Reise

Touren & Tipps

Von der Ostsee nach Lappland und zurück

Leserin Gabriele Mücke berichtet von ihrer knapp 7000 Kilometer langen Schwedenreise von der Ostsee bis nach Lappland und im Landesinneren wieder zurück Richtung Süden.

Unserer Hündin Kimba zuliebe buche ich die Schnellfähre von Sassnitz nach Ystad, die uns in nur eineinhalb Stunden über die Ostsee trägt. Die See ist ruhig, der Himmel blau, wir genießen die Fahrt. Den Süden von Schweden lassen wir rasch hinter uns. Nördlich von Stockholm, ab Gysinge am Fluss Dalälven erreichen wir für uns unbekanntes Terrain.

Wir bleiben für eine Nacht auf dem kleinen Stellplatz im Ort, der zu einem charmanten Gemischtwarenladen gehört. Unweit vom Platz begrüßt uns der Dalälven mit seinen Stromschnellen. Das Wasser rast über das steinige Flussbett wie über ein riesiges Waschbrett. Hier gelingt es keiner Pflanze, Wurzeln zu schlagen, auch im Winter kann der Frost das Wasser nicht bändigen. Nun ist aber Sommer und um 22 Uhr zeigt das Thermometer noch 18 Grad, das lässt sich gut aushalten.

See und Hügel

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Hier zu sehen die schöne Natur in Sundsvall.

Unser nächster Stopp ist ein Platz gegen Spende in Galtström bei Sundsvall an der Ostsee. Es gibt saubere Toiletten, Dusche, Entsorgung, Frischwasser und den direkten Blick aufs Meer. Leider weht eine steife Brise, sodass wir uns nach einem Spaziergang mit Kimba ins Innere unserer Selma, eines Carado T 447, zurückziehen.

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Högakustenbron, die schwedische Golden Gate Bridge.

Am nächsten Tag erreichen wir Camping Snippens am Mörtsjön, ein Platz zum “Seele-baumeln-Lassen”. Das Wasser des Sees allerdings ist eisig, wir wandern lieber auf einen nahegelegenen Hügel. Dort überrascht die Aussicht auf die Högakustenbron, eine Art schwedische Golden Gate Bridge, die den Fjord des Ångermanälven überspannt. Ein eisiger Wind bläst uns ins Gesicht, trotzdem können wir uns schwer von dem Panorama losreißen.

Es gibt einen Grillplatz mit Feuerholz, sogar eine Säge zur freien Benutzung hängt an einem Baum. So etwas werden wir noch öfter in Schweden sehen und finden es genauso bemerkenswert wie den nicht vorhandenen Müll. Hier wird auf die Natur geachtet, das gefällt mir. Zurück auf dem Campingplatz, sind gerade zwei Radler aus Südbayern angekommen, die bis zum Nordkap fahren wollen – Respekt!

Kühe und Weiden

Am anderen Tag befahren wir bei starkem Wind die mehr alseinen Kilometer lange Hängebrücke und durchqueren die kleine Halbinsel Nordingråbygden. Hier fühle ich mich plötzlich ins Allgäu versetzt, es ist hügelig, grün und überall grasen Kühe auf den Weiden.

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Die vier Kilometer lange Felsenküste im Naturschutzgebietes Rotsidan.

Wir lassen die Kühe links liegen und finden unseren Übernachtungsplatz auf dem Parkplatz des Naturschutzgebietes Rotsidan. Ein kurzer Spaziergang bringt uns an eine vier Kilometer lange Felsenküste. Die Wellen rollen über die Steinplatten, die Gischt spritzt meterhoch wie kochende Geysire. Wir setzen uns an einen der zahlreichen Picknickplätze und genießen das Spektakel.

Die Schlucht von Ronja Räubertochter

Der nächste Tag wird anstrengend, so haben wir es uns nicht vorgestellt. Ein wenig wandern wollen wir, aber der Weg führt uns über Stock und Stein, unzählige Wurzeln und lange Geröllfelder und 250 Höhenmeter – zum südlichen Eingang von Slåttdalsskrevan, der Schlucht aus der Astrid-Lindgren-Verfilmung Ronja Räubertochter.

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Als Kulisse für die Verfilmung von Ronja Räubertochter diente die Schlucht Slåttdalsskrevan.

