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Zum Jubiläum im John-Player-Special-Outfit - Lotus Evija Fittipaldi Sondermodell

Der Marktstart hat sich mehrfach verzögert. Doch nun steht er kurz bevor. Die erste, auf wenige Exemplare limitierte Sonderserie mit dem Beinamen Fittipaldi erinnert an einen großen F1-Triumph vor 50 Jahren.

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Zum Jubiläum im John-Player-Special-Outfit – Lotus Evija Fittipaldi Sondermodell

Lange war es still um den Lotus Evija. 2021 hatte das erste Elektro-Hypercar der Briten noch mehrere öffentliche Auftritte, zum Beispiel beim Goodwood Festival of Speed oder bei der Monterey Car Week. Seitdem? Funkstille! Ist der Sportwagen inzwischen auf dem Markt? Bindet die parallele PR-Kampagne für den Elektro-SUV Eletre alle Ressourcen? Oder wurde Lotus erneut im Zeitplan zurückgeworfen, beispielsweise durch den Rechtsstreit mit dem ehemaligen Entwicklungspartner Williams Engineering?

Keine dieser Fragen lässt sich aktuell seriös beantworten. Klar ist nur: Der Evija meldet sich gerade zurück. Lotus legt ein Sondermodell des Sportwagens auf, das eines der erfolgreichsten Jahre im Motorsport feiert, das die Briten je hatten: In der Formel-1-Saison 1972, vor genau 50 Jahren also, gewann der Brasilianer Emerson Fittipaldi im Lotus Typ 72 fünf von elf Rennen. Er wurde souverän Fahrer-Weltmeister und Lotus holte sich den Konstrukteurspokal.

Evija im John-Player-Special-Outfit

Der Evija würdigt diese Triumphe mit einem Farbschema in den legendären John-Player-Special-Farben Schwarz und Gold, die – so will es der Zufall – ebenfalls 1972 debütierten. Neben der Karosserie tragen auch Bremssättel sowie die Räder dieses Finish, wobei sich deren Zentralverschlüsse unterscheiden: Links sind sie rot, rechts sind sie grün. Zudem prangt Fittipaldis Name an der Flanke und erinnern die fünf Embleme auf dem aktiven Heckflügel an jeden Grand-Prix-Sieg dieses so erfolgreichen Jahres. In das Kohlefaserdach des Evija wird eine Draufsicht des damaligen Formel-1-Boliden geätzt.

Passend dazu zeigt sich das Interieur gestaltet. Goldene Nähte finden sich nicht nur an Sitzen, Türverkleidungen und Armaturenbrett, sondern auch am Dachhimmel. Weitere Details wie die Einfassungen der Lüftungsschlitze, der zentrale Drehknopf, die Start-/Stopp-Taste und die Pedale tragen ebenfalls diese Farbe. Emerson Fittipladi ist in Form seiner Unterschrift auf dem Instrumententräger verewigt. Hinzu kommt der zentrale Drehknopf auf dem Armaturenbrett, der aus recyceltem Original-Aluminium des Typs 72 gefertigt wird.

Zudem spielt die Ziffer “8” bei dem Sondermodell eine entscheidende Rolle. Sie findet sich außen an den B-Säulen des Sondermodells – aus gutem Grund: Fittipaldis Auto trug in der Triumph-Saison diese Startnummer beispielsweise beim britischen Grand Prix, den er gewann. Bis heute haben genau acht Exemplare des mehrere Saisons eingesetzten Lotus Typ 72 überlebt. Folgerichtig umfasst die Fittipaldi-Sonderserie lediglich acht Autos, die alle schon verkauft sind und ab Anfang 2023 ausgeliefert werden.

Mehrfach verschobener Marktstart

Damit gibt es endlich wieder ein konkretes Lieferdatum für den Evija, der eigentlich schon Anfang 2020 auf den Markt kommen sollte. Dann kam die Corona-Pandemie und der Produktionsstart wurde auf Mitte 2021 verschoben. Es folgte die erwähnte Funkstille in Bezug auf das Auto, mit denen das kleine Lotus die Großen ärgern will.

