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Volkswagen-Chef Oliver Blume krempelt den Konzern um, wirft viele Pläne seines Vorgängers um. Vor allem das Prestigeprojekt Trinity.

Erst seit etwas mehr als 100 Tagen ist Oliver Blume Volkswagen-Konzernchef und hat doch schon mächtig aufgeräumt – und dabei einige Pläne seines Vorgängers Herbert Diess umgeworfen. Die vielleicht wichtigste Entscheidung: Das Prestigeprojekt Trinity wird noch einmal neu gedacht. Seit zwei Jahren arbeiten Ingenieure, Designer, Controller und mehr an einer coupéartigen Limousine (“der erste VW, der um die Software herum gebaut wird”), in Wolfsburg sollte ein eigenes Werk dafür entstehen, geplanter Marktstart war schon 2026. Das alles ist jetzt erst mal vom Tisch. Der Trinity-Start ist auf frühestens 2028 verschoben, vielleicht wird es auch 2030. Die Limousine ist in den Papierkorb gewandert, für sie machte sich Diess persönlich stark, verlangte von seinem Markenchef Ralf Brandstätter einen Tesla-Fighter.  Doch auch Brandstätter ist inzwischen nicht mehr in Wolfsburg, er lenkt jetzt das China-Geschäft. (Mehr Lesen: Oliver Blume setzt sich für E-Benzin und E-Diesel ein) volkswagen, oliver blume, zukunft, pläne, trinity

Volkswagen-Chef Oliver Blume krempelt den Konzern um.


Die Führung der Stammmarke hat Thomas Schäfer übernommen. Er und Blume sehen schon die bestehende Modellpalette kritisch, schätzen mit dem Blick nach vorn die Chancen für ein SUV deutlich größer ein. Heißt: Aus dem Model-3-Fighter wird – wenn schon – ein Model-X-Gegner. Ein Elektro-SUV der Oberklasse im Touareg-Format. Zwar war ein Hochsitz von Anfang in Planung, aber erst als zweites Modell.

Neue Einheitsplattform SSP

Festhalten will das Duo Blume/Schäfer an den technischen Eckdaten. Mit Trinity wird die neue Einheitsplattform SSP eingeführt, dazu die neue Software-Generation 2.0, die autonomes Fahren bis Level 4 erlaubt. Allein die wäre bis 2026 niemals fertig geworden, die hauseigene Softwareschmiede Cariad kämpft noch immer mit den Problemen bei den Versionen 1.1 (Volumenmodelle) und 1.2 (Premiumfahrzeuge wie zum Beispiel Porsches E-Macan und der Audi Q6 e-tron). volkswagen, oliver blume, zukunft, pläne, trinity

So geht Passat in elektrisch. Im Sommer 2023 bringt VW den ID.7 als Limousine.


Bis SSP allerdings serienreif ist, muss für die Volumenmodelle der Modulare Elektro-Baukasten (MEB) weiter genutzt werden, auf dem die aktuellen IDs aufbauen – nächster Wurf: der Elektro-Passat ID.7 ab Mitte 2023. Immerhin als MEB+ mit mehr Reichweite (bis 700 Kilometer) und höherer Ladeleistung (200 kW). Fest steht aber: Den neuen Chefs gefällt das nicht, das Motto ist jetzt: Das Beste aus der Plattform und ihren Zwängen machen.

Stammwerk nicht ausgelastet

Ebenfalls auf dem Prüfstand: das neue Werk. Anders als der gebürtige Münchner Diess, der mit Wolfsburg und seinen “Wir-sind-kein-Start-up-Traditionen” nie warm wurde, steht der aus Braunschweig stammende Blume zum Standort. Aber: Er will Trinity lieber im Stammwerk bauen. volkswagen, oliver blume, zukunft, pläne, trinity

Mit dem ID. Life wollte Herbert Diess einen kleinen City-Stromer bringen. Der Entwurf ist durchgefallen, das Cabrio wird nicht gebaut.


Das ist bereits seit Längerem nicht ausgelastet, was unter anderem auch zum Zerwürfnis zwischen Diess und Betriebsratschefin Daniela Cavallo führte. Auch hier lenken Blume und Schäfer gegen: In einem ersten Schritt soll der ID.3, der im Frühjahr ein Facelift erhält, zukünftig neben Zwickau auch in Wolfsburg gebaut werden. Doch damit nicht genug, das große Aufräumen geht weiter. Die unter Diess-Brandstätter-Ägide entstandene Studie ID. Life, die einen Vorgeschmack auf den Kleinwagen ID.2 geben sollte, ist bei den neuen Bossen ebenfalls durchgefallen, schon kurz nach seinem Amtsantritt im Sommer beauftragte Schäfer Chefdesigner Jozef Kabanˇ damit, den ID.2 neu zu zeichnen.

