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VW Tiguan im Test: Wirklich ein Allround-Talent?

Sorry, Tiguan: Als meistverkauftes Volkswagen-Produkt gilt die hauseigene Currywurst. Unter den Autos aber ist das Kompakt-SUV dann doch der weltweite Bestseller. Diesen Erfolg verdankt der Tiguan nicht zuletzt seiner Vielseitigkeit. Und als klassischer Antrieb beliebt ist noch immer ein kräftiger Diesel. Im Tiguan 2.0 TDI SCR leistet er 193 PS, die per Allradantrieb auf die Straße gebracht werden.

vw tiguan im test: wirklich ein allround-talent?

VW Tiguan: Mit 4,54 Metern Länge ordnet er sich unter den Kompakt-SUVs ein. Hersteller

Was er ist:

Ein Klassiker im VW-Programm, der seine Karriere bereits im prä-elektrischen Zeitalter begonnen und bis heute erfolgreich fortgesetzt hat. Weltweit verkauft sich kein Volkswagen besser als der Tiguan, auch den Golf stellt er in den Schatten. Gebaut wird das Kompakt-SUV seit 2007, die aktuelle, dritte Generation ist noch sehr neu und erst 2024 auf den Markt gekommen.

Der Tiguan III wird nurmehr als 4,54 Meter lange Standardversion angeboten, denn die bis zu siebensitzige, gestreckte Variante “Allspace” musste mit dem Modellwechsel gehen. Ein Nachfolger steht aber bereits in den Startlöchern. Er wird “Tayron” heißen, im Oktober 2024 debütieren und im ersten Halbjahr 2025 zu den Händlern fahren.

Wie er aussieht:

Ein neues Modell anders als den Vorgänger und doch vertraut aussehen zu lassen, das ist eine Kunstform, die kein anderer Hersteller so perfekt beherrscht wie VW. Auch beim Tiguan III hat man von Experimenten den Zeichenstift gelassen. Die bisher gepflegte Kantigkeit wurde entschärft und aerodynamisch rundgeschliffen, das kommt gut, aber nicht beliebig rüber, zumal der Wolfsburger mit seinem hoch aufbauenden Bug, den großen Lufteinlässen und den athletischen Schultern ein ziemlich selbstbewusstes Erscheinungsbild vermittelt.

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Wie er eingerichtet ist:

Im Innenraum herrscht der markentypisch solide Qualitätseindruck vor, wenngleich sich unter Klavierlack und Leder (Option) auch das eine oder andere uncharmante Hartplastikteil mischt. Gut gelungen ist aber das Bedienkonzept, und das konnte man zuletzt nicht von jedem VW-Modell sagen, vor allem die ID-Familie und der Golf 8 haben sich zu Recht viel Missmut eingehandelt. Auf diesen hat VW aber reagiert. Als Einfallstor ins Infotainment fungiert im Tiguan III ein ausstattungsabhängig 13 oder 15 Zoll großer Touchscreen, dessen Benutzeroberfläche verschiedene Layouts anbietet, die sich dann mit den individuell gewünschten Inhalten befüllen lassen.  Am unteren Rand des Bildschirms erlaubt eine “Bottom Bar” genannte Leiste direkten Zugriff auf die Klimatisierungsfunktionen, die “Top Bar” am oberen Ende kann wiederum je nach persönlichem Gusto bestückt werden.

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Die klare Wegführung durch die Menüstruktur macht es einfach, mit den vielfältigen Möglichkeiten des fix reagierenden Infotainments umzugehen. Noch immer suboptimal finden wir die Slider für Temperatur- und Lautstärkeregelung, immerhin sind sie jetzt aber beleuchtet, und Gemecker wollen wir uns auch insofern schenken, als VW auf der Mittelkonsole den neuen Fahrerlebnisschalter platziert hat – einen sehr praktischen Rundling mit integriertem OLED-Display, über den sich nicht nur der Audiopegel, sondern (dann per Druck) auch die Fahrmodi und beim Allradmodell die Offroadprogramme einstellen lassen.

Zurück zu alten, aber bewährten Tugenden kehrt auch das Multifunktionslenkrad, an dem wieder haptische Taster die fummeligen Touchflächen abgelöst haben. Und dass der Wählhebel für die Fahrstufen an der Lenksäule sitzt, mag zwar gewöhnungsbedürftig sein, schafft zwischen den Vordersitzen mehr Platz für Ablagen und eben den Fahrerlebnisschalter.

