Stephan Krenz
Unvermutet rückt nun Stephan Krenz, der Chef der bundeseigenen Autobahn GmbH als derjenige ins Blickfeld, der in Zeiten des großen Warnstreiks die Autobahnen und die Autobahntunnel offenhalten soll und nicht nur Neubau oder Sanierung maroder Brücken im Auge behalten muss. Am Tag des von den Gewerkschaften geplanten flächendeckenden Streiks der öffentlichen Verkehrsmittel wird deutlich, dass auch für Autobahnen und vor allem Tunnel ein dauerhafter Dienst für die Überwachung und für Eingreifen bei Unfällen und Problemen nötig ist. Schließen lassen sich andererseits die Autobahneinfahrten und die meisten Tunnel nicht. Die Autobahn GmbH als deutscher Autobahnbetreiber versucht mit einem Notdienst den Autobahnbetrieb zu garantieren.
Bestens bekannt und vernetzt
Nach Wirtschaftsingenieursstudium und einer Station bei der Wirtschaftsberatung AT Kearney arbeitete der aus Flensburg stammende Krenz von 1995 an für 15 Jahre für die deutsche Tochtergesellschaft des Zugherstellers Bombardier und stieg dabei auf bis zum Verantwortlichen für Deutschland. 2014 wurde er als Chef von Abellio geholt, eines zur niederländischen Staatsbahn gehörenden privaten Bahnverkehrsanbieters. Der hatte offenbar in Ausschreibungen viel Erfolg, konnte dann aber nicht überall den versprochenen Leistungen hinterherkommen und endete später 2021 in der Corona-Zeit in der Insolvenz – zu diesem Zeitpunkt war Krenz allerdings schon längst Chef der Autobahn GmbH.
Als Chef der Privatbahn orientierte sich Krenz sofort in Richtung der Berliner Politik, die über die Regeln für die deutsche Staatsbahn und die Chancen für ihre Konkurrenten entscheidet. Der Sitz von Abellio wurde nach Berlin verlegt; Krenz gründete und führte kurz danach einen Interessenverband privater Bahnanbieter namens Mofair. Als 2019 ein Chef für die neue Autobahn GmbH gesucht wurde, war der umtriebige Krenz in der Welt der Berliner Verkehrspolitiker schon bestens bekannt und vernetzt.
„Wir treffen keine politischen Entscheidungen“
Dennoch ist es für ihn nun wichtig, nicht zerrieben zu werden im Koalitionsstreit um die Prioritäten für den Ausbau des Verkehrsnetzes. Da wird um die Frage gestritten, ob auch Autobahnprojekte unter ein Gesetz für die Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben fallen sollen. Die Grünen sind strikt dagegen, der liberale Verkehrsminister Volker Wissing wiederum dafür. Doch große Neubauprojekte gebe es ohnehin nicht, sagte Krenz. Die gegenwärtig 13.200 Autobahnkilometer könnten nach den gegenwärtigen Perspektiven höchstens noch 100 oder 200 mehr werden. Wichtig ist Krenz dabei sein Status als unparteiischer Fachmann: „Als Autobahngesellschaft treffen wir keine politische Entscheidung. Wir setzen politische Aufträge um.“ Die Autobahn GmbH sieht dabei den aktuellen Bundesverkehrswegeplan als ihr Auftragsbuch an, das vom Verkehrsausschuss und Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossen wurde. Der größte Teil der Aufgaben besteht dabei aus dem Neubau oder der Sanierung von Brücken, daneben geht es um die Verbreiterung bestehender, stark überlasteter Strecken.
In der Berliner Szene wird anerkannt, dass Krenz als Fachmann agiert, und auch für den Aufbau der neuen Autobahnzentrale in Berlin mit um die 700 Mitarbeiter ohne Denken in Seilschaften auch außerhalb Rat und Kontakte suchte, um geeignete Experten für die neue Aufgabe zu finden. Die Politik ist weniger durch Krenz in die Autobahngesellschaft gekommen, mehr durch ein weiteres Mitglied der Geschäftsführung, Gunther Adler, der zuvor beamteter Staatssekretär im Umwelt- und im Innenministerium war und der SPD zugerechnet wird. Ihm wird von Kritikern vorgehalten, dass er alte Seilschaften zur Autobahn GmbH gebracht habe. So sei es auch passiert, dass die frühere Verantwortliche für die A45 und die üble Überraschung mit dem morschen Bauzustand der Rahmedetal-Brücke bei Lüdenscheid auch weiter ihre Aufgabe behalten habe, als die Zuständigkeit vom Bundesland Nordrhein-Westfalen auf die Autobahn GmbH übertragen wurde. Nun bringt die Unterbrechung der wichtigen Autobahnstrecke Frankfurt-Dortmund nicht nur die Stadt Lüdenscheid zum Verzweifeln. Als Provokation erlebte man dort die Stimme eines regionalen Planungsleiters, der mit einem herablassenden Blick auf die eingestürzte (aber in 18 Monaten wieder aufgebaute) Brücke in Genua lange Bauzeiten von fünf Jahren als Qualitätsmerkmal sah.
An der kurzen Leine
Schnellere Planung und schnelleres Bauen sind Baustellen innerhalb der Autobahn GmbH, auf denen es offenbar noch nicht richtig vorangeht. Viel hängt ab von der Berliner Politik. Und die hält andererseits ihren neuen zentralen Autobahnbetreiber eher an der kurzen Leine. Nicht in der Form der aus nur indirekt steuerbaren Aktiengesellschaft wie die Bahn, sondern als nicht ganz so selbständige GmbH. Gleichzeitig steht der oberste Betreiber der deutschen Autobahnen vor einem großen Dilemma: Der Verkehr auf den Straßen wächst. Das Straßennetz soll aber nicht wachsen. Zugleich sind manche Autobahnen und vor allem viele Brücken überholungsbedürftig, die Verfahrensdauer für Genehmigungen bei Verbreiterungen und Brückenneubauten aber unkalkulierbar.
Krenz versucht pragmatisch zu sein, folgt den Prioritäten für die Sanierung der Strecken, propagiert eine intelligente Steuerung der Verkehrsströme, auch heute schon mit elektronischen Hinweistafeln zu voraussichtlichen Reisezeiten. Daneben findet er Anzeigen für dynamische Geschwindigkeitsregelung hilfreich, die auch dichten Verkehr in Bewegung halten. Hin und wieder entflieht Krenz aber den Niederungen der Instandhaltung von Autobahnen. Der Hobbyflieger mietet sich dann ein Sportflugzeug und fotografiert Landschaften, aber auch Autobahnen und Autobahnkreuze von oben. Aus der Entfernung auf seinen Fotos auf Instagram hat dann selbst manche schnöde Piste für Autos und Lastwagen immer wieder die Anmutung eines Kunstwerks.