Honda

Honda Civic

Test: Honda Civic, Auf subtile Art großartig

Der Civic ist das vielleicht am meisten unterschätzte Mainstream-Auto in Europa. In der Kompaktlasse gehört er zu den Besten – weil sein Antrieb so kultiviert ist und spielend Vierer vor das Komma schreibt, weil sein Innenraum logisch und überraschend groß ist, weil er sportliche und komfortable Momente gleichermaßen hat.

Außenseiter und Bestseller zugleich – wie geht das?
Europa mit seiner traditionell starken Kompaktklasse hat einen etwas unscharfen Blick auf den Civic. Tatsächlich ist der Japaner kein Nischenmodell, sondern ein globaler Bestseller, der europäische Mitbewerber in absoluten Zahlen oft klar übertrifft. Das gilt für aktuelle Rankings ebenso wie für das große Ganze: Mit rund 28 Millionen Kunden in 50 Jahren zählt der Civic zu den erfolgreichsten Autos der Geschichte.
 
Hat der Neue gute Chancen in Europa?
Ja, bessere als zuletzt. 2022 wurde die inzwischen elfte Civic-Generation lanciert und mit einem ganzheitlichen Upgrade deutlich aufgewertet, ohne den Wandel beim Antrieb und im Innenraum zu übertreiben. Während europäischen Hersteller bei ihrer Digital- und Elektro-Transformation mitunter den Kundengeschmack aus den Augen verlieren, könnten die Japaner da einen Nerv treffen. Zumal der Civic nicht nur das rätselfreie Cockpit und den normalen, vergleichsweise preisgünstigen Hybridantrieb als Argumente vorbringen kann, sondern auch die erweiterte Zielgruppe: Familien dürfen sich angesprochen fühlen, mit Fließheck und über viereinhalb Metern Länge positioniert sich der Civic am oberen Rand der Kompaktklasse – wer sich länger nicht mit Autos beschäftigt hat, könnte ihn auch für den neuen Accord halten (tatsächlich wird der nicht mehr angeboten, die Mittelklasse besetzt nun der CR-V, darunter positionieren sich der HR-V und ab 2023 noch ein weiterer Crossover).
 
Wie ist das Design gelungen?
Der neue Civic tritt dezenter auf als sein Vorgänger, dem mitunter eine zu hektische Formensprache vorgeworfen wurde. Das neue Design ist deutlich glatter und ruhiger,
prompt sagen Einige, es könnte etwas aufregender sein. Man kann es nicht allen recht machen, und warum sollte man auch?
Das Besondere am Civic ist ohnehin subtiler, sein Design ist unaufdringlich und trotzdem sportlicher als jenes der Konkurrenz: Der Japaner deutet Coupé-Ästhetik nicht nur an, sondern nimmt mit nur 1,40 Metern Dachhöhe tatsächlich eine sportlich-geduckte Haltung ein. Auch die bereits niedere Motorhaube konnte weitere 25 Millimeter tiefergelegt, der Radstand noch mal um 35 Millimeter gestreckt werden. Das Fließheck wirkt im neuen Civic viel länger und schließt mit einer Spoiler-Lippe elegant ab. Die Rücklichter sind durch ein Kunststoffband verbunden, das gibt dem hinteren Ende gute Breitenwirkung.

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Das Design ist unaufdringlich und trotzdem sportlicher als jenes der Konkurrenz. Nur 1,40 Meter Dachhöhe, sprich: sportlich-geduckte Haltung.

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Die bereits niedere Motorhaube wurde weitere 25 Millimeter tiefergelegt.

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Rücklichter und Kunststoffband geben dem hinteren Ende Breitenwirkung.

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Dem Vorgänger wurde mitunter eine hektische Formensprache vorgeworfen. Das neue Design ist deutlich glatter und ruhiger.