Das Smartphone kommuniziert kabellos via Apple CarPlay oder Android Auto mit dem Infotainment, die induktive Ladefläche ist für zwei Geräte ausgelegt. Die Sprachsteuerung heißt “IDA”, hat uns allerdings nicht immer so verstanden, wie wir uns das gewünscht hätten. Sehr gut untergebracht haben wir uns auf dem bequemen Ergo-Aktiv-Plus-Fahrersitz gefühlt, der beheiz- und belüftbar ist und neben einer Massagefunktion auch eine verschiebbare Oberschenkelauflage aufweist. Der Tiguan “Elegance” hat ihn serienmäßig, ansonsten muss er hinzugebucht werden, was allerdings happige 2175 Euro kostet, weil das entsprechende Paket ein Pendant auf der Beifahrerseite und obendrein Lederausstattung umfasst.

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Wie viel Platz er hat:

Der Tiguan streicht nicht nur für sein großzügiges Raumangebot, sondern auch für seine Variabilität und Funktionalität Pluspunkte ein. Die Rücksitze lassen sich ausstattungsabhängig längs verschieben und besitzen neigungsverstellbare Lehnen, der stattlich dimensionierte und mit einer 12-Volt-Steckdose ausgestattete Kofferraum bietet ein Ladevolumen von 652 Litern, bei umgeklappten Rücksitzlehnen wächst sich das zu 1650 Litern und einer nahezu ebenen Ladefläche aus.

An dieser Stelle sei auch die stattliche Anhängelast von bis zu 2300 Kilogramm erwähnt. Die über einen Knopf im Kofferraum zu entriegelnde Anhängerkupplung gibt es im Paket mit dem Anhängerrangierassistenten (1260 Euro), der bei rückwärts gerichteten Fahrmanövern hilfreiche Unterstützung leistet.

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Was ihn antreibt:

Ein Zweiliter-Vierzylinder-TDI mit 142 kW/193 PS und 400 Newtonmetern Drehmoment. Die Antriebskräfte werden bei dieser Motorvariante grundsätzlich an alle vier Räder (4Motion) verteilt. Immer serienmäßig beim Tiguan ist ein 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe.

Die Antriebsvielfalt des Wolfsburger Kompakt-SUVs lässt vielerlei Wahlmöglichkeiten zu. Alternativ gibt es noch eine kleinere TDI-Ausbaustufe mit 110 kW/150 PS. Daneben stehen 48-Volt-Mildhybridbenziner mit 96 kW/130 PS und 110 kW/150 PS bereit, ferner Plug-in-Hybride mit 110 kW/150 PS und 130 kW/177 PS. Als stärkste Modellvariante nutzt der Zweiliter-TFSI-Benziner die Power von 195 kW/265 PS.

Wie er sich fährt:

Wunderbar. Vor allem Langstreckenfahrer und -fahrerinnen werden am TDI-Tiguan ihre Freude haben, denn charakterlich ist er eher Marathonläufer als heißblütiger Powersprinter. Sehr kräftig agiert er, sehr gesittet, und selbst bei höherem Tempo – möglich sind 220 km/h – hört man nicht viel von ihm. Serienmäßig ist die adaptive Fahrwerksregelung “DCC Pro” verbaut, die pro Dämpfer mit zwei Ventilen arbeitet, je einem für Zug- und Druckstufe, auf diese Weise soll sich eine bestmögliche Spreizung zwischen sportlichem und komfortablem Fahrverhalten erreichen lassen. Als angenehmsten Fahrmodus haben wir “Komfort” erlebt, auch gröbere Asphaltflicken bügelt er umstandslos aus, das trägt um ein weiteres zum ebenso entspannten wie ermüdungsarmen Vorankommen bei.

Das Gegenprogramm heißt “Sport”, es lässt den Tiguan die Muskeln anspannen, die ansonsten etwas gefühlsarme Lenkung spricht direkter an und die Kurvendynamik gewinnt an Schärfe, wobei in zügig angegangenen Serpentinen ein leises Schunkeln bauartbedingt nicht ausbleibt. Und die “Individual”-Einstellung erlaubt es, ein ganz persönliches Fahr-Feeling zu komponieren.

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Was er verbraucht:

Auf unserer Sparrunde haben wir den Tiguan 2.0 TDI 4Motion mit 5,4 Litern pro 100 Kilometern bewegt. Dazu war aber schon eine gewisse Umsicht erforderlich, knapp 1,8 Tonnen wollen schließlich in Bewegung versetzt und gehalten werden. Im Schnitt sind wir auf 7,1 Liter gekommen.

