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Test: Renault Kangoo Van, Entspannter Kollege mit Erfahrung

In den letzten 25 Jahren haben sich fast viereinhalb Millionen Kangoo auf Firmen in 70 Ländern verteilt – da kommt ein bisschen Know-how zusammen. Immer wieder treibt der Franzose die Kleintransporter-Klasse mit neuen Ideen an. In der dritten Generation gibt es eine raffinierte Laderaumverlängerung, eine Tor-statt-Tür-Version, einen tiefenentspannten Diesel und eine weitgehend kompromisslose Elektroversion.

Übung macht den Meister – stimmt der Spruch?
Hier auf jeden Fall. Die meisten erfolgreichen Nutzfahrzeuge sind seit Jahrzehnten im Geschäft. Über die Jahre lernen sie immer mehr über die Bedürfnisse ihrer Kunden und perfektionieren parallel das eigene Produktionsumfeld – so entstehen Innovationen und Qualität. Auch der Kangoo zählt zu diesen etablierten Größen, seit der Markteinführung im Jahr 1997 hat er in 70 Ländern reüssiert und sich fast viereinhalb Millionen Mal verkauft. Der Renault-Marktanteil bei den leichten Nutzfahrzeugen beträgt in Europa fast 15 Prozent. Immer wieder treibt der Kangoo Van sein Segment mit neuen Ideen an, als erster Kleintransporter hatte er zum Beispiel seitliche Schiebetüren und geteilte Hecktüren.
Die hier getestete dritte Generation – sie debütierte 2021 mit Verbrennungsmotoren und 2022 mit Elektroantrieb – überrascht die Konkurrenz erneut durch Innovationen und wurde folgerichtig zum „Van oft he Year 2022“ gekürt. Gebaut wird sie unverändert im Renault-Werk Maubeuge in Frankreich, in das Renault noch einmal kräftig investiert hat.
 
Welche Varianten gibt es? Und welche Alternativen?
Der Kangoo Van ist in der Kurzversion (L1) parkplatzfreundliche 4,48 Meter lang und – falls man doch kein Glück hat – garagentaugliche 1,86 Meter hoch. Das maximale Ladevolumen bis zur Kabinen-Trennwand beträgt 3.300 Liter, mit geöffneter Trennwand sind es bis zu 3.900 Liter. Ab Werk gibt es den Kangoo Van als Zweisitzer oder mit Dreier-Sitzbank. Knapp über 500 Kilo Nutzlast sind serienmäßig, 200 Kilo lassen sich über die Extraliste draufpacken. Verfügbar sind Benzin-, Diesel- und Elektroantriebe sowie Schaltgetriebe- und Automatikvarianten.
Die Kangoo Van Langversion (L2) mit 4,91 Metern Außenlänge und 4.200 bis 4.900 Litern Ladevolumen startet 2023, ab März sind die Verbrenner verfügbar, etwas später die Stromer.
Als Alternativen in der Renault-Palette gibt es unterhalb den 4,39 Meter langen, aber nur als Zweisitzer verfügbaren Express Van, der für ähnliche Zielgruppen konzipiert ist. Oberhalb geht es mit dem mindestens 5,08 Meter langen, also deutlich größeren Trafic weiter.
 
Neuigkeiten beim Design?
Der Firmenauftritt ist mit dem neuen Kangoo Van auf jeden Fall flotter. Die Schürzen sind zwar weiterhin aus Kunststoff, aber sonst wird das Lieferwagen-Flair weniger: Eine geschwungene Chromleiste wertet den Kühlergrill auf, ein trapezförmige Silberleiste schmückt den Stoßfänger. Das Tagfahrlicht hat eine auffällige C-Form. Seitlich weichen die Ecken und Kanten zugunsten rundlicherer Formen. Hinten, wo die Kastenform unumstößlich ist, bemühen sich schicke LED-Leuchten und ein silberner Unterfahrschutz um Atmosphäre.

test: renault kangoo van, entspannter kollege mit erfahrung

Der Kangoo Van ist in der L1-Version parkplatzfreundliche 4,48 Meter lang und – falls man doch kein Glück hat – garagentaugliche 1,86 Meter hoch.

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Das Tagfahrlicht hat eine auffällige C-Form.

