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Wer ist sparsamer unterwegs?

Autos werden immer stärker, schwerer und sind trotzdem oft sparsamer als ihre Vorgänger. Besteht da eine Diskrepanz zu modernen Motorrädern? Das fuhren wir in drei Paarungen aus. Mit interessanten Resultaten.

Wer ist sparsamer unterwegs?

In diesem Artikel:

Der spezifische Kraftstoffverbrauch von Autos wird auf Prüfständen in einheitlichen Testzyklen ermittelt. Der durchschnittliche Verbrauch liegt heute bei 7,7 Litern je 100 km für Benzin-Pkw und 6,8 Litern je 100 Kilometer für Diesel-Pkw. Ergibt jeweils gut 18 kg CO2 je 100 Kilometer im Schnitt. Und Motorräder? Im Dauertest-Ranking bei MOTORRAD gibt es Maschinen von 4,0 Liter Durchschnittsverbrauch (Hon­da NC 700 S) bis 8,2 Liter (Aprilia RSV4 R). Doch der Vergleich mit Dieseln hinkt. Denn Diesel-Motoren sind konstruktiv 20 bis 30 Prozent sparsamer als Otto-Motoren: Diesel-Kraftstoff hat eine höhere Energiedichte als Benzin. Er enthält prozentual mehr Kohlenstoff und wiegt spezifisch mehr je Liter.

Ferner verdichten Dieselmotoren das Luft-Kraftstoff-Gemisch viel stärker, bis sich das Gemisch bei 700 bis 800 Grad rein thermisch von selbst entzündet. Dieselmotoren saugen stets die volle Luftmenge an, allein die eingespritzte Kraftstoffmenge reguliert die Leistung des Motors. Er braucht also keine hemmende Drosselklappe. Durch dieses Konzept erzielt der Diesel-Motor im Teillastbereich enorme Vorteile. Diesel-Pkw erzielen Wirkungsgrade (Verhältnis der erzeugten nutzbaren Energie zur eingesetzten Energie) von knapp 45 Prozent. Benziner kommen bloß auf maximal rund 30 Prozent.

MOTORRAD testet mit auto, motor und sport

MOTORRAD ermittelt den Benzinverbrauch akribisch bei jedem (Vergleichs-)Test. Konsumieren verschiedene Motorräder dagegen im direkten Vergleich mit Autos wenig, angemessen oder zu viel Sprit? Anders gefragt: Brauchen moderne Autos wirklich nur so wenig Benzin, wenn sie einem Motorrad folgen sollen? Versuch macht klug. Dazu haben uns die Kollegen von auto, motor und sport in einer konzertierten Aktion drei Pkw besorgt, bestückt mit vergleichbaren Benzinmotoren.

Die 6 Test-Fahrzeuge

Die Sportler werden durch Porsche 718 Cayman und Yamaha R1 vertreten. Ford Focus Turnier und Honda NC 750 ­verkörpern stellvertretend brave, nutzwertige Alltagsfahrzeuge. Und wie schlägt sich das beliebteste Krad der Deutschen, die BMW R 1250 GS, im Vergleich zu einem der vielen, ebenfalls sehr populären SUV? Dazu stellt sich die GS mit ShiftCam-Technik einem Audi Q5 Sport Back 45 TFSI Quattro. Ihn befeuert wie auch die beiden anderen Autos ein zwangsbeatmeter Turbo-Benziner.

Das Versuchs-Prozedere: randvoll ­tanken – und dann ab auf die einheitliche Messfahrt für alle sechs Fahrzeuge: Die drei Motorräder geben den Takt vor, auf der Standard-Verbrauchsstrecke von MOTORRAD. Sie beinhaltet etwas Stadtverkehr, ansonsten ausschließlich Landstraßen. Sie werden absolut StVO-konform gefahren. Heißt: GPS-abgeglichen Tempo 70, 80 oder maximal 100 wird stets eingehalten. Es geht uns darum, vergleichbare, korrekt ermittelte Messwerte zu erhalten. Einheitlich frühes Hochschalten, sanftes Beschleunigen, gleiche Geschwindigkeiten und regelmäßige Fahrerwechsel wegen Statur und Gewicht dienen dazu, einer Art Minimal-Verbrauch nahezukommen.