Kann der Innenraum überzeugen?
Er ist weder besonders fancy noch techy, sondern mit robusten Materialien auffallend gut verarbeitet und logisch zu bedienen. Halten Sie uns für altmodisch – aber ja, das überzeugt uns mehr als jeder Showeffekt.
Honda gibt ja sogar den optisch interessanten Lösungen einen tieferen Sinn: Die schönen Aludrehregler für die Klima sind angenehm griffig. Und hinter dem feschen, durchgehenden Lüftungsdüsengitter verbergen sich vier Auslassstellen, deren Lamellen in noch größerem Winkel als bisher verstellt werden können. Einschränkung: Einzeln dosieren und abstellen lassen sich nur die zwei äußeren Lüftungsdüsen.
Die getestete Advance-Variante (Stufe drei von drei) kommt mit hochwertiger Innenausstattung, die Passagiere sitzen auf schwarzen Ledersitzen mit weißen Ziernähten und hören den Sound aus zwölf Bose-Boxen. Dem Fahrer wird das Lenkrad beheizt, das ist herrlich, auch wenn der große Bedienknopf direkt am Volant nicht ideal platziert wurde.
Honda verbaut generell noch relativ viele Schalter und Knöpfe, was konventioneller aussieht, für die Bedienung aber definitiv von Vorteil ist. Durchwegs logisch aufgebaut ist auch das 9-Zoll-Multimediasystem, wie bei vielen Systemen könnten einige Touch-Felder aber größer sein. Apple Carplay wird kabellos eingeleitet, für Android Auto braucht es noch eine Kabelverbindung. In der Topausstattung ersetzt ein 10,2-Zoll-Digitaldisplay die konventionellen Armaturen und rückt Informationen größer ins Blickfeld. Komplett auf die Navigationskarte umstellen lässt sich das Layout aber nicht. Die digitalen Skalen sind klassisch „Weiß auf Schwarz“ gestaltet und gut lesbar.
Eine kleine Bedieneinheit auf der Mittelkonsole ersetzt den Automatik-Wahlhebel, das Raumgefühl wird dadurch luftiger. Die intuitive Bedienung erfordert Gewöhnungszeit, klappt dann aber.
 
Ist das Platzangebot gut?
Ja! In Reihe eins ist es luftig, so weit auseinander sitzt man nicht in vielen Kompakten. Auch in der zweiten Reihe ist das Platzangebot größer als bei den direkten Konkurrenten. Man spürt im Civic die Nähe zur Mittelklasse. Dass man im neuen Civic relativ tief sitzt, mag SUV-Fahrer erstaunen, für Verbrauch und Handling hat diese Bauart große Vorteile (siehe übernächstes Kapitel).
Familien finden einen großzügigen 404-Liter-Kofferraum vor und freuen sich auch über die große Klappe. Der durch Umlegen der Fondlehnen erweiterte Kofferraum hat in der Mitte eine kleine Kante. Das Maximalvolumen beträgt rund 1.200 Liter, was ebenfalls ein guter Wert ist.

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Weder besonders fancy noch techy, sondern mit robusten Materialien auffallend gut verarbeitet und logisch zu bedienen.

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10,2-Zoll-Digitaldisplay mit gut ablesbaren Weiß-auf-Schwarz-Skalen.

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Die Automatik-Bedieneinheit erfordert Gewöhnungszeit.

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Durchwegs logisch aufgebaut ist auch das 9-Zoll-Multimediasystem. Darunter Aludrehregler für die Klimasteuerung.

Auf welche Antriebstechnik setzt Honda?
Beim Antrieb ist das neue Modell eine Zäsur: Einerseits werden konventionelle Benzin- und Dieselmotoren nicht mehr angeboten (zu hoher CO2-Ausstoß), andererseits werden Plug-in-Hybride und rein batterieelektrische Antriebe noch nicht angeboten (zu teuer für den Mainstream-Markt). Als goldene Mitte macht Honda den Vollhybridantrieb aus, und wir würden nicht wiedersprechen.
Das e:HEV-System hat eine kleinere Batterie, die sich durch Rückgewinnung von Bremsenergie selbst auflädt – also ohne Streckdose auskommt. Im Civic basiert es auf einer neue Lithium-Ionen-Batterie, zwei Elektromotoren und einem neu entwickelten 2.0-Liter-Benzinmotor, der über Direkteinspritzung verfügt und nach dem sparsamen Atkinson-Prinzip arbeitet. Eine neue Steuereinheit passt das Hybridsystem an die Fahrsituation an. Die Systemleistung beträgt 184 PS und das maximale Drehmoment 315 Newtonmeter – das sind Leistungsregionen, die europäische Hersteller oft nur noch mit der teureren Plug-in-Hybrid-Technik anbieten.
Während Toyota seinen Hybrid mit einem komplexen Planetengetriebe koppelt, verzichtet Honda ganz darauf – ein Direktantrieb mit festem Übersetzungsverhältnis leitet die Kraft auf die Vorderräder. Ein weiterer Unterschied ist, dass Honda bei Autobahngeschwindigkeiten zurück auf reinen Benzinantrieb wechselt, weil das effizienter sein soll. Klar ist: Die beiden japanischen Marken sind Technologieführer im Hybridbereich und liefern sich als traditionelle Kontrahenten auch eine Ingenieurswettbewerb, der diese Antriebsart in den letzten Jahren maßgeblich besser gemacht hat.

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Auch in der zweiten Reihe ist das Platzangebot größer als bei den direkten Konkurrenten. Man spürt die Nähe zur Mittelklasse.

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Hinter dem Lüftungsdüsengitter verbergen sich vier Auslassstellen.

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Der Sound kommt aus zwölf Bose-Boxen.

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Familien finden einen großzügigen Kofferraum vor und freuen sich auch über die große Klappe.

