgelöst. Das Glück liegt zwischen Fuchsröhre und Schwalbenschwanz. Und wir werden es finden.

Text und Fotos: Charlys Autos

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