Was er bietet:

Das Basismodell “Life” bringt unter anderem 17-Zoll-Leichtmetallräder, schlüsselloses Startsystem, Ambientebeleuchtung, 13-Zoll-Infotainment (ohne Navi) sowie Fahrprofilauswahl mit. An Assistenzsystemen sind beispielsweise automatische Distanzregelung, Rückfahrkamera, Verkehrszeichenerkennung, Spurhalte-, Spurwechsel- und Ausparkassistent mit Ausstiegswarner an Bord. Auch die adaptive Fahrwerksregelung DCC Pro gehört zum serienmäßigen Lieferumfang.

Unser Testwagen in “Elegance”-Ausstattung fügte dem noch einiges hinzu: Die längs verschiebbare und mit neigungsverstellbaren Lehnen ausgestatteten Rückbank, den Ergo-Activ- Fahrersitz, ferner eine Dreizonen-Klimaautomatik, eine sensorgesteuert elektrische Heckklappe, den in zwei Höhen einstellbaren Gepäckraumboden, außerdem Abbiege- und Schlechtwetterlicht, Fernlichtassistent sowie elektrisch anklapp- und beheizbare Außenspiegel mit Memory-Funktion.

Da geht freilich noch mehr. An Versuchungen hält die Aufpreisliste Extras wie das Harman-Kardon-Soundsystem (735 Euro) oder das Assistenzpaket “IQ-Drive (unter anderem Abstandstempomat, streckenbasierte Geschwindigkeitsregelung, adaptive Spurführung, 1030 Euro) bereit, auch das aufwendigere 15-Zoll-Infotainment „Discover Pro Max” mit Navi (2640 Euro), das Head-up-Display (800 Euro), die Progressivlenkung, die 230-Volt-Steckdose im Gepäckraum (170 Euro), die sinnvolle Netztrennwand (200 Euro) oder das fabelhafte IQ-Light mit HD-Matrix-Scheinwerfern (495 Euro) mögen Begehrlichkeiten wecken.

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Was er kostet:

Als “Life” ab 51.245 Euro, als “Elegance” ab 56.465 Euro. Schon das ist selbstbewusst. Unter Hinzufügen der genannten Extra-Wünsche kommt der Kunde der 70.000-Euro-Grenze bedenklich nahe.

Was wir meinen:

Der Tiguan 2.0 TDI 4Motion ist tatsächlich ein vielseitiges und qualitativ hochwertiges Allroundtalent. Mit seinem geräumigen und obendrein variablen Innenleben empfiehlt sich der Wolfsburger als Familientransporteur, der kräftig-kultivierte Diesel macht ihn zum versierten Langstreckenläufer. Das weitgehend “knopflose” Bedienkonzept mit Fokussierung auf Touchscreen und Fahrerlebnisschalter ist gut umgesetzt. Herummäkeln lässt es sich an den harten Kunstoffelementen im Innenraum. Und schade, dass es den 193-PS-Selbstzünder nur mit Allrad-, nicht aber mit Frontantrieb gibt. Eine solche Alternative würde nicht nur den Preis, sondern auch den Verbrauch etwas freundlicher gestalten.

Ulla Ellmer

Datenblatt VW Tiguan 2.0 TDI 4Motion

Antrieb Diesel, 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Allradantrieb

Hubraum 1968 ccm

Zylinder 4

Leistung 142 kW/193 PS

max. Drehmoment 400 Nm bei 1750 – 3250/min

Höchstgeschwindigkeit 220 km/h

Beschleunigung 0 – 100 km/h 7,7 sec

Kraftstoff Diesel

Normverbrauch WLTP 6,1 l/100 km

Testverbrauch 7,1 l/100 km

CO2-Emission 161 g/km

Schadstoffnorm Euro 6 EA

Energie-Effizienzklasse F

Länge 4,54 m

Breite 1,84 m ohne, 2,14 m mit Außenspiegeln

Höhe 1,66 m

Sitzplätze 5

Gepäckraum 652 – 1650 l

Kraftstoff-Tank 58 l

AdBlue-Tankfüllmenge 12 l

Leergewicht 1760 kg

zulässiges Gesamtgewicht 2220 kg

Anhängelast 750 kg (gebremst), 2200 kg (ungebremst)

Stützlast 100 kg

Versicherungs-Typklassen 12 (KH), 23 (TK), 25 (VK)

Grundpreis 51.245 Euro

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