Ein paar Zahlen gefällig? Der Lotus Evija soll in unter drei Sekunden auf Landstraßentempo beschleunigen. Er soll in weniger als neun Sekunden auf 300 km/h jagen. Nur mal so: Ein Lamborghini Aventador S mit 750 PS sprintet in 8,8 Sekunden auf “nur” 200 km/h. Dazu soll der rein elektrisch angetriebene Evija 400 Kilometer weit kommen nach dem Messzyklus WLTP. Und die Batterie soll in 18 Minuten wieder vollgeladen sein.

“Mit diesem Hypercar zeigen wir und Geely, wie ernst es uns ist. Wir wollen keine leeren Versprechungen abgeben, sondern Lotus-typische Sportwagen bauen. Mit diesem Hypercar zeigen wir, dass wir wieder ganz oben mitmischen wollen bei der Technologie”, sagt Lotus-Sportwagen-CEO Phil Popham. Der Evija ist das 130. Modell der Firmengeschichte, sofern man neben den Straßenautos auch alle Rennwagen mitrechnet. Deshalb wird der angestrebte Überflieger intern auch Type 130 genannt. Und deshalb werden genau 130 Exemplare gebaut.

Vier Motoren à 500 PS

Das Hypercar ist das erste echte neue Auto von Lotus seit 2008 und das erste große Projekt der Engländer, seit der heranwachsende chinesische Auto-Riese Geely sich den kleinen Sportwagenbauer mit der großen Tradition einverleibt hat. Lotus soll das Sportwagen-Aushängeschild von Geely werden. Und weil die Chinesen den Elektroantrieb pushen, baut Lotus mit dem Evija ein vollelektrisches Hypercar mit Allradantrieb.

Für jedes Rad ist ein Elektromotor zuständig. Lotus will jeweils eine Leistung von gut 500 PS erzielen. Das wären in Summe mehr als 2.000 PS. Das maximale Drehmoment soll über 1.700 Newtonmeter betragen. Jeder Elektromotor wird zusammen mit einem Eingang-Planetengetriebe und einem Wechselrichter (Inverter) in einem Zylinder verpackt. Die sogenannte Electrical Drive Unit (EDU) liefert Getriebespezialist Xtrac. E-Motor und Inverter für dieses Packet steuert das Unternehmen Integral Powertrain Ltd bei.

Für die Entwicklung des Evija spannt sich Lotus mit mehreren Firmen und Zulieferern zusammen. Was nicht ohne Probleme läuft. Beispiel Batterien: Deren Entwicklung hat Williams Advanced Technologies übernommen. Allerdings warf Lotus den Landsleuten im Sommer 2020 Lieferschwierigkeiten vor, kündigte den Vertrag und will die Akkus nun selbst fertig entwickeln – mit der Folge, dass Williams die Kündigung juristisch anfechtet. Doch wer auch immer am Ende für die Batterien verantwortlich ist: Lotus verpackt sie wie einen Mittelmotor zwischen dem Cockpit und der Hinterachse. “Das Auto liegt so tief, dass wir in den Unterboden nicht noch flächendeckend Zellen packen können”, sagt Design-Direktor Russell Carr. Die Bodenfreiheit beträgt 105 Millimeter.

Ziemlich schwer für einen Lotus

Das Hypercar ist kompakt in der Länge, geht dafür ordentlich in die Breite. Es ist 4,46 Meter lang, zwei Meter breit und 1,12 Meter hoch. Für das Gewicht peilt Lotus 1.680 Kilogramm an. Lotus predigt zwar Leichtbau, doch das ist angesichts der schweren Batteriepakete nicht möglich. Der Evija ist mehr als doppelt so schwer wie zum Beispiel die erste Elise von 1996, obwohl das einteilige Carbon-Chassis nur 150 Kilogramm wiegt. Es wird von der italienischen Firma CPC gebaut.