Unsere Messfahrt führt hoch auf die Schwäbische Alb. Leider am Test-Tag bei kalten drei bis sieben Grad Celsius. Macht den drei Autofahrern Chris, Michael und Christian nicht viel aus. Sitzheizung an und ab dafür. Doch Andi, Karsten und ich frieren auf den Motorrädern. Dabei fahren wir ganz bewusst dort, wo es an sich besondere Freude macht. Auf kurvigen Mittelgebirgsstrecken. Dort, wo es uns Motorradfahrer gerne hinzieht. Womit ein Sachverhalt klar ist: Hier steigt der Benzin-Verbrauch gegenüber Fahren in der Ebene zwangsläufig an. Beim Hochfahren konsumiert jeder Motor zusätzlich mehr, als man beim Runterrollen spart.

BMW R 1250 GS: 4,5 Liter

Moderate 4,5 Liter je 100 Kilometer nimmt sich die BMW R 1250 GS, das ist sparsam für einen 260-Kilo-Brummer. BMW nimmt das Thema Verbrauch schon lange auch bei Motorrädern ernst, machte schon in den 90er-Jahren freiwillig ziemlich genaue Angaben zum Spritkonsum bei konstant 90 und 120 Kilometern pro Stunde. Seit der Abgasnorm Euro 4 müssen alle Hersteller auf Basis des WMTC (World Motorcycle Test Cycle) offizielle Verbrauchsangaben machen. Verbindliche CO2-Vorgaben macht die EU-Kommission den Motorradherstellern im Gegensatz zur Automobilindustrie jedoch noch nicht.

Audi Q5 Sport Back 45 TFSI Quattro: 10,5 Liter

Der siebenmal schwerere Audi nimmt sich bei zahmer Fahrweise bergauf-bergab 10,5 Liter, sechs Liter mehr als die GS. Also das 2,33-fache. Dies ist deutlich mehr als der Normverbrauch von 8,4 Litern. Der Testverbrauch bei auto, motor und sport betrug 10,0 Liter. Nun, der Reisewagen verfügt über permanenten Allradantrieb, der durch höhere Reibung plus Mehrgewicht den Verbrauch um rund einen Liter erhöht. Zudem hat der 1.857 Kilogramm schwere Q5 die größte Stirnfläche aller drei Autos.

Honda NC 750 S: 3,5 Liter

Motorrad-Motoren mit Einzelhubräumen von 300 bis maximal 400 cm3 gelten in der Ingenieurs-Theorie als thermodynamisches Optimum. Et voilà, Bühne frei für die Honda NC 750 S. Sie schlägt kraft ihrer Herkunft sowieso eine Brücke zum Automobil: Kolben, Pleuel und Teile des Ventiltriebs des 700er-Vorgängermodells stammen vom 1400er-Vierzylinder aus dem Honda Civic. Diese bewährte, reibungs­optimierte Konstruktion sollte gut für viele Hunderttausend Kilometer sein. Der Reihenmotor, der durch die 270- Grad-Kurbelwelle Klang und Laufkultur ­eines 90-Grad-V2 imitiert, ist erwiesenermaßen sparsam. Als Flügelmann der GS, bei identischer Fahrweise, begnügt sich der Honda-Twin mit 3,5 Litern je 100 Kilometer, immerhin ein Liter weniger als die GS.

