50 Jahre hat der Golf heuer auf dem Tacho. Was das Geheimnis seines Erfolgs ist, was der Golf in fünfzig Evolutionsjahren optisch und technisch erlebt hat, wie sich alle acht Generationen fahren und warum VW im neuesten Modell soviel umgekrempelt hat, erklärt Motorprofis.at im großen Generationen-Vergleich.
Wie ist die Golf-Idee entstanden?
Beinahe hätte es den Golf gar nicht gegeben. Ende der 60er-Jahre tut sich Volkswagen schwer, vom nicht mehr zeitgemäßen Käfer-Konzept mit Boxermotor-Luftkühlung-Heckantrieb loszukommen, wegen der schlechten Umsätze ist zudem Ebbe in der Entwicklungs-Kasse. Dabei liegt die Lösung so nahe: Seit 1964 gehört VW auch die Auto Union, wo der Wechsel vom tuckernden DKW-Zweitakter zum modernen Audi-Layout mit Vorderrad-Antrieb schon vollzogen wurde. Für die Adaptierung der fortschrittlichen Technik braucht es den unvermeidlichen Österreicher in dieser Geschichte: Professor Ernst Fiala, ab 1970 bei VW für Forschung und Entwicklung zuständig – er gilt heute als „Vater“ des Golf. Zuerst ist aber noch der Passat dran, der vom Audi 80 “abgeleitet” wird. Für das damals innovative Design zeichnet da wie dort Giorgetto Giugiaro verantwortlich, der dann nebenbei auch noch die Formensprache für den Scirocco mitliefert. Eine heute gern verbreitete Legende ist der schlagartige Markterfolg des Golf – das Gegenteil war der Fall: Die großen Erwartungen kann der Käfer-Nachfolger anfangs nicht erfüllen – bis 1976 der GTI den Image-Umschwung bringt und die ganze Baureihe nach oben zieht.
Golf I (1974-1983) – der Ur-Meter
Größer hätte der Abstand zum Käfer kaum nicht ausfallen können: Flüssigkeitsgekühlter Vierzylinder-Reihenmotor vorne quer statt Luft-Boxer längs im Heck, vordere Achse angetrieben statt hinterer, außen Kante statt Rundung, drinnen viel Licht, Platz und Übersicht statt beengter Kuppel. Aus heutiger Sicht ist der 3,7 Meter lange Einser ein Kleinwagen – selbst der aktuelle Polo überragt ihn um über 30 Zentimeter. Drinnen bietet er reduzierte Schlichtheit und auf dem Armaturenbrett nur ein Instrument – den Tacho. Ok, eineinhalb, wenn man die Tankuhr darin mitzählt. Für Öl und Wasser gibt es nur Warnlämpchen. Nach vier Gängen ist Schluss, bei 120 km/h vermeldet der Motor akustisch seine Schmerzgrenze, mit 1100 Kubikzentimeter und 50 PS fährst du auf der Autobahn heute halt am Ende der Nahrungskette. Und trotzdem: Der Basis-Golf vermittelt gut, dass er damals seine Rolle als neuer gemeinsamster Nenner erfüllt hat. Er ist ein Auto der Zeitenwende von der Chromstangen-Ära zur Moderne, war dafür weder zu früh noch zu spät dran, sondern einfach das richtige Ding für seine Zeit.
Golf I: Das richtige Auto für die Zeitenwende von der Chromstangen-Ära zur Moderne – der Basis-Einser mit 50 PS, wortwörtlich ein Volkswagen.
Größer hätte der Abstand zum Käfer kaum …
… ausfallen können, auch beim Design: Klare Kante statt Rundungen.
Drinnen reduzierte Schlichtheit und auf dem Armaturenbrett nur ein Instrument – der Tacho.
1100 Kubikzentimeter und 50 PS – trotzdem: Der Basis-Golf vermittelt gut, dass er damals seine Rolle als neuer gemeinsamster Nenner erfüllt hat.