Die Kapazität der Lithium-Ionen-Batterie beträgt 70 Kilowattstunden. Lotus verspricht, dass die leergesaugten Speicher an einer Super-Schnellladestation mit einer Ladeleistung von 350 Kilowatt in weniger als 20 Minuten vollständig geladen sein sollen. Der Evija kennt fünf Fahrmodi: Range, City, Tour, Sport und Track. Lotus kündigt an, dass das Hypercar im Rennstrecken-Modus mindestens sieben Minuten mit voller Leistung durchhält. Ansonsten soll der Elektro-Sportwagen nach WLTP-Messzyklus maximal 400 Kilometer weit kommen (im Modus Range vermutlich). Um das zu erreichen, wird der Evija auf der Autobahn vermutlich wie die meisten Tesla auf der rechten Fahrspur mit konstanter Geschwindigkeit kriechen.

Lotus mixt bei seinem Hypercar weiche Linien mit Kanten an den Radhäusern und Sicken, zum Beispiel an den Flanken. Der Evija hat kräftige Schultern, eine Kampfjet-artige Kuppel, und folgt den typischen Proportionen eines Hypercars. Flach, nach vorn gezogenes Cockpit, kurze Überhänge. Das Bodywork des Type 130, das wird auf den ersten Blick klar, dient in allererster Linie der Aerodynamik. Die Luft soll über den Fahrzeugkörper strömen, am Unterboden entlang und durch die Karosserie hindurch. “Der Abtrieb ist enorm”, sagt Lotus, ohne Zahlen zu nennen. Müssen wir wie alles andere erst einmal glauben, weil wir es nicht überprüfen können.

Aerodynamik bestimmt das Design

Gehen wir von vorn nach hinten durch. Da fallen direkt die schmalen Leuchten auf, die denen des Ferrari 488 ähneln. Sie erhellen die Dunkelheit mit Laserlicht (Abblend- und Fernlicht). Daneben dringt die Luft in dreiecksförmige Öffnungen ein. Die Fahrzeugfront ist dreigeteilt. Den zentralen Kanal, der von zwei Stelzen eingegrenzt wird, nutzen die Ingenieure zur Kühlung der Batterien. Allein vier Kühler sollen die Temperaturen der Energiespeicher senken. Die seitlichen Kanäle kühlen die vorderen Elektromotoren. Im Erdgeschoss verbaut Lotus einen mehrteiligen Splitter, der Anpressdruck erzeugen soll.

Dreieckförmige Einsparungen prägen die Flanke. Es gibt keine Rückspiegel, sondern ausfahrbare Kameras. Lotus bringt sie im hinteren Teil der vorderen Kotflügel unter. Hinzu kommt eine Dachkamera. Das soll die Rundumsicht verbessern. Auffälligstes Merkmal in der Seitenansicht sind die großen Luftkanäle, die sie dem Evija vor die hinteren Kotflügel gestanzt haben. Das erinnert an den Ford GT. Die Luft, die hier eintritt, strömt im Heck aus.

Wo wir bei der Schokoladenseite des Type 130 wären. Um die Austrittsöffnung verlegen die Lotus-Designer eine LED-Lichterkette als Rückleuchten. Das sieht genauso spektakulär aus wie der übermächtige Diffusor mit zentralem, zweigeteiltem Schacht und aktiver Aerodynamik. “Ohne Mittelmotor und angeschlossenes Getriebe können wir den Diffusor früher ansteigen lassen”, sagen die Designer. Der Diffusor beginnt bereits ab der B-Säule. Bei hohen Geschwindigkeiten soll ein ausfahrbarer Heckspoiler. zusätzlichen Abtrieb spenden.

1,75 Millionen Pfund plus Steuern

Der Evija soll elektronisch begrenzte 350 km/h erreichen. Das DRS (Drag Reduction System) senkt den Luftwiderstand, indem der Flügel dann nach hinten klappt. Untypisch für ein Elektroauto ist wohl der Sound des Hypercars: “Es klingt wie ein Düsentriebwerk”, bemerkte Ex-Formel-1-Weltmeister und Markenbotschafter Jenson Button nach einer Probefahrt.

All das hat natürlich seinen Preis. 1,75 Millionen Pfund plus Steuern kostet das erste vollelektrische Hypercar aus Großbritannien. Die Bestellbücher sind geöffnet. Wer eines haben will, muss erstens schnell sein und zweitens 250.000 Pfund anzahlen.