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Schicke LED-Leuchten werten das Heck auf.

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Eine geschwungene Chromleiste wertet den Kühlergrill auf, ein trapezförmige Silberleiste schmückt den Stoßfänger.

Was bietet das Cockpit?
Mehr PKW-Ausstattung. Das Armaturenbrett ziert eine Dekorleiste, die Sitzbezüge setzten mit gelben Streifen und weißen Ziernähten nette Akzente. Ein 8,0-Zoll-Touchscreen (Easy Link 8) um 550 Euro bindet Android Auto respektive Google Maps sowie Apple Carplay ein. Es handelt sich auch darüber hinaus um ein übersichtliches, leicht verständliches Multimediasystem – das ist schon was anderes als die Fummelei mit der Handyhalterung. Digitalradio, Festplattennavigation und die Möglichkeit zum kabellosen Handyladen werden zu wohlfeilen Preisen angeboten. Angenehm im Alltag ist der in die Armaturen integrierte Bordcomputer mit 4,2-Zoll-Farbdisplay und Lenkradfernbedienung. Die kräftige Klimaanlage hat Drehräder mit Silbereinfassung und lässt sich zur Automatik upgraden.
 
Wie praktisch ist die Kabine?
Das Lenkrad ist nun höhen- und tiefenverstellbar, auch die Fahrersitzhöhe kann weiter variiert werden – beides wichtig für längere Fahrten. Leicht erreichbare offene Ablagen gibt es in den Türen, zwischen den Sitzen und unter dem Bildschirm. Sehr praktisch ist zudem das geschlossene Fach direkt hinter dem Lenkrad, Fahrer-Handschuhfach quasi. Die großzügige Ablage im Armaturenbrett wird dagegen ein bisschen vom Bildschirm zugestellt, und anfällig auf Windschutzscheibenspiegelungen. Das echte Handschuhfach ist eine großzügige Sieben-Liter-Schublade. Das meiste Volumen hat mit 19,4 Litern das Ablagefach unter dem Dach.
 Unter der aufklappbaren Beifahrersitzbank wartet weiterer Stauraum, dort können auch Laptops gut fixiert und zugleich versteckt werden. In der Variante mit drei Plätzen lässt sich die mittlere Sitzlehne umklappen und als Arbeitsfläche für den Computer nutzen. Oder als Tisch für Pause und Jause. 12-Volt-Anschlüsse sind unter dem Lenkrad und in der Mittelkonsole eingebaut.

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Das Lenkrad ist nun höhen- und tiefenverstellbar, auch die Fahrersitzhöhe kann weiter variiert werden – beides wichtig für längere Fahrten.

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Geschlossenes Fach hinter dem Lenkrad, Fahrer-Handschuhfach quasi.

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Das echte Handschuhfach ist eine großzügige Schublade.

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Der 8,0-Zoll-Touchscreen bindet Android Auto und Apple Carplay ein. Und ist auch sonst ein übersichtliches, leicht verständliches Multimediasystem.

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Die Sitzbezüge setzten mit gelben Streifen und weißen Nähten Akzente.

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Das Schaltgetriebe könnte etwas exakter geführt sein.

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Ab Werk gibt es den Kangoo Van als Zweisitzer oder mit Dreier-Sitzbank.

Wie gut ist der Laderaum organisiert?
Der Laderaum hat schon in der Kurzversion (L1) ein stolzes Volumen von 3.300 Litern und liegt nur 63 Zentimeter über dem Asphalt. Die Öffnung ist 1,25 Meter breit und 1,15 Meter hoch. Für den Laderaumboden gibt es optional robusten Kunststoff- und rutschfesten Holzbelag. Die hinteren Türen lassen sich im Verhältnis 1/3 zu 2/3 öffnen und schwingen 180 Grad auf. Der 12-Volt-Anschluss im Laderaum ist praktisch für das Laden von Geräten.
Für besseren Diebstahlschutz selbiger gibt es an den Hecktüren keine separat sperrbaren Schlösser mehr, alles läuft über die Zentralverriegelung, die per Schlüssel oder Knopfdruck im Cockpit gesteuert wird. Optional lassen sich die Zugangsregeln verschärfen, dann geht die Tür gar nicht auf, wenn kein Schlüssel in der Nähe erkannt wurde. Auch ein verstärktes Hecktürschloss kann bestellt werden.
 
