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Yamahas WSBK-Programm: Was passiert, wenn Razgatlioglu wechselt?

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Toprak Razgatlioglu mit Teamchef Paul Denning (re.) und Crewchief Phil Marron

Überstürzt wird nichts, aber Gedanken um die Zukunft macht man sich in Yamahas Rennprogramm in der Superbike-Weltmeisterschaft (WSBK). Das Zugpferd im Werksteam ist Toprak Razgatlioglu. Der Weltmeister von 2021 ist nun im vierten Jahr Werksfahrer bei Yamaha und wird das aller Voraussicht nach auch bleiben.

Die Frage ist, ob Razgatlioglu seine Karriere lieber in der Superbike-WM fortsetzen will, um dort weitere Rennsiege und WM-Titel einzufahren, oder aber es ihn in die Motorrad-WM und die dortige Königsklasse MotoGP zieht. Vor wenigen Tagen hat Razgatlioglu die Yamaha M1 zum zweiten Mal getestet, konnte dabei aber zumindest Yamaha-Rennleiter Lin Jarvis noch nicht so ganz überzeugen.

In Yamahas WSBK-Team ist nicht Lin Jarvis, sondern Paul Denning derjenige, der das Sagen hat. Als Chef des Crescent-Teams, seinem Einsatzteam in der Superbike-WM, leitete Denning zunächst jahrelang das WSBK-Programm von Suzuki. Seit 2016 ist Yamaha derjenige Hersteller, der auf die Erfahrung und die Expertise der Crescent-Truppe vertraut.

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Toprak Razgatlioglu

Seit 2020 ist Razgatlioglu die Speerspitze im Team, aber wird das auch so bleiben? Denning kennt Razgatlioglu aus der im vierten Jahr befindlichen Zusammenarbeit sehr gut und hofft, dass der Türke dem Team über die laufende WSBK-Saison 2023 hinaus erhalten bleiben wird. Vor allem aber hofft er, ihn weiter in Yamaha-Farben zu sehen.

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Toprak Razgatlioglu, Andrea Locatelli

Falls Razgatlioglu geht: Sieht sich Yamaha schon nach Alternativen um?

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Dominique Aegerter, Remy Gardner

“Das Ziel ist es, ihn bei Yamaha zu halten. Wenn das bedeutet, dass er auf einer Grand-Prix-Maschine sitzt, dann ist das gut. Wenn er hier bleibt, dann ist es ebenfalls gut”, sagt Denning im Gespräch mit ‘Motorsport-Total.com’ über Razgatlioglu und hält fest: “Aus unserer Sicht wäre es natürlich perfekt, wenn er hier bleibt. Das wäre unser Traum.”

“Ich hoffe, er kommt in den nächsten Monaten zu dem Entschluss, dass er hier eine gute Work-Life-Balance vorfindet und sein Leben und die Duelle genießt. Bautista hat momentan einen technischen Vorteil. Ich hoffe aber, dass [Razgatlioglu] den Traum hat, noch viele WM-Titel mit Yamaha zu gewinnen”, so Denning.

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Dominique Aegerter

Für den Fall, dass Razgatlioglu dem Yamaha-Werksteam in der Superbike-WM doch abhanden kommt, weil er für 2024 entweder ins MotoGP-Programm der Japaner wechselt oder sogar bei anderem Hersteller andockt, gibt es für Yamahas WSBK-Team “bislang keinen Plan B”, wie Denning einräumt.

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Remy Gardner

Sowohl der Vertrag mit Razgatlioglu als auch der Vertrag mit dessen Teamkollege Andrea Locatelli laufen am Saisonende aus. Sieht sich Denning für den Fall der Fälle schon nach Alternativen um? “Ich habe eine gewisse Vorstellung, was die beste Option für die Zukunft ist. Formelle Gespräche hat es aber noch nicht gegeben und wir haben auch noch keine anderen Fahrer kontaktiert”, sagt er.

Hat Andrea Locatelli das Zeug nur Nummer 1 bei Yamaha?