Wie fährt sich der neue Civic?
Die Beschleunigung ist mit reichlich Drehmoment unterfüttert, also kraftvoll. Der größere Hubraum des Benziners und die leistungsgesteigerte E-Maschine sorgen da für neue Souveränität. Weil das Motorgeräusch auf die Drehzahl abstimmt ist, also Gangwechsel simuliert werden, verbessert sich auch das Beschleunigungsgefühl (Linear Shift Control). Während der Antrieb bei sanfter Fahrweise wunderbar leise ist, erinnert er im Sportmodus fast an alte VTEC-Zeiten – der Sound des Verbrennungsmotors wird dann verstärkt und in den Innenraum übertragen (ASC – Active Sound Control).
Generell hat das Auto sportliche und komfortable Momente gleichermaßen. Es lässt sich betont entspannt durch den Stadtverkehr bewegen, hat bei flotter Fahrt geringe Innengeräusche, schluckt Unebenheiten ordentlich, lenkt sich angenehm leicht. Gleichzeitig offenbart es auch Agilität auf sportliche Etappen, geht flott in die Kurven, hängt dort gut am Gas, lässt sich präzise steuern. Honda hat sich nicht nur um eine betont ausgewogene Abstimmung bemüht, sondern auch in den technischen Details viel optimiert. Das Ergebnis ist ein erstaunliches Upgrade des Fahrgefühls.
 
Wie hoch ist der Verbrauch in der Praxis?
Der Civic schreibt ohne Anstrengungen Vierer-Werte an, der Testverbrauch lag bei 4,7 Litern! Im reinen Autobahnbetrieb braucht der Hybridantrieb etwas mehr, dank der guten Aerodynamik steht aber auch hier ein Fünfer vor dem Komma.

Wie schaut es preislich aus?
Normale Hybridantriebe (HEV) sind günstiger als Plug-in-Hybridantriebe (PHEV) – weil es in den Regionen über 180 PS bei der Konkurrenz oft nur noch PHEV gibt, ist Honda also eine preislich interessante Adresse für Fans von leistungsstarken Kompakten. Wer so viele Pferde gar nicht möchte, hat beim Civic zwar keine Alternative mehr, kann sich aber damit trösten dass der Verbrauch eher nach 84 PS wirkt als nach 184 PS. Klar ist, dass man muss durch den Wegfall der reinen Verbrenner-Varianten tiefer in die Tasche greifen muss, je nach Ausstattung kostet der Civic 32.790 bis 37.990 Euro. Im Konkurrenzvergleich stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis aber – mit der guten Ausstattung, den Platzverhältnissen fast wie in der Mittelklasse und dem komfortablen Antrieb bekommt man viel fürs Geld.
 
Das Fazit?
Das unaufdringliche Design ist beim genauen Hinsehen ziemlich sportlich. Der dezente Hybridantrieb erweist sich als leistungsstark und vor allem richtig sparsam. Der unauffällige Fahrstil überzeugt beim Reisen und in der Kurve. Ein auf subtile Art großartiges Auto, das nun zu den Besten in der Kompaktklasse gehört.

test: honda civic, auf subtile art großartig

Fazit von Motorprofis-Tester Fabian Steiner: „Ein auf subtile Art großartiges Auto, das nun zu den Besten in der Kompaktklasse gehört. Das unaufdringliche Design ist beim genauen Hinsehen ziemlich sportlich. Der dezente Hybridantrieb erweist sich als leistungsstark und vor allem richtig sparsam. Der unauffällige Fahrstil überzeugt beim Reisen und in der Kurve.”

DATEN & FAKTEN

Honda Civic e:HEV 2.0 i-MMD Hybrid Advance

(Dezember 2022)

Preis

37.990 Euro. Einstiegspreis Civic 32.790 Euro.

Antrieb

e:HEV Hybrid: 2,0-Liter-Vierzylinder-Benzinmotor (105 kW, 186 Nm) mit Atkinson-Zyklus, E-Motor, Generator, Lithium-Ionen-Batterien, Direktantrieb auf die Vorderräder mit festem Übersetzungsverhältnis. Systemleistung 184 PS, maximales Dreghmoment 315 Newtonmeter.

Abmessungen

Länge 4.55 Meter, Breite 1,80 Meter, Höhe 1.40 Meter; Radstand 2.73 Meter. Kofferraumvolumen 404 – 1.187 Liter.

Gewicht

Leergewicht 1.533 kg, Gesamtgewicht Zulässiges Gesamtgewicht 1.930 kg.

Fahrwerte

Höchstgeschwindigkeit 180 km/h, Beschleunigung 0 – 100 km/h in 8,1 Sekunden, WLTP-Normverbrauch 5,0 Liter.

Testverbrauch

4,7 Liter

MOTORPROFIS WERTUNG

Fahrspass

8 Punkte

Vernunft

9 Punkte

Preis-Leistung

7 Punkte

Gesamturteil

9 Punkte

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