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VanMoof S3 (2021) im Praxis-Test: Bis in die Unendlichkeit?

Mithilfe einer Powerbank soll der Motor des VanMoof S3 den Fahrer auch auf der höchsten Stufe über 100 Kilometer weit unterstützen. Stimmt das wirklich? Wir machen den Praxis-Test.

Mit dem Rad zur Arbeit zu fahren, das ist (in normalen Zeiten) für viele Leute Alltag. Als Berufspendler wohne ich allerdings 70 Kilometer von meinem Arbeitsplatz entfernt. Mit einem herkömmlichen Fahrrad ist die Strecke zwar zu schaffen, aber ob man danach noch konzentriert am Schreibtisch sitzen kann? Ich weiß es nicht. Gut nur, dass das VanMoof S3 in der aufgebesserten Version von 2021 kein normales Fahrrad ist. Das E-Bike ist mit einem Elektromotor ausgestattet, der den Fahrer bis zu einem Tempo von 25 Kilometer pro Stunde (km/h) unterstützt. Wie stark diese Unterstützung ausfallen soll, entscheidet man in der zugehörigen App. Die niedrigste Stufe ist 1, die höchste 4. Weil 70 Kilometer eine Hausnummer sind, entscheide ich mich für die größte Unterstützung.

VanMoof-Powerbank sorgt für mehr Reichweite

Das Problem: Auf Stufe 4 bietet das VanMoof S3 laut Hersteller eine Reichweite von 60 Kilometern. Das wäre zu wenig, um mein Ziel zu erreichen. Mit der Powerbank hat das Unternehmen Anfang April 2021 aber die passende Lösung vorgestellt. Der Akku mit 378 Wattstunden soll eine zusätzliche Reichweite von bis zu 100 Kilometern bringen, wenn man viel strampelt. Wer die volle Unterstützung braucht, kommt immerhin 45 Kilometer weiter. Die Installation ist recht einfach. Im Paket neben der 2,8 Kilogramm schweren Powerbank liegt eine Halterung, die Nutzer ans Rad anbringen. In die wird die Powerbank eingeschoben, ein Schloss sorgt dafür, dass böse Buben das 348 Euro teure Zubehör nicht einfach mitgehen lassen können. Klettverschlüsse halten das Stromkabel an Ort und Stelle.vanmoof s3 (2021) im praxis-test: bis in die unendlichkeit?

Über Geschmack lässt sich streiten: Die Powerbank nimmt dem VanMoof S3 aber etwas vom zeitlosen Look.

Lichter und Klingel: Die App regelt das

So präpariert und mit zwei vollen Akkus startet die Fahrt von Lübeck nach Hamburg. Schon nach dem ersten Kilometer der erste Stopp: Fahrradkontrolle durch die Polizei. Für das VanMoof kein Problem. Vorder- und Hinterlampe leuchten konstant. Die Klingel im klassischen Sinne ist zwar nicht an Bord, über einen Knopf spielt das S3 aber einen von drei Tönen ab. Welcher es sein soll, legen Sie in der App fest. Hier stellen Sie auch ein, ob das Licht immer leuchten soll oder ob Sie den Sensoren des Rades vertrauen wollen, die das Licht bei schlechten Verhältnissen selbst einschalten. Von diesen Sensoren gibt es ganz schön viele, darunter auch welche, die bemerken, wenn finstere Gesellen das abgeschlossene Rad wegtragen wollen. Dann macht es ordentlich Lärm.

Diebstahlschutz inklusive

Gegen Diebstahlversuche kann der Besitzer das Rad auch leicht sichern. Am Hinterrad befindet sich das “Kick Lock”, wer einmal mit der Fußspitze dagegen tippt, schließt das Rad ab. Gut für den Fahrradkeller. Fahrern, die es draußen stehen lassen, empfiehlt der Hersteller aber ein zusätzliches Schloss. Aufschließen lässt sich das Rad bequem auf Knopfdruck, wenn das Smartphone in der Nähe ist. Lässt sich das Rad doch einmal nicht auffinden, etwa am vollen Abstellplatz am Bahnhof, hilft einmal mehr das Smartphone. Die Position bestimmen Sie über die VanMoof-App. Bei der neuen Version des S3 können Sie das Rad auch mit der “Wo ist?”-App auf dem iPhone verbinden. Doppelt findet besser.

70 Kilometer ohne Federung

Auch das Rad selbst wirkt sicher. Die Bremsen greifen gut und zuverlässig. Der Extremtest folgt wenige Hundert Meter nach der Kontrolle, als ein Passant unachtsam über den Radweg geht. Gefahrenbremsung? Kein Problem. Auch sonst fährt sich das VanMoof in der Stadt traumhaft! Das liegt auch am zweiten Knopf am Lenker. Der zündet den Turbo und sorgt dafür, dass man innerhalb weniger Sekunden die 25 km/h erreicht hat. Spaß macht es schon, allen davon zu zischen, sobald die Ampel grün zeigt. Auch während der Tour de France auf Sparflamme Richtung Hamburg lohnt sich der Einsatz. Obwohl Schleswig-Holstein gemeinhin als Flachland gilt, gibt es den einen oder anderen Anstieg zu bewältigen. Bei typisch norddeutschem Schietwetter und heftigem Gegenwind von Sturmtief Eugen ist der Knopf eine willkommene Hilfe. Was dagegen stört: Das VanMoof ist nicht gefedert. In der Stadt auf glattem Asphalt ist das kein Problem. Auf den Radwegen auf der Landstraße nehmen Sie die 23. Baumwurzel noch gelassen hin, ab der 24. fängt es aber an zu nerven – und im Hintern zu schmerzen.vanmoof s3 (2021) im praxis-test: bis in die unendlichkeit?