Golf II (1983-1991) – der Evoluzer
Stell dir vor, du verkaufst von der Premieren-Baureihe 6,9 Millionen Stück und musst sie ersetzen. Was machst du – außer am besten alles richtig? Mission gelungen: In der ganzen Golf-Geschichte gibt es wohl kaum einen größeren Schritt, als den von Einser zum Zweier. Für die Ausfahrt von Motorprofis.at ist die Wahl auf den prächtigen 1,8-Liter-Benziner mit 90 PS gefallen, ein feiner kerniger Motor, genau richtig für die Aufsteiger in der Kunden-Hierarchie, denen ein GTI zu wild gewesen wäre. Erstmals mit an Bord: Das solide Fahrgefühl, das anderswo erst eine Klasse höher geboten wurde. Dämmung, Fahrwerks-Akustik und Qualitätsanmutung insgesamt sind auffallend hochwertig, selbst nach heutigen Standards. Auch sonst lässt sich der Zweier bei den Innovationen nicht lumpen: In ihm feiern Turbo-Diesel, Vierventil-Technik, Allrad und G-Lader ebenso ihre Premiere, wie Katalysator, Servolenkung und ABS. Seinem Mitbewerb war er damit ständig eine Nasenlänge voraus – oft auch mehrere.
Vielleicht der größte Einzelschritt von einer Baureihe zur nächsten überhaupt: Im Zweier-Golf wurden büschelweise Technik-Premieren gefeiert.
Im Golf II feiern Turbo-Diesel, Vierventil-Technik, Allrad und …
Dämmung, Fahrwerks-Akustik und Qualitätsanmutung insgesamt sind auffallend hochwertig, selbst nach heutigen Standards.
Golf II: Seinem Mitbewerb ständig eine Nasenlänge voraus – oft auch mehrere.
Golf III (1992-1997) – die Reifeprüfung
Optisch sind die Flegeljahre hier eindeutig vorbei – der Dreier hat äußerlich vielleicht nicht mehr soviel Charakter wie seine Vorgänger, eher ist er optisch in den damaligen Mainstream hineingereift. Dafür gibt es erstmals Airbags, erst für Fahrer und Beifahrer, später auch seitlich – nur hinten heißt es nach wie vor festhalten, wenn es kracht. In der Golf-Historie vielleicht wichtiger: Hier debütiert der TDI, womit der Diesel erst richtig Teil der Massenbewegung wird. Bei der Motorprofis-Ausfahrt wirkt er brav und solide, nur akustisch mit seinem Nageln ein wenig auffällig. Leistunsgherzen schlagen zu seinen Lebzeiten beim VR6 höher, die Premiere eines Sechzylinders in der Kompaktklasse. Mit einer Spannweite von 55 PS und 18,3 Sekunden für 0-100 km/h bis zu 190 PS und 7,5 Sekunden ist die Bandbreite für die Kunden größer denn je.
Reife Leistung – im Dreier-Golf debütierten unter anderem die Qualitätsanmutung aus höheren Klassen …
… und der TDI-Motor, Auslöser der Diesel-Revolution in den 1990ern.
Golf IV (1997-2003) – der Revierübertreter
Stilistisch ist der Vierer wieder klarer definiert als sein etwas beliebiger Vorgänger. Die Qualitätsstandards steigen und bei den Motoren ist Eskalation angesagt: Der GTI bläst sich bis zum Fünfzylinder mit 170 PS an der Vorderachse auf, darüber rangiert noch der Sechs-Ender mit jetzt 204 PS und Allrad – den Motorprofis.at bei seiner Tour gefahren ist: Ein sattes Yes-we-can-Statement mit knackiger Sechgang-Schaltung. Nichts zum Rasen, sondern zum Cruisen auf hohem Niveau – und dabei immer noch schneller unterwegs sein als die meisten anderen. Die Revierübertretung Richtung Premium-Abteilung hat der Vorgänger eingeleitet, der Vierer macht sie perfekt. Den besten Beweis dafür liefert die Premiere eines weiteren Buchstaben im Golf-Alphabet: R – mit 3,2 Litern und ebenfalls 4WD steckt er seinen Claim mit 6,4 Sekunden auf Hundert und knapp 250 km/h ab. Das sorgt für Aufruhr in München und Stuttgart. Und in der eigenen Familie: Im Audi A3 ist damals beim 1,8-Liter mit vier Zylindern Schluss.
Symbol einer Revierübertretung: Der Vierer-Golf hängte mit bis zu 241 PS, sechs Zylindern und Allrad-Antrieb den Mitbewerb ab.