Audis Artemis-Projekt abgesägt

Erste Entwürfe liegen vor, sie haben nichts mehr mit dem SUV-Cabrio vom Herbst 2021 zu tun – abgesegnet sind sie aber noch lange nicht. Auch von einem Mini-ID. Buzz ist die Rede, ob der es in Serie schafft: ebenfalls offen. volkswagen, oliver blume, zukunft, pläne, trinity

Audi Grandsphere: Die Studie ist ein Ausblick auf den neuen A8, sollte aus dem neuen Artemis-Projekt entstehen. Auch das wurde gekippt.


Bereits abgesägt hat Blume Audis Artemis-Projekt, das Ingolstädter Pendant zu Trinity. Eigentlich sollte daraus schon 2024 das erste Serienmodell entstehen – ein elektrischer Nachfolger für den A8 auf einer komplett neuen Plattform. Einen ersten Ausblick gab die Studie grandsphere, mit der Chefdesigner Marc Lichte ein völlig neues Fahrzeugkonzept in der Oberklasse etablieren will – ein Crossover aus Limousine, Coupé und Kombi. Daran soll sich erst mal nichts ändern, aber: Die Verantwortung wandert vom Artemis-Projekt zurück in die Konzernentwicklung, die Software 2.0 ist auch hier vom Tisch, als Basis soll die gemeinsam von Audi und Porsche entwickelte SSP61-Plattform dienen; quasi der sportliche Ableger der SSP.

Blume bekennender Teamplayer

Gemeinsam – das ist ohnehin einer der Grundsätze in Blumes Strategie. Der VW-Chef ist, anders als sein Vorgänger, bekennender Teamplayer, setzt stark auf Synergien. Während Diess den einzelnen Markenchefs oft viele Freiheiten ließ, führt Blume sie deutlich enger, ist aus Konzernkreisen zu hören. Mit dem Porsche-Chef dürfte das zu keinen Reibereien führen, der ist Blume selbst, in Personalunion. Spannender bleibt die Frage: Wie stark lässt sich Audi-Chef Markus Duesmann (den Diess einst von BMW holte) reinreden? Immerhin: Duesmann hat die Erlaubnis für den Formel-1-Einstieg bekommen, er könnte sich dafür an anderer Stelle kooperativ zeigen. volkswagen, oliver blume, zukunft, pläne, trinity

Ursprünglich sollte Trinity 2026 starten, daraus wird nichts. Vielleicht 2028, vielleicht später.


Mindestens genauso selbstbewusst wie Duesmann tritt Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann auf. Er muss, ebenso wie Bentley-Boss Adrian Hallmark, seine Marke in eine E-Zukunft führen. Dass sich Sportwagen und E-Mobilität nicht ausschließen, hat Blume als Porsche-Chef mit dem Taycan vorgemacht, von den anderen Sportmarken im Konzern wird er bald Ergebnisse sehen wollen.

Wie geht es mit Skoda, Seat und Cupra weiter?

Und Skoda, Seat und Cupra? Im Zuge der Wolfsburger Rochade im Sommer ist Klaus Zellmer von VW an die Skoda-Spitze gewechselt. Seine Herausforderung: Er muss günstige Einstiegsmodelle liefern, auch und gerade mit Blick auf die stärker werdende Konkurrenz aus China. Cupra wird sich auch unter Blume mit Chef Wayne Griffiths um emotionale Autos kümmern dürfen, die Zukunft von Seat ist allerdings weiterhin unklar. Denkbar sind zwei Szenarien: Entweder wird Seat zur Mobilitätsmarke, die Autos und Angebote für Abos, Ride-Sharing und mehr anbietet – oder aber zur Einstiegsmarke, die dann sogar mit Dacia konkurrieren könnte. So oder so: Der interne Konkurrenzkampf mit Skoda muss aufgelöst werden. Es sind viele Baustellen, an denen Oliver Blume in den kommenden Monaten und Jahren arbeiten wird. Sie allein zu bewältigen, ist schier unmöglich. Gut, dass Blume Teamplayer ist.

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