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Europa braucht den Verbrenner noch

europa braucht den verbrenner noch

Lieferungen sind bisher nicht klimaneutral. LKW parken auf einem Rastplatz an der A45 im Siegerland.

Das vegane Steak in der Supermarkttheke und die Rotoren einer Windkraftanlage haben eines gemeinsam: Sie erreichen ihren Bestimmungsort in der Regel per Lastwagen. Der Straßengüterverkehr ist das Rückgrat einer modernen, arbeitsteiligen Wirtschaft. Allerdings steht er auch für ein Viertel der verkehrsbedingten Kohlendioxidemissionen Europas. Den Warenverkehr klimaneutral zu gestalten, ist eine wichtige, wenngleich schwierigere Aufgabe, als reisende Menschen zum Umstieg auf Elektroautos oder andere Verkehrsträger zu bewegen.

Dies gilt schon deshalb, weil der Lastwagen für den Fuhrunternehmer ein Mittel zum Zweck und nicht der Zweck selbst ist. Denn der Zweck besteht darin, mit jedem Transport Geld zu verdienen. Die Anforderungen an ein Nutzfahrzeug ähneln denen, die Unternehmer an eine Werkzeugmaschine stellen. Es kommt auf hohe Verfügbarkeit und geringe Kosten an; gerechnet wird in Cent je Tonnenkilometer.

Wer diese Rechnung ohne staatliche Subventionen aufmacht, landet in der Regel auch heute noch bei einem einzigen Antriebsprinzip: dem Dieselmotor. Mit einem Marktanteil von 99 Prozent dominiert er nicht nur in schweren Nutzfahrzeugen, sondern ist über abgeleitete Varianten auch in mobilen Maschinen, Omnibussen und Notstromaggregaten zu finden.

Neue EU-Richtlinie soll technischen Fortschritt lenken

In dieser Situation erarbeitet die Europäische Kommission einen Vorschlag, der die bestehende Richtlinie für die CO2-Emissionen von Nutzfahrzeugen deutlich verschärfen soll. Erwartet wird die Publikation in den kommenden Tagen, ein durchgestochener Entwurf kursiert bereits in Brüssel und nicht nur dort. Gelingt es damit, technischen Fortschritt so zu lenken, dass Dieselmotoren vollständig durch klimaschonendere Alternativen zu ersetzen sind?

Im Grundsatz ähnelt die Lastwagenregulierung der Systematik für Personenwagen. Maßgebend sind die durchschnittlichen Flottenemissionen einer Herstellergruppe. Gezählt wird ausschließlich, was den Auspuff verlässt. Kraftstoffe auf Basis synthetischer Kohlenstoffverbindungen sind damit außen vor, selbst dann, wenn für deren Herstellung zuvor Kohlendioxid aus der Luft entfernt wurde. Strom und Wasserstoff hingegen werden, wiederum unabhängig von der Herstellung, stets als klimaneutral betrachtet.

Zu erfüllen sind diese Vorgaben durch batterieelektrische Antriebe oder die Brennstoffzelle, wobei die Zelle stets als Hybridsystem ausgeführt wird, mithin ebenfalls einen größeren Akku mitführt. Für einige Anwendungen in bestimmten Regionen sei der batterieelektrische Antrieb heute schon wettbewerbsfähig, äußerte der Entwicklungschef des größten europäischen Nutzfahrzeugherstellers dieser Tage – vorausgesetzt, die Infrastruktur stimme. Er mag an Ausschreibungsbedingungen der öffentlichen Hand gedacht haben, etwa für Linienbusse in Großstädten.

Wettbewerbsfähige Alternativen fehlen noch

Künftige Akkus, die ohne Nickel, Mangan und Kobalt auskommen und speziell für Nutzfahrzeuge konstruiert werden, sollen die Kosten-Nutzen-Rechnung verbessern. Einen wettbewerbsfähigen Brennstoffzellenantrieb hat keine einzige Herstellergruppe derzeit im Angebot. Durch Allianzen wie jene zwischen Daimler und Volvo Trucks mag sich das im Laufe der Dekade ändern.

In dieser Situation kommt dem Verbrennungsmotor die undankbare Rolle einer Brückentechnologie zu. Noch sauberer soll er werden, eine neue Abgasnorm ist ebenfalls in Vorbereitung. Das zwingt die Hersteller zu erheblichen Investitionen in eine Technologie, die im Heimatmarkt offiziell auslaufen soll. Eine Hintertür will die EU-Kommission aber doch offen lassen. Als emissionsfrei gelten voraussichtlich auch Nutzfahrzeuge, die weniger als ein Gramm CO2 je Tonne Nutzlast oder je beförderter Person und zurückgelegtem Kilometer ausstoßen. Dieser Grenzwert erlaubt es, Wasserstoff in einem Hubkolbenmotor zu verbrennen.

Für die häufig beschworene Resilienz Europas ist diese Regelung ein guter Schritt, denn um Erntemaschinen, Bergungskräne oder Militärfahrzeuge zu bewegen, sind Verbrennungsmotoren so unverzichtbar wie Computerchips. Das Wissen für die Entwicklung und den Bau von Verbrennungsmotoren in Europa zu halten, kommt einer Versicherung gleich. Sie macht unabhängiger von politischer Erpressung.

Deshalb sind die anstehenden Richtlinien so auszugestalten, dass der Verbrennungsmotor durch synthetische Kraftstoffe schnell klimafreundlicher werden kann. Sich nur auf Akkus und Wasserstoff zu fokussieren wäre zu kurz gesprungen. Eine funktionierende Logistik, basierend auf einer robusten Infrastruktur, ist ein hohes Gut.

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