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Ohne KI geht es nicht

Künstliche Intelligenz revolutioniert den Mobilitätssektor. Experten von SAP, Bosch und HUK-Coburg zeigen auf, wie KI den Automobilbau und die Versicherungsbranche transformiert.

ohne ki geht es nicht

© Andrew Timmins
Fürs autonome Fahren braucht man im Fahrzeug starke Rechner. Was sie leisten und wie sie aufgebaut sind, zeigt beispielsweise Nvidia mit dem KI-Hochleistungscomputer Drive AGX Pegasus

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© Franziska Moltenbrey
Künstliche Neuronen arbeiten häppchenweise: Bis die KI ein Straßenschild als solches erkennt und lesen kann, dauert es. Zuerst werden mehrere Bilder davon in kleine Stückchen zerlegt und von verschiedenen Algorithmen analysiert, mit bekannten Mustern verglichen und zugeordnet. Das Ergebnis in diesem Beispiel: ein Verkehrsschild mit Tempolimit 50.

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© Franziska Moltenbrey
Die KI bügelt Schlaglöcher aus: Über Kameras und Sensoren im Fahrwerk können Fahrbahnschäden erkannt und ausgeglichen werden. Zudem werden andere Verkehrsteilnehmer und die Verkehrsleitzentrale informiert, die sich um die Sanierung kümmern kann oder dafür sorgt, dass die Routenplanung anderer Fahrzeuge die Gefahrenstelle vermeidet.

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Die theoretischen Prinzipien sind zum Teil Jahrzehnte alt, es mangelte jedoch lang an leistungsfähigen Computern. Nach einer Durststrecke hat Künstliche Intelligenz in den letzten Jahren jedoch riesige Fortschritte gemacht und spielt inzwischen in vielen Bereichen unseres Lebens eine wichtige Rolle. Gerade der Mobilitätssektor profitiert von der Anwendung Künstlicher Intelligenz, wie unter anderem Experten von SAP, Bosch und HUK-Coburg auf dem KI-Fachtag im Rahmen des diesjährigen auto motor und sport-Kongresses schilderten.

Dr. Thomas Körzdörfer, HUK-Coburg Versicherungsgruppe

Dass bei vielen Autofahrern die Liebe zu ihrer Versicherung nicht ganz so riesig ausfällt, ist Thomas Körzdörfer durchaus bewusst. Der oberste Daten-Analyst der HUK-Coburg Versicherungsgruppe weiß, dass es den meisten Menschen bei ihrer Kfz-Versicherung vor allem auf zwei Dinge ankommt: Dass der Versicherungsschutz möglichst wenig kostet und dass im Falle eines Schadens schnell ausbezahlt wird. Andere Aspekte spielen bei der Wahl einer Versicherung keine große Rolle.

Um den beiden Haupt-Wünschen der Kunden gerecht zu werden, nutzt die HUK die Hilfe von Künstlicher Intelligenz. Beispiel Preis: Schon seit 2016 bietet die Versicherung Online-Tarife an, mit denen Autofahrer bis zu 30 Prozent ihrer Beiträge sparen können – indem sie ihr Fahrverhalten per Handy-App mit der HUK teilen und von einer KI analysieren lassen. Je vorsichtiger und entspannter jemand fährt, desto höher fällt der Rabatt aus.

Bisher mussten Autofahrer über jahrelanges unfallfreies Fahren quasi beweisen, dass sie sicher unterwegs sind und zukünftig zu Recht in eine günstigere Schadensfreiheitsklasse aufgenommen werden können. Das Tolle an den Online-Tarifen: Der KI genügen schon zehn Minuten Fahrt mit der HUK-App, um sagen zu können, wie sicher jemand fährt. Die Algorithmen hinter diesen Berechnungen wurden seit dem Start 2016 permanent weiterentwickelt. Aktuell fließen die Erfahrungen von 19 Milliarden gefahrenen Kilometern in die Berechnungen ein. So lässt sich inzwischen sagen, dass Autofahrer mit einem höheren Unfallrisiko dazu neigen, aus dem Stand schnell anzufahren und mit hohem Tempo durch Kurven zu brausen. Doch der Algorithmus kann unterscheiden: In Kreisverkehren zügig zu fahren, deutet noch nicht auf eine höhere Unfallwahrscheinlichkeit hin. Auch das absolute Tempo spielt nicht Hauptrolle, sondern der Unterschied zwischen eigener Geschwindigkeit und der anderer Verkehrsteilnehmer.