Ob mit oder ohne Razgatlioglu: Von Locatelli und dessen Entwicklung ist Denning angetan. Der Italiener fährt seit 2021 für das Yamaha-Werksteam in der Superbike-WM, nachdem er im Jahr 2020 auf Yamaha den WM-Titel in der Supersport-WM errungen hat. In der laufenden WSBK-Saison 2023 hat Locatelli nach drei Rennwochenenden schon mehrere Podestplätze eingefahren und nur ein paar Punkte weniger gesammelt als Razgatlioglu.

“Mit seinen Leistungen und der Arbeitsweise, sowohl bei den Wintertests als auch bei den bisherigen Events, bin ich sehr zufrieden”, sagt Denning über Locatelli und verrät: “Wir als Team haben etwas mehr Druck auf ihn ausgeübt, aber auf eine positive Art und Weise. Wir haben dafür gesorgt, dass er stärker an sich glaubt.”

“Er ist ein Fahrer, der die Supersport-WM dominiert hat und der jetzt zwei Jahre Erfahrung auf dem Superbike hat. Warum sollte er also keinen weiteren Schritt machen können?” Die Arbeit, die Locatelli zur Weiterentwicklung der R1 beigetragen hat, bezeichnet der Yamaha-Teamchef als “exzellent”.

Locatelli sei bei den Wintertestfahrten in puncto Abstimmung “schneller und einfacher zu Antworten gekommen als Toprak”, wie Denning anmerkt. “Seine mentale Stärke wurde ebenfalls verbessert”, lobt der Teamchef und ist vom Italiener überzeugt. Einzig: “Es gibt da noch mehr Luft für Verbesserungen. Er kann noch stärker an sich glauben.”

Auf konkrete Nachfrage, ob Locatelli das Zeug zur Nummer 1 im Team hat, antwortet Denning: “Warum nicht? Der nächste Schritt ist es, ein Rennen zu gewinnen. Er hat ja bereits in einigen Rennen mit Bautista oder Rea gekämpft und sich toll geschlagen. Das Ergebnis war aber jedes Mal der zweite oder dritte Platz.”

“Er muss einfach an der Spitze um Siege mitkämpfen. Dann kann er hinsichtlich seines Selbstvertrauens den nächsten Schritt machen. Über die richtige Balance aus Alter und Erfahrung verfügt er”, so der Yamaha-Teamchef über den 26-jährigen Italiener.

Denning über Aegerter und Gardner: “Wir beobachten beide sehr genau”

Für den Fall, dass Razgatlioglu das WSBK-Programm von Yamaha im bevorstehenden Winter verlassen sollte, hat Denning also einen potenziellen Nachfolger schon jetzt direkt in der Box sitzen.

Locatelli ist aber nicht der einzige, von dem sich der der Yamaha-Teamchef angetan zeigt. Er lobt nämlich auch die Leistungen von Dominique Aegerter und Remy Gardner, die aktuell im Yamaha-Satellitenteam GRT beide ihre Rookie-Saison in der Superbike-WM fahren.

Über Aegerter und dessen Karriere, deren bisherige Highlights die Titelgewinne in der Supersport-WM 2021 und 2022 auf Yamaha sind, sagt Denning: “‘Domi’ ist sehr clever. Er war in der Supersport-WM dominant, obwohl er wirklich starke Gegner hatte.”

Und über Gardner, dessen bisheriges Karriere-Highlight der Titelgewinn in der Moto2-WM 2021 im Team von Aki Ajo ist, sagt Denning lobend: “Remy hat auf eine sehr überlegte und kontrollierte Art und Weise die Moto2-WM gewonnen.”

Das Fazit des Yamaha-Teamchefs zu Aegerter und Gardner lautet: “Beide sind sehr vielversprechend. Das ist gut für Yamaha und gut für das Team. Ich hoffe, dass sie sich weiterentwickeln. Natürlich ist es unser Ziel [im Werksteam], das beste Yamaha-Team zu sein. Ich erinnere aber auch daran, wie das Tech-3-Team in der MotoGP-Klasse in der Lage war, das Werksteam unter Druck zu setzen.”