Den Türöffner zur Premium-Abteilung hat der Vorgänger eingeleitet, der Vierer tritt endgültig ein.
Eine der prägnantesten Heckansichten der Golf-Geschichte. Stilistisch ist der Vierer jedenfalls wieder klarer definiert als sein etwas beliebiger Vorgänger.
Golf V (2003-2008) – der Unterschätzte
Manchmal ist der Markt nicht fair: Da wird der Golf mit einer aufwendigen Vier-Lenker-Hinterachse statt der bisher simplen Verbundlenker-Lösung verwöhnt, bekommt damit Komfort und Dynamik, die vorher nicht drin waren – und viel zu wenige interessiert’s. Wegen des geringen Markterfolgs dauert die Karriere des Fünfers auch nur – einfach zu merken – fünf Jahre. Motorprofis.at ist beim Generationen-Treffen den 1,4-Liter-TSI gefahren. Klingt heute nach Brot-und-Butter-Motor, war aber alles andere als das: Turbo und Kompressor – also Zwangsbeatmung unten und oben, da lächelt die einstige Rallye-Ikone Lancia Delta S4 vom Himmel. So wild wie der gibt es der Golf nicht, mit seinen quecksilbrigen 140 PS ist er aber ein Spaßmacher erster Güte – und hier mit einer weiteren Innovation von damals kombiniert, die uns bis heute begleitet: Der Doppelkupplungs-Automatik DSG.
Die Qualitäten des Fünfer-Golfs wurden zu Lebzeiten verkannt, dabei war er mit Vier-Lenker-Hinterachse und Laserschweißverfahren ein Technologieträger.
Golf VI, hier mit einer Innovation von damals, die uns bis heute begleitet: Der Doppelkupplungs-Automatik DSG.
Assoziationen zu bunten Getreideringen vom Frühstückstisch: Die eingeschalteten Hecklichter erinnern an die Loops aus dem Hause Kellogg’s.
Golf V (2003-2008) – der Unterschätzte: Wegen des geringen Markterfolgs dauert die Karriere des Fünfers nur fünf Jahre.
Golf VI (2008-2012) – der Klonkrieger
Was machst du, wenn du ein Auto hast, das technisch spitze ist, aber in dem beim Verkauf irgendwie der Wurm drin ist – und du außerdem sparen musst? Du stellst ein so ausuferndes Facelift hin, dass es aussieht wie ein neues Modell. Fertig ist der aus dem Fünfer geklonte Sechser-Golf. 2009 wird der gar nicht so neue Golf sogar zum “Auto des Jahres” gekührt, als einziger aller Gölfe bisher. Bei Qualität und Materialanmutung macht er aber tatsächlich einen Generations-Sprung und fährt auch erstmals mit neuem Effizienz-Ansatz vor. Wie das von Motorprofis.at gefahrene Modell: Erneut ein TDI, jetzt mit 105 PS und Blue Motion-Technologie – saubere Leistung, rundum.
Nicht gänzlich neu, sondern aus dem Fünfer geklont, machte es der Golf VI besser als sein Vorgänger – inklusive effizienzoptimierendem Blue Motion-System.
Bei Qualität und Materialanmutung macht der Sechser-Golf einen Generations-Sprung.
2009 wird der gar nicht so neue Golf VI sogar zum “Auto des Jahres” gekührt, als einziger aller Gölfe bisher.
Golf VII (2012-2019) – der Plattformer
Der Siebener ist wieder ein ganz neuer Golf bis in die Knochen – die MQB-Plattform feiert hier ihre Baureihen-Premiere. Äußerlich recht sportlich geschnitten mit kurzen Überhängen und flacher Schnauze, drinnen noch einmal weiter auf Premium-Anmutung gebürstet. Aus verständlichen Gründen ist die Modell-Wahl bei der Motorprofis-Ausfahrt nicht mehr auf einen TDI gefallen, dem in dieser Baureihe beinahe Ruf-Selbstmord geglückt wäre. Dafür wieder ein 1,4-TSI, jetzt aber kein Turbo-Kompressor-Gerät mehr, sondern ein schlauer Benziner mit automatischer Zylinderabschaltung – wieder eine neue Spritspar-Technik in dieser Klasse, die gleitend und ruckfrei funktioniert, praktisch unmerkbar.