Ford Focus Turnier: 7,6 Liter

Direkter “Gegner” der 750er ist der Kom­pakt-Kombi Ford Focus Turnier. Die ­Familienkutsche hat einen 150 PS starken Dreizylinder. Direkt-Einspritzung und Turbolader hieven die Literleistung auf volle 100 PS statt 73 PS bei der Honda. Im Schlepptau der drei Motorräder nimmt sich Fords Fronttriebler 7,6 Liter, das 2,2-fache der Honda. Der 1,4-Tonner ist das leichteste und sparsamste der drei Autos, hat einen Zylinder und 115 PS weniger als der Audi. Downsizing hilft Pkw-Motoren, Gewicht und innere Reibung zu reduzieren: Sportcoupés und Oberklasse-Limousinen, die früher oft von V8-Motoren befeuert wurden, haben nun meist noch sechs Zylinder unter der Haube. Modellreihen, die früher Sechszylinder hatten, selten Fünf­zylinder, setzen heute zumeist nur noch auf Vierzylinder-Motoren mit Turboladern. Kompakt- und Kleinwagen wiederum knausern heute dank knurriger Dreizylinder-Motoren, zumeist mit einem Liter Hubraum. So hat der 2022er-Ford Focus einen 1000er-Triple, der es mit Unterstützung eines Elektromotors als Mildhybrid auch auf 150 PS bringt. Das 2020er-Dauertest-Exemplar von auto, motor und sport hat noch 1,5 Liter Hubraum, immerhin.

Porsche 718 Cayman: 9,7 Liter

Selbst die Sportwagen-Marke Porsche nutzt Downsizing. Der Vierzylinder-Turbo-Boxer des zweisitzigen Basis-Modells 718 Cayman hat nur 1.998 cm³ Hubraum. Als Mittelmotor hat er eine schwerpunktgünstige Einbaulage, bleibt aber unter Abdeckungen unsichtbar. Posse am Rande: Der Test-Porsche hat für 30.000 Euro Extras, das kosten NC 750 plus R1 oder GS in Summe! Die Leistung des 718 Cayman bleibt mit 300 PS überschaubar. Zumindest, wenn die Yamaha YZF-R1 daneben (g)rollt: Sie erinnert durch ihre Cross-Plane-Kurbelwelle an Klang und Charakter eines V4-Motors. Und das bei vollen 200 PS und nur 203 Kilogramm, rasante 200 PS pro Liter!

Yamaha YZF-R1: 5,7 Liter

An Benzin braucht der Porsche 9,7 Liter, 1,7-mal mehr als die R1. Für den 718 mit spritsparendem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (wie beim Audi) sind als Norm-Verbräuche 8,1 bis 9,2 Liter je 100 km angegeben, je nach Messzyklus. Der mit niedrigen Drehzahlen rumschluffende, auf bis zu 14.000 Umdrehungen ausgelegte Reihen-Vierzylinder der Yamaha R1 nimmt sich 5,7 Liter. Dies sind 2,2 unnütz verfeuerte Liter mehr, als die heute exakt gleich schnelle Honda NC 750 S braucht, 60 Prozent mehr. Wie viele hochgezüchtete Supersport-Motoren hat die R1 einen hohen Minimalverbrauch, sie sind recht durstig im Teillastbetrieb.

Zweite Verbrauchsfahrt etwas sportlicher

In der zweiten Verbrauchsfahrt geben wir allen sechs Vehikeln etwas die Sporen, beschleunigen stärker (immer noch StVO-konform), entern die Autobahn, beschleunigen einmal kurz bis Tempo 160, ehe Bau­stellen das Sextett abbremsen. Hierbei steigt bei der Yamaha R1 der Verbrauch prozentual wie absolut kaum an, um nur 0,3 Liter. Die BMW R 1250 GS braucht nun 0,6, die Honda NC 750 S 0,7 Liter mehr. Logisch, ihre 55 PS kommen allmählich ans Limit. Dabei hat die Honda ohne Fahrer ein besseres Leistungsgewicht als der Porsche, vier Kilogramm je PS. Der große Audi-SUV mit dem “kleinen” Motor zeigt schon bei moderat flotterer Fahrt Mehrverbrauch auf 12,6 Liter, plus 20 Prozent. Hier müssen inkl. Fahrer fast zwei träge Tonnen angeschoben werden. Laut Pendlerportal.de sitzen durchschnittlich nur 1,3 Personen in einem Auto. Im Berufsverkehr sind es eher 1,1. Dann hockt in neun von zehn Autos bloß der Fahrer.

Fazit

Motorräder sind stets zur Hälfte ausgelastet. Im direkten Vergleich verbrauchen sie 50 Prozent weniger. Auch wenn noch mehr Ersparnis ginge: Wir sollten sie wieder mehr auf dem Weg zur Arbeit nutzen.

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