Nicht nur das Tech-3-Team, vor allem auch das Petronas-Team war als Yamaha-Satellitenteam in der Lage, das Yamaha-Werksteam unter Druck zu setzen. Dieser Druck war in den MotoGP-Saisons 2019 und 2020 so stark, dass der damalige Petronas-Pilot Fabio Quartararo direkt ins Werksteam befördert wurde und dort keinen Geringeren als Superstar Valentino Rossi ablöste.

Kann sich Denning Ähnliches auch in der Superbike-WM vorstellen? Soll heißen, dass Aegerter oder Gardner von GRT-Yamaha ins Yamaha-Werksteam befördert werden? “Beide sind sehr schnell”, so Denning und weiter: “Ich freue mich sehr für GRT, auch wenn es nicht mein Team ist. Sie haben jetzt zwei sehr hart kämpfende, aggressive und hungrige Fahrer, die in der Lage sind, gute Ergebnisse einzufahren.” Nachsatz: “Wir beobachten beide sehr genau.”

Dominique Aegerter von Dennings Lob geschmeichelt, aber vorsichtig

Und was sagen die Fahrer, um die es geht, selber zu diesem Thema? Aegerter fühlt sich von Dennings positiven Aussagen geschmeichelt, hält den Ball aber bewusst flach. “Das klingt gut”, sagt Aegerter gegenüber ‘Motorsport-Total.com’ zu den lobenden Worten des Yamaha-Teamchefs. An einen Aufstieg ins Werksteam will der Schweizer nach gerade mal drei Rennwochenenden in der Superbike-WM aber noch nicht denken: “Warten wir ab, ob es am Ende so kommen wird.”

Aegerter räumt ein, dass er selber durchaus Zweifel hegt, ob er für einen solchen Wechsel überhaupt in Frage kommen würde. “Die Schweiz ist ein kleines Land. Es ist nicht einfach und ich bin jetzt in einem Alter angekommen, das für einige nicht mehr so interessant ist”, sagt der 32-Jährige.

Die Zweifel bezüglich des Alters kann ihm Denning aber direkt nehmen. “Für mich macht das Alter keinen Unterschied. Performance ist alles”, versichert der Yamaha-Teamchef und stellt heraus: “Jonathan Rea ist mit 37 Jahren auch noch so hungrig wie eh und je. Bautista ist mit 38 Jahren Weltmeister geworden. Das ist für mich also kein Problem.”

Remy Gardner genießt das Leben in der Superbike-WM

Ähnlich wie Aegerter, so macht sich auch GRT-Yamaha-Teamkollege Gardner derzeit noch keine Gedanken über einen möglichen Wechsel ins Yamaha-Werksteam. “Ich habe ehrlich gesagt noch nicht darüber nachgedacht. Dieser Gedanke kam mir überhaupt noch nicht in den Sinn. Im Moment genieße ich einfach das Fahren”, sagt der Australier gegenüber ‘Motorsport-Total.com’.

Während Aegerter im Jahr 2022 zum zweiten Mal hintereinander Supersport-Weltmeister wurde, kam Gardner im Jahr 2022 als damals aktueller Moto2-Weltmeister nicht zurecht. In der MotoGP-Klasse fuhr der Australier als Rookie für Tech-3-KTM. Dort erfuhr er aber schon im Sommer, noch bevor er sich richtig an das MotoGP-Bike gewöhnen konnte, dass er 2023 nicht mehr gebraucht wird.

Umso glücklicher ist Gardner jetzt in der Superbike-WM: “Ich hatte 2022 ein schwieriges Jahr. Jetzt genieße ich es, mit meiner Freundin und meinem Hund etwas mehr Zeit zu Hause zu verbringen. An irgendwelche Verträge habe ich ehrlich gesagt noch gar nicht gedacht.”

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