Die Online-Tarife bringen auch der HUK Vorteile: So berichtet Körzdörfer, dass Autofahrer, die höhere Rabatte eingefahren haben, als Kunden eher treu bleiben. Wer hingegen schlechter abschneidet, wechselt aus Frust mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Konkurrenz. Über die Jahre schafft sich die HUK damit einen Kundenstamm, der eine geringere Unfallwahrscheinlichkeit aufweist.

Ein Online-Tarif nutzt Kunden auch bei ihrem zweiten Haupt-Wunsch an eine Kfz-Versicherung, der schnellen Schadensregulierung. Die App nutzt nämlich die im Handy verbauten Beschleunigungssensoren, um Unfälle automatisch zu erkennen. Im Monat werden derzeit schon rund 900 Unfälle von der App gemeldet. Der Prozess der Schadensregulierung beginnt damit quasi schon im Moment des Unfalls. Als nächster Schritt ist eine KI-gestützte Ermittlung der Schadenshöhe geplant: Zusammen mit der Dekra arbeitet die HUK an einem Projekt, das auf Bilderkennung basiert. Autofahrer machen hierfür nach einem Schaden Fotos des demolierten Fahrzeugs, aus denen dann eine mit Unfallbildern trainierte KI den Reparaturaufwand berechnet. Über die Fahrzeugidentifikationsnummer kennt das System die verbauten Optionen, weiß also beispielsweise, wo Sensoren unter dem Blech versteckt sind, und welche beschädigt sein könnten. Eine 100-prozentige Genauigkeit bietet das KI-gestützte Verfahren zwar nicht, doch auch Gutachter aus Fleisch und Blut kommen bei ein und demselben Unfallfahrzeug zu teils völlig verschiedenen Kostenvoranschlägen. Schon bald soll der gesamte Prozess der Schadensregulierung KI-gestützt ablaufen, inkl. Wahl einer Werkstatt, die zum spezifischen Unfallschaden passt.

Dr. Matthias Klauda, Robert Bosch GmbH

Wenn von Künstlicher Intelligenz die Rede ist, hören wir häufig, dass die schlauen Rechner mit ihren neuronalen Netzwerken unser Leben schlagartig umkrempeln. Es wird von Disruption gesprochen, die bisherige Geschäftsmodelle zerstört und vorhandene Technologien durch neue ersetzt. Aber ist das tatsächlich so? Oder wird es nicht – wie meistens in der Vergangenheit – zu einer kontinuierlichen Entwicklung, einer Transformation kommen?

Zumindest was den Automobilbau betrifft, wagt Boschs Bereichsleiter für Forschung und Entwicklung Matthias Klauda einen Blick in die Zukunft. Mit über 15.000 eigenen Programmierern gehört Bosch zu den Unternehmen mit der größten Software-Expertise im Automobil-Sektor. Im Großen und Ganzen, so die Kurzform seiner Analyse, seien die Autohersteller in einem kontinuierlichen Transformationsprozess, der durch die neuen KI-Werkzeugen immerhin beschleunigt und unterstützt wird.

In einigen Bereichen komme es aber sehr wohl zu einer sprunghaften Veränderung. Wer hier nicht mitzieht, werde sehr bald von der Konkurrenz abgehängt. Als ein Beispiele nennt Klauda die Erstellung von Software. Generative KI hat gezeigt, dass sie schon heute sehr gut darin ist, Programmcodes zu produzieren. Zukünftig werden KI-Agenten jedoch noch viel mehr übernehmen, etwa im Vorfeld die Anforderungen an eine Software festlegen ebenso den grundsätzlichen Aufbau oder das Testen des fertigen Gesamtsystems.

Fahrerassistenzsysteme und das Autonomes Fahren sind für Klauda ein weiterer Bereich, in dem KI für Disruption sorgt. Selbstfahrende Autos, aber auch simplere Level 2-Systeme können nur dann sicher funktionieren, wenn ihre Kameras alle Verkehrssituationen schon einmal gesehen haben und daher wissen, was zu tun ist. Daher werden die Bilderkennungsalgorithmen mit Videos realer Autofahrten trainiert, um eine möglichst breite Abdeckung unterschiedlichster Verkehrssituationen zu erhalten.