Die beiden Insassen sitzen knapp hinter der Vorderachse. Der Innenraum suggeriert Leichtbau. Das Armaturenbrett, das sechs Lüftungsdüsen trägt, ist dünn und auf der Beifahrerseite ausgeschnitten. Heißt: Man sieht die Beine. Die Carbon-Schalensitze sparen Gewicht. Für den Komfort will sie Lotus aber ordentlich polstern. Der Fahrer greift in ein oben und unten abgeflachtes Lenkrad. Darauf platziert Lotus einen roten Drehregler für die fünf verschiedenen Fahrmodi. Die Mittelkonsole ist sehr schmal und verläuft ungefähr im 60-Grad-Winkel zum Armaturenträger. Darauf platziert Lotus rautenförmige Schalter für Klima, Infotainment, Parkbremse. D, N, R: nichts Handschalter.

Nur im Track-Modus die volle Leistung

Gehen wir die Fahreinstellungen durch. In “Range” (Reichweite) ist der Evija ein Hecktriebler, leistet knapp über 1.000 PS und liefert maximal 800 Nm. Mit dem “City Modus” verhält es sich ähnlich – allerdings ist die Rekuperation weniger stark ausgeprägt. Ab dem “Tour Modus” wird der Evija zum Allradler und das maximale Drehmoment von 1.700 Nm liegt an. Allerdings wird die Leistung auf 1.400 PS beschränkt. Bei Geschwindigkeiten von unter 30 Meilen pro Stunde (48,3 km/h) kann die Nase wie in “Range” und “City” angehoben werden, um besser über Geschwindigkeitsbuckel zu kommen. Im “Sport-Modus” erhöht Lotus die Leistung auf 1.700 PS. Erst ab dem “Track-Modus” sollen die vollen 2.000 PS ausgeschüttet werden. Systeme wie Torque Vectoring sind dann maximal geschärft.

Leichtbau, Effizienz, Aerodynamik, Rennsport-Erbe, Kurvengeschwindigkeit, Prestige: Das soll das Hypercar vermitteln. Es soll Trends setzen, britisch und ehrlich sein. Die Formensprache folgt dem Wunsch nach Anpressdruck und nicht in erster Linie nach Schönheit. Sieht aber trotzdem gut aus. Teile des Designs will Lotus auf zukünftige Modelle übertragen. “Wir wollten mit etwas Extremem starten und dann weitermachen.”

Extrem, da hat Lotus noch ein paar Zahlen für uns. Den Zwischenspurt von 100 auf 200 km/h geben die Engländer in weniger als drei Sekunden an. Auch das will erst einmal bewiesen werden. Von 200 auf 300 Sachen sollen weniger als vier Sekunden vergehen. Der Evija soll nicht nur geradeaus schnell sein. Deshalb die hochgestochene Aerodynamik. Deshalb klebrige Semi-Slick-Reifen vom Typ Pirelli Trofeo R. Sie zieht man auf 20 und 21 Zoll große Magnesium-Räder. Und deshalb Torque Vectoring. Die individuelle Drehmomentzufuhr soll den Evija zu einem Kurven-Dynamiker machen. Gefühl am Lenkrad soll die elektrohydraulische Servolenkung vermitteln, eine anständige Verzögerung die Carbon-Keramik-Bremsanlage gewährleisten.

Hypercar kein Schnellschuss

Das Hypercar verdeutlicht: Lotus und vor allem Eigentümer Geely meinen es ernst. Es ist ein erster Schritt, dem noch viele weitere folgen sollen, um aus einem Dauer-Sorgenkind, das über Jahre am Abgrund lebte, einen profitablen Sportwagenhersteller zu machen. Schon einmal wollte Lotus etwas Extremes, etwas Verrücktes bauen, ein Hypercar für die 1980er, erzählen sie. Das Experiment wurde eingestellt. Dieses Mal aber, dieses Mal baut es Lotus tatsächlich. Und man überstürzt es nicht. Man erzählt, Lotus hätte den Type 130 schon 2018 vorstellen können. Doch Neu-Chef Phil Popham habe nach seinem Amtsantritt im Oktober auf die Bremse gedrückt. Nach dem Motto: Wir machen keinen Schnellschuss. Weil dieser Treffer sitzen muss. Damit die Welt nicht nur weiß, wofür Lotus früher einmal stand, sondern immer noch steht.

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