Wir durchqueren die Felsspalte auf dem Höga Kustenleden und laufen am Meer entlang zum Ausgangspunkt. Für neun Kilometer brauchen wir fünf Stunden; Werner benötigt immer wieder eine Verschnaufpause und ist froh, dass wir hier auf dem Parkplatz übernachten können. Trotz allem lohnt es sich. Der Skuleskogen Nationalpark ist jede Anstrengung wert.

Einen Tag später übernachten wir am Eingang West, hier ist der Parkplatz noch großzügiger angelegt. Allein mit unserer Mischlingshündin Kimba wandere ich noch einmal zur Schlucht, um diese in Ruhe von oben zu betrachten. Wie es Ronja geschafft hat, hier hinüberzuspringen, bleibt ein Rätsel.

Regen und Sonne

Tags darauf fahren wir zu einem privaten Stellplatz, den deutsche Auswanderer aus Nürnberg betreiben. Solche Plätze gibt es einige in Schweden, die meisten bieten Strom und eine Toilette an. Wir bezahlen 15 Euro, genauso viel wie am nächsten Tag für den Stellplatz am Hafen von Skellefteå. Hier können wir sogar eine Dusche, eine Waschmaschine und die Küche im Bootshaus benutzen. Neben den Liegeplätzen haben viele Bootsclubs die Wohnmobilfahrer als Zielgruppe entdeckt.

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Historische Häuschen im Freilichtmuseum Gammelstad.

Nach sonnigen Tagen folgt Regen und so fahren wir weiter bis Luleå und besuchen das Freilichtmuseum Gammelstad. Hier fühlen wir uns in der Zeit zurückversetzt, als wir durch den alten Krämerladen und die restaurierten Wohnhäuser schlendern. Natürlich gibt es auch ein Museumscafé, in dem wir uns die obligatorischen Zimtschnecken schmecken lassen.

In Piteå lassen wir unsere Gasflasche füllen, dann nehmen wir Kurs gen Lappland. Auf dem Weg dorthin wollen wir unbedingt einen Halt am Storforsen bei Älvsbyn einlegen. Von den gewaltigen Stromschnellen sind wir restlos begeistert und können uns gar nicht sattsehen. Mit gewaltigem Lärm donnert der Piteälven an uns vorbei.

Neben der Besucherplattform hängt ein Rettungsring, doch der würde wohl niemandem helfen, der hineinfällt. Pro Sekunde wälzen sich durchschnittlich 250 Kubikmeter Wasser talwärts. Es ist eine der größten Stromschnellen Skandinaviens.

Polarkreis und Rentiere

Am 23. Juni überqueren wir kurz vor Jokkmokk endlich den Polarkreis und die Sonne knallt vom Himmel. Sie geht jetzt gar nicht mehr unter und das ist einfach großartig. Wir übernachten auf dem kostenlosen Stellplatz Laponia und sitzen um 22 Uhr noch in T-Shirt und kurzen Hosen im Sonnenschein vor dem Wohnmobil.

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Ein Erinnerungsfoto vom Polarkreis darf nicht fehlen. Das Schild steht an der E45 kurz vor Jokkmokk.

Auf der Fahrt ins 120 Kilometer entfernte Kvikkjokk begegnen wir unserem ersten Rentier, darüber freue ich mich besonders. Die Fahrt dorthin ist atemberaubend, an unzähligen Seen geht es entlang, die schneebedeckten Berge vor unseren Augen. Auf dem Campingplatz in Årrenjarka bleiben wir ein paar Tage. Einmal wandere ich mit Kimba von Kvikkjokk steil bergauf zum Gipfel des Snjerak. Im Ort wartet Werner bei der sehenswerten Holzkirche auf uns.

Kvikkjokk liegt am Ende der Straße 805 und ist bei Wanderern beliebt. Hier gibt es eine Fjällstation, also eineBerghütte, und Fernwanderwege zu den Nationalparks Sarek und Padjelanta. Am anderen Tag paddle ich auf dem See Saggat mit meinem aufblasbaren Kajak. Am Abend sitzen wir lange am Lagerfeuer. Wir haben den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht.

Nach ein paar Tagen fahren wir wieder Richtung Süden. In Arvidsjaur treffen wir in der Samenstadt Lappstaden ein älteres Samen-Ehepaar, die uns von Arjeplog erzählen. Kurzfristig ändern wir unsere Route und genießen dort vom Berg Galtis eine wunderbare Aussicht bis nach Norwegen.