Neue Basis, sportliche Linie und sparsame Technik: Der Siebener ist der erste Golf aus dem modularen Querbaukasten – samt Motoren mit Zylinderabschaltung.
Golf VII: Drinnen noch einmal weiter auf Premium-Anmutung gebürstet.
Der TDI fällt zwischenzeitlich in Ungnade. Mit dem 1,4 TSI kommt ein schlauer Benziner mit automatischer Zylinderabschaltung.
Golf VII: Äußerlich recht sportlich geschnitten mit kurzen Überhängen und flacher Schnauze.
Golf VIII (seit 2019)
Der jüngste im Golf-Bunde ist brandneu – nämlich bereits das Facelift-Modell des Achters mit etwas schmaleren Scheinwerfern und leicht veränderten Schürzen. Unter dem Blech hat sich mehr getan. Eine frische Motorengeneration ist eingezogen, beispielhaft dafür der 1,5 TSI mit 115 PS, der den stets etwas angestrengt wirkenden 3-Zylinder als Einstiegs-Aggregat ersetzt. Er erledigt dessen Job deutlich lässiger und souveräner. Auch der innenraum ist kaum wiederzuerkennen: Hochwertigere Materialein, mehr geschäumte Oberflächen. Es gibt zwar immer noch die wenig beliebten Slider für Temperatur- und Lautstärken-Regelung, es ist jetzt aber beleuchtet. Dazu kommt ein gänzlich neues, stabiles Infotainmentsystem mit 12,9-Zoll-Touchscreen und eine vom neuen VW-Chef Thomas Schäfer verordnete Überarbeitung er Bedienstruktur: „Wir haben das sauber abgearbeitet mit allen 250 Funktionen, die so ein Fahrzeug im Schnitt hat. Dabei haben wir genau geschaut, welche Funktionen man oft braucht – um die dann wirklich auf Knöpfe zu legen oder möglichst sichtbar zu machen. Und zwar so intuitiv, dass Sie sofort, wenn Sie eine Funktion haben wollen, auch dorthin greifen.“ Der Praxis-Test zeigt die erfolgreiche Umsetzung, sodass man sagen muss: Alles, was die Kunden am bisherigen, bei seinem Stapelllauf 2019 eventuell gar etwas hart am Sparkurs segelnden Achter-Golf kritisiert hatten, wurde umgekrempelt.
Das Facelift des Achters räumt auf mit den Kunden-Beschwerden und ist jetzt der Golf, der er vom Start der Baureihe weg hätte sein sollen.
Facelift-Modell des Achters mit etwas schmaleren Scheinwerfern …
… und leicht veränderten Schürzen.
Facelift als Restart: Hochwertigere Materialein, mehr geschäumte Oberflächen und ein neues, stabiles Infotainmentsystem mit sehr guter Bedienstruktur.
Frische Motorengeneration: zum Beispiel der 1,5 TSI mit 115 PS, der den stets etwas angestrengt wirkenden 3-Zylinder als Einstiegs-Aggregat ersetzt.
Fazit
Was macht einen Golf aus? Was hat seit 1974 über 37 Millionen Kunden überzeugt? Die Anwort ist eigentlich ganz simpel: Die Treffsicherheit, mit der er auf den Bedarf zielt und dazu immer auch ein paar Wünsche extra erfüllt – also die Balance von Konstanz und Erneuerung. Was nach vielen hundert Kilometern mit allen Golf-Generationen und dem Erleben der fünfzig Evolutionsjahre jedenfalls feststeht: Ein Golf bleibt ein Golf – und das ist ausdrücklich als Kompliment gemeint. Entgegen den kurzen Verwirrungen um eine angebliche Abklöse durch den ID.3 wird seine Karriere auch als Golf 9 weitergehen. In diesem Sinne: Alles Gute zu den ersten 50 Jahren!
Fazit von Motorprofis-Tester Stefan Pabeschitz: „Die Treffsicherheit, mit der er auf den Bedarf zielt und dazu immer auch ein paar Wünsche extra erfüllt – also die Balance von Konstanz und Erneuerung – macht den Golf aus. Ein Golf bleibt ein Golf – und das ist ausdrücklich als Kompliment gemeint.”