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Wenn‘s noch ein bisschen feiner sein darf

wenn‘s noch ein bisschen feiner sein darf

Wenn‘s noch ein bisschen feiner sein darf

Der Zeitenwandel in der Auto­industrie macht auch vor Nischenprodukten nicht halt. Oft als „getunte“ BMW verkannt, bietet die Marke Alpina auf BMW-Basis eigens entwickelte Fahrzeuge für einen exklusiven Kundenkreis. Nur rund 1000 der etwa 2500 jährlich gebauten Alpinas finden den Weg auf europäische Straßen.

Um die von der erwartungsvollen Kundschaft vorausgesetzte Qualität sicherzustellen und einen Business Case zu schaffen, wird eng mit BMW zusammengearbeitet: Durch komplizierte Sondersteuerungen im Herstellungsprozess können die meisten Alpina-Spezifika direkt am Band der Großserie integriert werden.

Eigentlich unglaublich, dass diese Form von Leben und Lebenlassen heute noch stattfindet. Das hat mit dem Spirit der mehr oder weniger eigentümergeführten Struktur von BMW im Gegensatz zu aalglatten Aktiengesellschaf­ten im Streubesitz zu tun.

Zwar lesen sich Datenblätter eines Alpina und eines M-BMW, so es einen vergleichbaren gibt, meist ähnlich. Doch atmosphärisch sind sie deutlich weiter auseinander als der Alpina-Firmensitz im allgäuischen Buchloe von BMWs HQ in München. Möchte sich der M-BMW als rennstreckenfokussierter Haudegen mit nur einem Rest an Komfort in Szene setzen, so versteht sich ein Alpina als Gentleman’s Express: Leistung im Überfluss, kultivierte Fortbewegung in einer edel ausgekleideten Fahrerkabine mit einer gesunden Balance zwischen Kurvenlust und Hochgeschwindigkeitskompetenz fürs mühelose Kilometerfressen auf der (deutschen) Autobahn.

Gern über 300 km/h, was bei BMW auch für Geld und gute Worte (offiziell) nicht möglich ist. Mit dieser klaren Trennung zwischen den Disziplinen hat der Mikrokosmos Alpina die BMW-Welt bereichert und ergänzt. Doch unbarmherzige weltweite Regularien mit rapide zunehmender Komplexität in der Gesamtfahrzeugentwicklung samt Abstimmung von Assistenzsystemen zwingen Kleinstserienhersteller zunehmend dazu, die Flinte ins Korn zu werfen.

Daher lässt sich die Vorstellung von Alpina B3 und B4 GT mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten. Das lachende Auge sieht ein einzigartiges Angebot für extrem anspruchsvolle Individualisten. Den Anlass einer kleinen Modellüberarbeitung seitens BMW hat Alpina beim Schopf gepackt und ein GT-Modell für 3er-Limousine und -Touring sowie 4er-Gran-Coupé auf den Markt gebracht.

Das darf nun gewiss als letzte Evolutionsstufe der B3- und B4-Modellreihe gelten und mit mehr Leistung (plus 34 PS), Updates im Fahrwerk für mehr Agilität ohne Komfortverlust und optischen Details in „Oro Tecnico“ – allen voran die markentypischen Vielspeichenfelgen in 20 Zoll – im wahrsten Sinne des Wortes glänzen. Auf aufschlussreichen Testrunden zeichnet sich besonders eindrücklich, neben selbsterklärenden Dingen wie enormer Dynamik und Fahrverhalten auf höchs­tem Level, welch anderen Fahreindruck ein Alpina gegenüber einem BMW zu vermitteln vermag.

Das Gefühl der Lenkung, das Ansprechverhalten der Dämpfer und Federung, die Abstimmung des Acht-Gang-Automatikgetriebes – alles eine Klasse für sich. Selbst eine eigene Reifenkennung wurde mit Pirelli entwickelt, um den Alpina-Charakter noch mehr herauszuarbeiten. Randnote: Wer den Innenraum in „Lavalina“-Leder von der hauseigenen Sattlerei einkleiden lässt, ist auch darin exklusiver unterwegs als in der Großserie möglich.

Das weinende Auge sieht, dass es eines der letzten echten Alpina-Produkte sein wird. BMW hat sich den Markennamen Alpina gesichert, die jahrzehntelang bestehende Produktions- und Produktsymbiose wird 2026 auslaufen. Zwar tröstet die Familie Bovensiepen als Eigentümer, dass sie nun mehr Kapazität zur Pflege der fast 60-jährigen Historie frei haben und man noch das eine oder andere Modell-Update in der Pipeline hat.

Trotzdem ist so etwas wie Endzeitstimmung zu spüren. Wohin sich die Marke unter BMW-Regie entwickeln wird, ist ebenso spannend wie ungewiss.

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