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Rentiere liegen in Idre sogar vor dem Tourismusbüro auf dem Spielplatz.

Auch die Kirche im Ort ist sehr sehenswert, wie viele andere, die wir auf unserer Reise besichtigen. Sie sind meistens aus Holz gebaut, sehr schlicht und von nordischem Charme. Unterwegs begegnen uns immer wieder Rentiere, an denen ich mich nicht sattsehen kann. An dem See, der im Winter als Teststrecke für Autos genutzt wird, finden wir einen freien Übernachtungsplatz.

Wetterwechsel

Jeden Tag direkt am Wasser – so lässt es sich aushalten. Eine Nacht später auf dem idyllischen Campingplatz in Avasund, von Blumen eingerahmt, wie auf einer Postkar-
te. Als wir den Vildmarksvägen – eine 500 Kilometer lange Straße durch Schwedens Wildnis – erreichen, begleitet uns trübes Wetter, verbunden mit einem Temperatursturz von 25 auf 12 Grad.

Am nächsten Tag scheint die Sonne wieder von früh bis spät, so wechselhaft ist in Lappland das Wetter. Wir übernachten auf dem Naturcamping in Fatmomakke. Er kostet 10 Euro ohne jeglichen Service, liegt aber wieder direkt am See. Nach einer Wanderung paddle ich noch zwei Stunden und bin glücklich.

Ich wäre auch gerne im See geschwommen, aber bei 15 Grad Wassertemperatur verkneife ich mir das. 30 Grad heiß ist es am folgenden Tag, als wir zu dem alten Samendorf Kyrkstad wandern, wo wie bei allen anderen Freilichtmuseen in Nordschweden keinerlei Eintritt verlangt wird.

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Auf dem Hochplateau Stekenjokk fühlen wir uns ein wenig wie in der Mongolei.

Das Hochplateau Stekenjokk ist ein bemerkenswerter Ort. Es sieht ein wenig aus wie in der Mongolei, kein Baum, kein Strauch, nur Flechten und Schnee auf den umliegenden Bergen. Die Sonne geht nicht mehr unter, sie verschwindet nur ganz kurz hinter den Bergen, wobei ihr Licht weiterhin zu sehen ist.

Die folgenden Tage verbringen wir auf Vildmarkscamping Lia Ranch, hier ist das Wasser wärmer, ich kann endlich im See schwimmen. Am Nachmittag kommt mein Kajak wieder zum Einsatz, aber nach einer halben Stunde frischt der Wind auf und das Wasser wird sehr wellig.

Zu allem Unglück verliert mein Boot Luft, nur mit Mühe kann ich notlanden. Zum Glück habe ich meine Pumpe dabei, so schaffe ich es zurück, auch wenn es länger dauert als geplant. Es macht mir trotz allem Spaß, nur ich, Wasser, Wind und Wellen, herrlich. Um 23 Uhr Sonne bei 20 Grad, das Leben könnte so schön sein, wenn uns nicht immer die kleinen Kriebelmücken ärgern würden.

Von Wasserfällen und dem Frühlingsschrei

Der Wasserfall Hällingsafallet beeindruckt uns bei unserem nächsten Stopp. 20 Kilometer Schotterpiste, um dorthin zu gelangen, lohnen sich in jedem Fall. Über 40 Meter dröhnt und donnert das Wasser in Schwedens längte Schlucht. Im Sonnenlicht erscheint in der Gischt ein Regenbogen.

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43 Meter tief donnert das Wasser am Hällingsåfallet in einen Canyon.

Die Nacht verbringen wir auf dem wunderschönen Naturcamp Gubbhögens. Dort gibt es eine Trockentoilette, Mülltonnen und Trinkwasser. Es wirkt alles sehr einfach, aber der Platz ist idyllisch und es gibt ausnahmsweise keine Mücken. Ich schwimme im angenehm warmen See und chille anschließend in meiner Hängematte.

Am nächsten Tag erwarten uns Wolken und Wind, später fängt es auch noch an zu regnen. Wir besuchen kurz den netten Ort Östersund, bevor wir unser Lager beim Campingplatz Ristafallet aufschlagen. Wieder ein Wasserfall und was für einer, hier wurden ebenfalls Teile des Films “Ronja Räubertochter” gedreht.

