Genau genommen ist die Zukunft der Akku-Technik schon da – nur nicht so spektakulär, wie viele erhofft hatten: Die Lithium-Eisenphosphat-Batterien (kurz LFP) des chinesischen Herstellers BYD sind weniger temperaturempfindlich, damit das Jahr über konstanter in der Leistungsabgabe als die meisten Lithium-Ionen-Varianten und machen damit ihre nominell geringere Leistungsdichte wett. Weitere Vorteile dieser Technik: mehr Ladezyklen, so gut wie keine Brandgefahr. Die Akkus sind zwar schwerer, übernehmen aber aufgrund ihres „Blade“-Formats mit der zu flachen Packs komprimierten Wabenstruktur eine statische Funktion in der Fahrzeugarchitektur und ermöglichen damit ein geringeres Gesamtgewicht – was sich wiederum positiv auf Verbrauch und Reichweite auswirkt. Insgesamt ist das vielleicht keine Revolution, aber ein wichtiger Evolutionsschritt, der auch einen Umstand gut vermittelt: Die Komplexität der ganzen Sache und wieviele Zusammenhänge oder Varianten sich beim Tausch auch nur einer Komponente ergeben. Nicht zuletzt deswegen ist die Anwendung von KI in der Batterie-Forschung längst Standard – allein die Material-Datenbanken nach möglichen Lösungen und Kombinationen zu durchsuchen, wäre für Menschen längst nicht mehr möglich.
Ein Vorteil der sogenannten Feststoff-Batterie ist ihre extrem erschwerte Entflammbarkeit – eine Eigenschaft, die aber wie erwähnt schon die „Blade“-Batterie von BYD erfüllt. Allerdings sollen die Feststoff-Akkus zumindest laut Ankündigungen bis zu 30 Prozent mehr Reichweite und etwa die halbe Ladezeit einer derzeit gebräuchlichen Li-Ionen-Batterie aufweisen. Nissan und VW wollen sie ab 2025 verfügbar haben, auch Ford, BMW und Mercedes arbeiten mit Hochdruck an einer Produktionsreife – womit allerdings meist Pilotanlagen für die industrielle Testfertigung gemeint sind, nicht die serielle Verfügbarkeit in Fahrzeugen. Für die dürften mindestens weitere drei bis fünf Jahre einzukalkulieren sein – sofert das Pilotprojekt zufriedenstellend verläuft und auch kostenseitig entspricht.
Selbst mit allen positiven Ansätzen lässt sich allerdings die Physik nicht überlisten: Im Elektrolyt findet der Transport der Ionen und Elektronen zwischen den Elektroden statt – was zwar optimier- aber nicht beliebig steigerbar ist. Den Super-Akku mit 800 Volt-Technologie, 1000 Kilometern Reichweite und einer Ladezeit von fünf Minuten wird es also auch in Zukunft wohl eher nicht geben. Trotzdem sind die Verantwortlichen zuversichtlich, was die Entwicklung angeht. „Die Akku-Technik steckt noch in den Kinderschuhen. In zehn Jahren werden wir über die Batterie, die wir heute kennen, lachen“, meint etwa David Labrosse, Leiter der Produktentwicklung bei Kia.
Dazu kommt, dass sämtliche der neuen derzeit in Europa geplanten und erst in den nächsten Jahren in der Lieferkette effektiv werdenden Batterie-Fabriken auf die aktuelle und kostspielige Lithium-Ionen-Technik setzen. Die auf mindestens zehn Jahre ausgelegten Investments schließen einen Produktionswechsel in dieser Zeit praktisch aus. Bis dahin dürfte die schnellere und flexiblere Entwicklung in China bereits die tatsächlich deutlich günstigere Natrium-Ionen-Batterie zum Standard erhoben haben. Die wirtschaftlichen Gründe dafür ergeben sich durch die Preissteigerung für industriell verwendbares Lithiumcarbonat um zirka das Fünfzehnfache auf derzeit über 80 Euro je Kilo. Bereits im kommenden Jahr dürfte BYD die lithiumfreie Technik in den kompakten Modellen Dolphin und Seal auf den Markt bringen, die noch in der Pipeline befindlichen Kleinwagen und Kompakt-SUV werden voraussichtlich schon damit starten. Sozusagen als Nebeneffekt wird eine deutliche Steigerung der Energiedichte bei Natrium-Ionen-Akkus kolportiert.
Bei so viel Entwicklungspotenzial stellt sich naturgemäß die Frage, was der Vorreiter der Elektromobilität, Tesla, im Köcher hat. Die Antwort fällt vergleichsweise simpel aus, spricht aber ebenfalls für die Praxis der kleinen Schritte: Das US-Unternehmen setzt weiterhin auf seine Rundzellen – und das mit gutem Grund: Besonders beim On-Board-Stromverbrauch liegen seine Modelle gemessen am Leistungsoutput in praktisch allen Vergleichen vorne. Tesla will aber für die nächste Generation der Rundzellen deren Format von 2,1 mal 7,0 Zentimeter auf 4,6 mal 8,0 Zentimeter erhöhen, Elektroden und Flüssigkeitselektrolyt bleiben unverändert. Auch BMW schwenkt auf diesen Kurs: Münchens „Neue Klasse“ wird 2025 ebenfalls mit der so gesehen „klassischen“ Rundzellen-Technik starten.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Printausgabe ALLES AUTO 09/2023