Für lange Genstände gibt es eine neue Lösung – wie funktioniert sie?
Durch ein Dachgestell lässt sich der Laderaum raffiniert verlängern, das „Easy Inside Rack“ genannte System kostet netto 450 Euro Aufpreis und besteht aus einer ausklappbaren Dachgalerie mit Verzurrösen sowie einer Einbuchtung der Kabinentrennwand über dem Beifahrersitz. Bis zu 2,08 Meter lange Gegenstände lassen sich damit in der Kurzversion (L1) unterbringen, mit dem normalen Laderaum ist bei 1,80 Metern Schluss. In der Langversion (L2) sind dann sogar 2,50-Meter-Ungetüme verstaubar. Im Gegensatz zu Dachträgern sind die Objekte innen nicht nur vor Diebstahl geschützt, sondern auch vor schlechtem Wetter – somit können neben Leitern, Stangen und Schläuchen auch die bunten Roll-ups der Werber oder die weißen Hintergrundwände der Fotografen mitkommen. Garagen bleiben dann trotz Sperrgut nutzbar, in Städten ein immer wichtigeres Thema. Der Beifahrersitz wird nicht beeinträchtigt, und weil sich die Vorrichtung einklappen lässt, knabbert das „Easy Inside Rack“ auch nicht am Maximal-Ladevolumen.
 
Auch bei der seitlichen Schiebetür überrascht der Kangoo Van – wie genau?
Eine der zwei seitlichen Schiebetüren lässt sich nun optional zum Tor ausbauen. Durch den Wegfall der B-Säule auf der rechten Seite bekommt der Kangoo dadurch den mit 1,44 Metern breitesten seitlichen Innenraumzugang aller Kleintransporter. Gleichzeitig lässt sich die Beifahrertür bis zu 90 Grad öffnen, um das Ein- und Ausladen noch leichter zu machen. Daraus ergeben sich 3,05 Meter Laderaumlänge, wenn der Beifahrersitz umgeklappt und die Kabinen-Trennwand zur Seite geschwenkt wird.
Angeboten wird „Open Sesame“ für die rechte Fahrzeugseite der zweisitzigen Standardversion (L1) mit Elektroantrieb. Die Öffnung ist mehr als doppelt so groß wie bei der normalen Schiebetür, der Aufpreis beträgt 1.000 Euro netto. Die traditionell lange Liste der Ein- und Umbau-Möglichkeiten wird dadurch ebenfalls erweitert – als Ansprechpartner fungiert Renault Pro+, wo Dienstleistungen, Beratungen und maßgeschneiderte Produkte schon seit 2003 gebündelt werden.

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Eine der seitlichen Schiebetüren lässt sich optional zum Tor ausbauen, das ergibt den mit 1,44 Metern breitesten Seitenzugang aller Kleintransporter.

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Unter der Beifahrersitzbank können Laptops fixiert und versteckt werden.

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Besser als Dachträger: Innen-Dachgalerie mit verlängertem Laderaum.

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Der Laderaum fast schon in der Kurzversion 3.300 Litern und liegt nur 63 Zentimeter hoch. Die Türen schwingen 180 Grad auf.

Wie fährt sich der Kangoo Van?
Die getestete L1-Version mit 95-PS-Diesel und Schaltgetriebe macht den Kangoo Van zum tiefenentspannten Kollegen: Dem 1,5-Liter-Selbstzünder sitzt die Mobilitätswende zwar schon im Nacken, vorläufig fährt er aber noch in der Form seines Lebens durch die Gegend – nämlich kultiviert-leise brummend, angenehm von unten raus beschleunigend und (im Test) grade mal 5,5 Liter verbrauchend. Die Beschleunigung ist ziemlich gemütlich, reicht aber im Normalfall. Nur das Schaltgetriebe könnte noch etwas exakter geführt sein. Wer oft längere Strecken fährt – was sich durch die bessere Geräuschdämmung und das durchaus flotte Handling anbietet – wird bevorzugt zum 115-PS-Diesel und eventuell auch zum 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe greifen. Sorgen um Zufahrtsbeschränkungen muss man sich indes keine machen, die Blue dCi von Renault erfüllen die neuen Abgasnormen Euro 6D FULL.
Dass der Kangoo einen Heck-Überwachungs-Assistenten hat, also ein 7-Zoll- Monitor beim verblechten Fahrzeug den Innenrückspiegel ersetzt, ist ein enormer Komfortgewinn in der Praxis.