Ronja hat hier ihren bekannten Frühlingsschrei ausgestoßen. “Hier stehe ich und spüre, wie der Winter aus mir herausrinnt”, sagte Ronja. “Bald bin ich so leicht, dass ich fliegen kann.” So fühle ich mich auch, wie ich hier vor dem 50 Meter breiten Wasserfall stehe.

Der Campingplatz liegt am Fluss, wenige Meter von der Aussichtsplattform entfernt. Einige Male laufe ich dorthin und bekomme vom Anblick nicht genug. Das Rauschen begleitet uns Tag und Nacht, ich finde es meditativ und beruhigend. Am Nachmittag kommt auch die Sonne zurück, so sitzen wir noch lange vor unserem Wohnmobil.

Camping mit Kühen

Weiter geht es Richtung Flatruet, zu einem privaten Platz am Flåsjön. 10 Euro werfen wir in die bereitgestellte Box, um dann durch ein Gatter auf den ausgewiesenen Platz zu fahren. Wir wundern uns noch über einige Kuhfladen auf der Wiese, denken uns aber nichts dabei und gehen wegen kalten Winds und kleiner Quälgeister bald zu Bett.

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Kühe überraschen uns auf einem privaten Platz am Flåsjön.

Am nächsten Morgen, als ich gerade den Frühstückstisch decke, staune ich nicht schlecht, als plötzlich elf Kühe und ein Kalb hinter dem Wohnmobil herumkommen und mich neugierig beäugen. Werner und Kimba betrachten die tierischen Gäste lieber von innen, ich setze mich auf den hölzernen Picknicktisch und warte ab. Nachdem die Kühe alles eingehend inspiziert haben, verschwinden sie genauso schnell, wie sie gekommen sind.

Auf der Flatruet, Schwedens höchstgelegener Straße, fahren wir zum Fjäll auf knapp 1000 Meter Höhe. Nach der Begrüßung durch drei Rentiere suchen wir uns eine Stelle für die Nacht auf dem weitläufigen Parkplatz. Die Aussicht ist spektakulär, um 23 Uhr herrscht eine surreale Stimmung bei einem perfekten Sonnenuntergang. Auf Sonne folgt Regen, das kennen wir inzwischen, es hält uns aber nicht davon ab, die Fahrt auf der Straße Nummer 311 in vollen Zügen zu genießen.

Dieser Abschnitt gefällt uns auf unserer gesamten Strecke am besten. Viele Rentiere kreuzen unseren Weg. In der Nähe von Idre finden wir einen privaten Platz an einem Fluss. Auch hier besuchen uns Rentiere, sogar ein weißes ist dabei. In Idre liegen sie sogar vor dem Tourismusbüro auf dem Spielplatz.

Entspannung zum Ende

Die nächsten beiden Nächte verbringen wir auf dem Campingplatz in Särna, auch hier wie schon oft sind die schönsten Plätze die ohne Stromanschluss. Wir stehen am See hinter einer Blumenwiese. Nach Regen folgt Sonne, es ist ein fliegender Wechsel. Hier benutzen wir Waschmaschine und Trockenschrank, entsorgen und füllen Wasser auf. Lange genieße ich die friedliche Abendstimmung vor dem Wohnmobil, während Werner und Kimba schon schlafen.

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Spektakulär der 93 Meter hohen Wasserfall Njupeskär im Fulufjället Nationalpark.

Der Parkplatz im Fulufjället Nationalpark ist rappelvoll. In Schweden haben die Ferien begonnen. Wir ergattern gerade noch ein Plätzchen und spazieren zum 93 Meter hohen Wasserfall Njupeskär. Der Berg, von wo aus er in die Tiefe stürzt, bildet ein Plateau. Auf dem Hauptweg finden wahre Völkerwanderungen statt, für Kimba sehr ungemütlich. Zum Glück gibt es noch einen anderen Pfad, den wir für den Rückweg benutzen, hier sind wir fast allein.

Zurück auf der 311, halten wir zu einem Einkehrschwung im Café des Lomkällan Skogsmuseum – eines Geschichts- und Naturmuseums – und verzehren leckeren Langos mit Krabben. Unweit davon finden wir einen wunderbaren Lagerplatz am Österdalälv, der sechs Euro pro Nacht kostet. Hier bleiben wir ein paar Tage, ich schwimme, paddle, relaxe in meiner Hängematte und fühle mich glückselig.

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