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Wie verwaltet man 13.200 Kilometer Autobahn?

wie verwaltet man 13.200 kilometer autobahn?

Stephan Krenz

Unvermutet rückt nun Stephan Krenz, der Chef der bundeseigenen Autobahn GmbH als derjenige ins Blickfeld, der in Zeiten des großen Warnstreiks die Autobahnen und die Autobahntunnel offenhalten soll und nicht nur Neubau oder Sanierung maroder Brücken im Auge behalten muss. Am Tag des von den Gewerkschaften geplanten flächendeckenden Streiks der öffentlichen Verkehrsmittel wird deutlich, dass auch für Autobahnen und vor allem Tunnel ein dauerhafter Dienst für die Überwachung und für Eingreifen bei Unfällen und Problemen nötig ist. Schließen lassen sich andererseits die Autobahneinfahrten und die meisten Tunnel nicht. Die Autobahn GmbH als deutscher Autobahnbetreiber versucht mit einem Notdienst den Autobahnbetrieb zu garantieren.

Mit Krenz gibt es erstmals in Deutschland einen Spitzenmanager, der die Verwaltung der deutschen Autobahnen verkörpert, einschließlich Bauzustand, Baustellen und die – eher spärlichen – Vorhaben für einen Ausbau des Autobahnnetzes. Die aktuell annähernd 13.200 Kilometer unterstehen seit Anfang 2021 einer nach privatwirtschaftlichen Kriterien arbeitenden Gesellschaft des Bundes. Deren Gesicht ist Stephan Krenz als Vorsitzender der dreiköpfigen Geschäftsführung der Autobahn GmbH. Bemerkbar gemacht hatte sich seine Autobahn GmbH etwa auch in Frankfurt als Bauträger eines zwei Kilometer langen Lückenschlusses, für den unter Protesten im Fechenheimer Wald Bäume gefällt werden mussten. Autobahn-Chef Krenz erweist sich jedoch weder als Autofetischist noch als kompromissloser Verfechter vieler neuer Autobahnen. Im Gegenteil: Jahrzehntelang hatte er mit dem Bau von Zügen und dem Betrieb von Eisenbahnen zu tun – eine Karriere „auf der Schiene“, wie es Krenz immer wieder ausdrückt.

Bestens bekannt und vernetzt

Nach Wirtschaftsingenieursstudium und einer Station bei der Wirtschaftsberatung AT Kearney arbeitete der aus Flensburg stammende Krenz von 1995 an für 15 Jahre für die deutsche Tochtergesellschaft des Zugherstellers Bombardier und stieg dabei auf bis zum Verantwortlichen für Deutschland. 2014 wurde er als Chef von Abellio geholt, eines zur niederländischen Staatsbahn gehörenden privaten Bahnverkehrsanbieters. Der hatte offenbar in Ausschreibungen viel Erfolg, konnte dann aber nicht überall den versprochenen Leistungen hinterherkommen und endete später 2021 in der Corona-Zeit in der Insolvenz – zu diesem Zeitpunkt war Krenz allerdings schon längst Chef der Autobahn GmbH.

Als Chef der Privatbahn orientierte sich Krenz sofort in Richtung der Berliner Politik, die über die Regeln für die deutsche Staatsbahn und die Chancen für ihre Konkurrenten entscheidet. Der Sitz von Abellio wurde nach Berlin verlegt; Krenz gründete und führte kurz danach einen Interessenverband privater Bahnanbieter namens Mofair. Als 2019 ein Chef für die neue Autobahn GmbH gesucht wurde, war der umtriebige Krenz in der Welt der Berliner Verkehrspolitiker schon bestens bekannt und vernetzt.

Der Wechsel vom Bahn- zum Straßenverkehr lief zwar entgegengesetzt zum aktuellen Zeitgeist, doch für den Ingenieur Krenz ist dies auch schlicht interpretierbar als Wechsel zum größten und wichtigsten Teil der Verkehrsinfrastruktur. Nach seiner Meinung wird das auch lange so bleiben: „Wenn man die Daten über den Verkehr ansieht, ist die Realität so, dass drei Viertel des Personen- und des Güterverkehrs über die Straßen laufen. Die Realität ist auch, dass alle Verkehrsprognosen für die Straße nach oben zeigen“, sagte Krenz vor einigen Wochen im Gespräch mit der F.A.Z.