Viele Situationen kommen im Straßenverkehr jedoch so selten vor, dass es Jahre dauern würde, mit eigenen Kamera-Fahrzeugen Videos aller möglichen Verkehrssituationen aufzunehmen. Für das Trainingsprogramm der KI gibt es dann schlicht zu wenig Daten. Eine auf der Straße liegende Palette kann ein solches seltenes Ereignis sein, das selbst in Tausenden von Fahrvideos nicht auftaucht. Zudem muss die Bilderkennung auch nachts oder bei schlechtem Wetter funktionieren, es werden also auch Trainingsdaten mit herumliegenden Paletten bei Nacht oder im Regen benötigt. Und die Palette ist nur ein Beispiel für viele seltene Ereignisse.

Hier kommt Künstliche Intelligenz ins Spiel: Über generative KI kann Bildmaterial von Verkehrssituationen auch am Rechner erzeugt werden. In ein vorhandenes Video lässt sich eine herumliegende Palette einfügen, ebenso wie Regen oder Dunkelheit. So lassen sich die autonomen und teilautonomen Systeme in kürzerer Zeit weiterentwickeln, noch dazu bei geringeren Kosten. Bis 2030 dürften nach Schätzung Klaudas ca. 80 Prozent aller weltweit gebauten Autos mindestens Level-2-Funktionen beherrschen, rund zehn Prozent sogar Level-4-Funktionen, die in bestimmten Situationen keinen Fahrer mehr als “Aufpasser” benötigen. KI sei Dank.

Hagen Heubach, SAP

Wenn jemand Einblicke in die gesamte Automobilwirtschaft hat, dann ein Unternehmen wie SAP. 94 Prozent aller Autohersteller arbeiten schließlich mit SAP-Systemen, 87 Prozent des weltweiten Handelsvolumens geht durch SAP-Prozesse. Hagen Heubach, Automotive-Chef bei SAP kennt seine Kunden und weiß daher, dass in vielen Abteilungen und Bereichen noch ungenutzte Einsatzmöglichkeiten für KI-Technologien schlummern. Die Relevanz von KI scheint in der Branche immerhin bekannt zu sein. So hat das IT-Beratungsunternehmen IDC in einer Studie ermittelt, dass Autofirmen ihre KI-Investitionen in den nächsten fünf Jahren um knapp 30 Prozent pro Jahr erhöhen werden, ein Drittel davon fließt in Generative KI. Ziel eines Autoherstellers sollte es sein, manuelle Handlungen in automatisierte Prozesse zu überführen. Die Zeit vom ersten Konzept bis zur Marktreife eines neuen Fahrzeuges könnte drastisch verkürzt werden, stellt Heubach in Aussicht.

Am einfachsten lassen sich Prozesse automatisieren, wenn die hierfür notwendigen Daten bereits in strukturierter Form vorliegen wie etwa in der Buchhaltung, wo Zahlen aus Tabellen entnommen werden können. Die Frage, ob Kunde X schon Rechnung Y bezahlt hat, muss längst nicht mehr manuell geklärt werden.

Es gibt jedoch auch viele Bereiche, in denen unstrukturierte Daten vorliegen, beispielsweise große Textmengen. Hier sind KI-Helfer gefragt, die die Daten zunächst in den korrekten Kontext setzen, bevor sie für automatisierte Prozesse verwendet werden können. Hierfür müssen sie mit den optimalen KI-Werkzeugen aufbereitet werden.

Für SAP gelten für den Umgang mit KI drei Grundsätze: Relevanz, Verlässlichkeit, Vertrauen. Es sollte keine KI nur der KI wegen verwendet werden, die Ergebnisse müssen korrekt sein und ethischen Prinzipien folgen. Gerade bei letzterem Punkt sieht Heubach für viele Firmen noch Luft nach oben. Bei SAP wurden schon 2018 interne Regeln für die KI-Nutzung aufgestellt, 2020 mussten alle Mitarbeiter einen Ethik-Code unterschrieben.

Eine Anwendung, die SAP schon erfolgreich eingeführt hat, heißt Joule. Hierbei handelt es sich um einen KI-gestützten Gehilfen, der Mitarbeitern beim Umgang mit SAP-Systemen unter die Arme greift. Joule können Fragen gestellt oder Probleme benannt werden und die KI sucht unter Berücksichtigung des individuellen Kontexts intelligente Antworten auf der Grundlage der Geschäftsdaten aus dem gesamten SAP-Portfolio und Drittanbieterquellen. Wie bei allen Anwendungen gilt auch hier: Die Daten eines Unternehmens sind ein großer Schatz, der sich mit KI besonders klug und einfach heben lässt.

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