Welche Alternativen zum Diesel gibt es?
Die Benziner sind in der Anschaffung gut 2.000 Euro günstiger als die Diesel, rund zwei Liter Mehrverbrauch wird man in der Praxis kalkulieren müssen. Die Elektroversion kostet rund 10.000 Euro mehr, hat aber im Gegenzug deutliche steuerliche Vorteile. Ladevolumen und Zuladung bleiben beim Kangoo E-Tech Electric weitgehend unangetastet, da startet Renault kompromisslos in die neue Ära. Während der Diesel allerdings fast 1000 Kilometer mit einer Tankfüllung kommt, werden es bei der 122 PS starken E-Version rund 250 Kilometer durchschnittliche Praxis-Reichweite sein (WLTP-Wert 287 bis 300 km). Die 44-kWh-Batterie kann an der Haushaltssteckdose mit 2,3 kW geladen werden, knapp 23 Stunden dauert es so bis 100 Prozent. AC-Laden an Wallboxen ist mit 3,7 kW, 11 kW und sogar 22 kW möglich, bei letzterer Variante reduziert sich die Ladezeit auf nur eineinhalb Stunden. Der DC-Schnelllader kostet Aufpreis und arbeitet mit bis zu 80 kW, in rund 45 Minuten lassen sich 80 Prozent und somit 170 Kilometer Reichweite nachladen.
 
Das Fazit?
Der kultivierte Antrieb und die guten Ideen für den Laderaum machen den Kangoo Van in der dritten Generation zu einem entspannten, erfahrenen Arbeitskollegen. Und das ist ja eigentlich der Idealfall.

Fotolocation: Leiner-Garagenboxen Sofie Lazarsfeld Straße – www.leinerlager.at

test: renault kangoo van, entspannter kollege mit erfahrung

Fazit von Motorprofis-Tester Fabian Steiner: „Kultivierter Antrieb, gute Laderaum-Ideen – ein entspannter Arbeitskollege mit Erfahrung”.

DATEN & FAKTEN

Renault Kangoo Van

(November 2022)

Preis

Testwagen dCi 95 Extra 24.550 Euro netto / 29.460 Euro brutto. Einstiegspreis Kangoo Van: 19.950 Euro netto / 23.940 Euro brutto. Einstiegspreis Kangoo E-Tech Electric 31.300 Euro netto / 37.560 Euro brutto.

Antrieb

dCi 95: 1,5-Liter-Turbodieselmotor, Leistung 70 kW / 95 PS, Max. Drehmoment 260 Newtonmeter. 6-Gang-Schaltgetriebe, Frontantrieb.

Weitere Antriebsvarianten: Diesel mit 75 und 115 PS, Benziner mit 100 und 130 PS, Elektro mit 122 PS.

Abmessungen

Kurzversion L1: Länge 4.486 mm, Breite 1.919 mm, Höhe 1.864 mm. Radstand 2.716 mm. Maximales Laderaumvolumen 3.300 Liter bzw. mit Open Sesame 3.900 Liter.

Langversion L2: Länge 4.910 mm, Ladevolumen 4.200 – 4.900 Liter.

Gewicht

dCi 95 L1: Leergewicht 1.537 kg, Höchstzulässiges Gesamtgewicht 2.040 kg, Zuladung 503 kg (plus 200 kg Zuladung gegen Aufpreis). Anhängelast gebremst 1.500 kg, Dachlast 80 kg.

Fahrwerte

dCi 95 L1: Höchstgeschwindigkeit 164 km/h, Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 15,1 Sekunden, Verbrauch nach WLTP 5,2 Liter, CO2-Emission nach WLTP 136 g/km.

Testverbrauch

5,5 Liter (mit dem dCi 95 L1).

MOTORPROFIS WERTUNG

Fahrspass

6 Punkte

Vernunft

10 Punkte

Preis-Leistung

8 Punkte

Gesamturteil

8 Punkte

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