„Wir treffen keine politischen Entscheidungen“

Dennoch ist es für ihn nun wichtig, nicht zerrieben zu werden im Koalitionsstreit um die Prioritäten für den Ausbau des Verkehrsnetzes. Da wird um die Frage gestritten, ob auch Autobahnprojekte unter ein Gesetz für die Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben fallen sollen. Die Grünen sind strikt dagegen, der liberale Verkehrsminister Volker Wissing wiederum dafür. Doch große Neubauprojekte gebe es ohnehin nicht, sagte Krenz. Die gegenwärtig 13.200 Autobahnkilometer könnten nach den gegenwärtigen Perspektiven höchstens noch 100 oder 200 mehr werden. Wichtig ist Krenz dabei sein Status als unparteiischer Fachmann: „Als Autobahngesellschaft treffen wir keine politische Entscheidung. Wir setzen politische Aufträge um.“ Die Autobahn GmbH sieht dabei den aktuellen Bundesverkehrswegeplan als ihr Auftragsbuch an, das vom Verkehrsausschuss und Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossen wurde. Der größte Teil der Aufgaben besteht dabei aus dem Neubau oder der Sanierung von Brücken, daneben geht es um die Verbreiterung bestehender, stark überlasteter Strecken.

In der Berliner Szene wird anerkannt, dass Krenz als Fachmann agiert, und auch für den Aufbau der neuen Autobahnzentrale in Berlin mit um die 700 Mitarbeiter ohne Denken in Seilschaften auch außerhalb Rat und Kontakte suchte, um geeignete Experten für die neue Aufgabe zu finden. Die Politik ist weniger durch Krenz in die Autobahngesellschaft gekommen, mehr durch ein weiteres Mitglied der Geschäftsführung, Gunther Adler, der zuvor beamteter Staatssekretär im Umwelt- und im Innenministerium war und der SPD zugerechnet wird. Ihm wird von Kritikern vorgehalten, dass er alte Seilschaften zur Autobahn GmbH gebracht habe. So sei es auch passiert, dass die frühere Verantwortliche für die A45 und die üble Überraschung mit dem morschen Bauzustand der Rahmedetal-Brücke bei Lüdenscheid auch weiter ihre Aufgabe behalten habe, als die Zuständigkeit vom Bundesland Nordrhein-Westfalen auf die Autobahn GmbH übertragen wurde. Nun bringt die Unterbrechung der wichtigen Autobahnstrecke Frankfurt-Dortmund nicht nur die Stadt Lüdenscheid zum Verzweifeln. Als Provokation erlebte man dort die Stimme eines regionalen Planungsleiters, der mit einem herablassenden Blick auf die eingestürzte (aber in 18 Monaten wieder aufgebaute) Brücke in Genua lange Bauzeiten von fünf Jahren als Qualitätsmerkmal sah.

An der kurzen Leine

Als oberster Verantwortlicher für die Autobahnen und insgesamt 13.000 Mitarbeiter hat Krenz daher an vielen Fronten zu kämpfen. Der Umstand, dass auf Jahre um die 9 Prozent des deutschen Autobahnnetzes Baustelle bleiben werden, ist da noch ein kleines Problem. Die 21.000 Autobahnbrücken halten bei weitem nicht so lange wie früher kalkuliert worden war. Problematisch sind dabei diejenigen, an denen noch nicht gebaut wird, obwohl schon in wenigen Jahren die technische Haltbarkeit an die Grenzen stößt. Wenn dann um solche Sanierungsprojekte, etwa vor den Toren Berlins, wegen vieler Einsprüche jahrelang vor Gericht gestritten werde, dann könnte sich der Autobahnverkehr nicht nur in Lüdenscheid durch die Städte wälzen.

Schnellere Planung und schnelleres Bauen sind Baustellen innerhalb der Autobahn GmbH, auf denen es offenbar noch nicht richtig vorangeht. Viel hängt ab von der Berliner Politik. Und die hält andererseits ihren neuen zentralen Autobahnbetreiber eher an der kurzen Leine. Nicht in der Form der aus nur indirekt steuerbaren Aktiengesellschaft wie die Bahn, sondern als nicht ganz so selbständige GmbH. Gleichzeitig steht der oberste Betreiber der deutschen Autobahnen vor einem großen Dilemma: Der Verkehr auf den Straßen wächst. Das Straßennetz soll aber nicht wachsen. Zugleich sind manche Autobahnen und vor allem viele Brücken überholungsbedürftig, die Verfahrensdauer für Genehmigungen bei Verbreiterungen und Brückenneubauten aber unkalkulierbar.

Krenz versucht pragmatisch zu sein, folgt den Prioritäten für die Sanierung der Strecken, propagiert eine intelligente Steuerung der Verkehrsströme, auch heute schon mit elektronischen Hinweistafeln zu voraussichtlichen Reisezeiten. Daneben findet er Anzeigen für dynamische Geschwindigkeitsregelung hilfreich, die auch dichten Verkehr in Bewegung halten. Hin und wieder entflieht Krenz aber den Niederungen der Instandhaltung von Autobahnen. Der Hobbyflieger mietet sich dann ein Sportflugzeug und fotografiert Landschaften, aber auch Autobahnen und Autobahnkreuze von oben. Aus der Entfernung auf seinen Fotos auf Instagram hat dann selbst manche schnöde Piste für Autos und Lastwagen immer wieder die Anmutung eines Kunstwerks.

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