Die Powerbank von VanMoof erweitert die Reichweite vom VanMoof S3, funktioniert aber auch mit dem VanMoof X3.

Boxenstopp nach 50 Kilometern

Nach 35 Kilometer Fahrt durch Dörfer und über die Landstraße ziehe ich ein kurzes Zwischenfazit. Laut App lag mein Durchschnittstempo auf der ersten Hälfte der Fahrt bei 22 km/h, in der Spitze kam ich auf 33 km/h. 59 Prozent der verfügbaren Akkukapazität habe ich dabei in Anspruch genommen. Wohl auch, weil ich den Turbo-Knopf häufiger gedrückt habe. Insgesamt liege ich aber voll im Soll. Nach etwa 50 Kilometern folgt dann der echte Boxenstopp. Reifenwechseln geht nicht, tanken schon. Der Akku ist am Ende. Zeit für die Powerbank. Per Knopf schaltet man den Zustrom an. Das Rad lädt nun beim Fahren. Den Rest der Wegstrecke bringe ich dank Zusatzakku bequem hinter mich. Mit Erreichen der Großstadt muss ich öfter an Ampeln halten, deswegen sinkt die Durchschnittsgeschwindigkeit auf 20,4 km/h. Wie schnell man unterwegs ist, kann der Fahrer übrigens jederzeit ablesen. Im Oberrohr sitzt das Matrix-Display. Es zeigt die Geschwindigkeit und den Akkustand an. In der neuen Version des S3 soll es besser abzulesen sein. Ohne Vergleichswert ist das schwer zu sagen. Erkennen kann man aber alles.

Hier muss VanMoof noch nachbessern

70 Kilometer sind eine lange Strecke, um Eigenheiten des Rads kennenzulernen, die man während kurzer Trips in der Stadt vielleicht übersieht oder schlicht nicht bemerkt. Ein Punkt ist die Schaltung. Das VanMoof schaltet automatisch hoch und runter. Wer mag, stellt die Intervalle in der App selbst ein oder wechselt von den Einstellungen fürs Flachland auf Berglandschaft. Die Idee ist gut, in der Praxis hat die Automatik aber ihre Macken. Bei Tempo 20 in den nächsten höheren Gang zu schalten, war häufig mit einem lauten Knacken verbunden. Andere VanMoof-Fahrer aus der Redaktion berichten, dass das schon bei der alten S3-Version der Fall war. Schade, dass der Hersteller hier nicht nachgebessert hat.vanmoof s3 (2021) im praxis-test: bis in die unendlichkeit?

Gut angekommen: 70 Kilometer sind eine weite Strecke. Erschöpft ist man nach der langen Fahrt dank der Unterstützung aber nicht.

Dank Powerbank kein Problem

VanMoof selbst sagt, mit der Powerbank nähern sich die Räder des Herstellers der durchschnittlichen Reichweite eines Elektroautos an. Der Vergleich hinkt natürlich. Im Auto sitzt man warm und kommt schneller voran. Die gesamte Tour nach Hamburg auf dem Rad hat gut drei Stunden und 40 Minuten gedauert. Das ist zu lang für den einfachen Weg zur Arbeit. Trotzdem ist es beeindruckend, dass Bike und Powerbank genug Saft liefern, um locker und entspannt zum Ziel zu rollen. Am Ende war das Rad bei 38 Prozent, die Powerbank hatte noch 9 Prozent intus. Der halbe Rückweg hätte also funktioniert. Natürlich bietet der Extra-Akku noch weitere Vorteile. So müssen Fahrer das Rad nicht mehr in die Wohnung bugsieren, um es aufzuladen. Das klappt dann auch im Keller oder im Schuppen.

Fazit: Ausdauernd, aber auch teuer

Der Test zeigt: Auch lange Strecken sind mit dem E-Bike möglich. Würde ich das wieder machen? Ja. Würde ich das regelmäßig machen? Nein. Für derart lange Touren fehlt mir definitiv eine Federung, außerdem muss der Hersteller die Schaltung in den Griff bekommen. Die kurze Tour in der Innenstadt machte dagegen umso mehr Spaß. Die schaffe ich allerdings auch mit meinem normalen Rad. Das hat war keinen E-Motor, dafür aber eine Federung. Außerdem ist mir das Bundle für kurze Strecken etwas zu teuer. Das VanMoof S3 kostet 1.998 Euro, die Powerbank 348 Euro extra. Wer sich das leisten will, hat am Ende aber Spaß beim Fahren.

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