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Teslas langer Weg zum autonomen Fahren: Autopilot mit 1000 Unfällen

teslas langer weg zum autonomen fahren: autopilot mit 1000 unfällen

Autopilot

Als Tesla im Jahr 2013 ankündigte, seine Fahrzeuge mit einem „Autopiloten“ auszustatten, fragten sich viele Branchenkenner: Wie war es möglich, dass ein kalifornischer Nischenanbieter, der damals nur wenige Tausend Autos im Jahr produzierte, die komplette deutsche Automobilindustrie rechts überholte? Die nämlich arbeitete schon seit Ende der 1980er-Jahre ernsthaft an der Automatisierung des Fahrens. Doch die öffentlich geförderten Gemeinschaftsprojekte von Herstellern, Zulieferern und Universitäten hatten bis dahin nicht weit geführt.

Immerhin erlaubte der Abstandsregeltempomat, Ergebnis des europäischen Forschungsprojekts „Prometheus“, auf der Autobahn die Geschwindigkeit automatisch der Verkehrslage anzupassen. 2008 erlebte eine weitere Technik im Volkswagen Passat CC ihre Premiere: Das Auto behielt auf Schnellstraßen die Fahrbahnmarkierungen im Blick und steuerte das Fahrzeug so, dass es in der Bahn blieb. Sobald der Fahrer für wenige Sekunden die Hände vom Lenkrad nahm, ertönte eine Warnung, und kurz darauf schaltete sich das als Spurhalteassistent vermarktete System ab.

Es begann 2014

Die ersten mit einer Autopilotfunktion ausgestatteten Fahrzeuge von Tesla kamen 2014 auf den Markt. Es stellte sich rasch heraus: Das System entsprach technisch der schon einige Jahre alten Lösung von Volkswagen , mit einem entscheidenden Unterschied: das System schaltete sich nicht vorsichtshalber ab. Lediglich auf dem Bildschirm im Cockpit erschien ein Hinweis, weiter auf den Verkehr zu achten. In der Folge kam es immer wieder zu Unfällen, teilweise mit tödlichen Folgen. Doch das ganze Ausmaß der Fehlerserie verdeutlicht erst ein interner Datensatz, der dem „Handelsblatt“ zugespielt wurde. Er dokumentiert mehr als 1000 Unfälle sowie zahlreiche Kundenbeschwerden über ungewollte Bremsungen oder Beschleunigungen, die vom Fahrer nicht verhindert werden konnten. Auf ihre Fragen erhielt die Redaktion keine Antwort, sondern ein anwaltliches Schreiben, das vor der Veröffentlichung der Daten warnte.

Dass sich selbst Tesla-Chef Elon Musk derzeit mit öffentlichen Äußerungen zum angeblichen Autopiloten zurückhält, dürfte auch auf mehrere Verfahren zurückzuführen sein, denen sich das Unternehmen derzeit stellen muss. So zwang die US-amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde Tesla erst im April, 362.000 Autos zurückzurufen, die mit dem „Full Self Driving“-System ausgestattet sind. Dabei handelt es sich um die höchste von drei Ausstattungsstufen, in Deutschland ist sie unter dem Namen „Volles Potential für autonomes Fahren“ für 7500 Euro Aufpreis zu bestellen. Die beiden als Autopilot bezeichneten Systeme mit geringerem Funktionsumfang sind nicht von dem Rückruf betroffen, werden der Börde zufolge jedoch weiterhin untersucht.

Als primäre Ursache für Teslas Schwierigkeiten, ein selbstfahrendes Auto zu realisieren, vermuten deutsche Ingenieure vor allem eine Fehlentscheidung, die schon vor einigen Jahren getroffen wurde: Tesla setzte lange ausschließlich auf Videokameras für die Situationserkennung. Es kann nur vermutet werden, dass die raschen Fortschritte des maschinellen Lernens in der vergangenen Dekade Musk dazu verleitet hatten, andere Sensorkonzepte auszusortieren, zumal dadurch erhebliche Kostenvorteile zu erzielen sind.

Von Audi bis ZF setzt die deutsche Indus­trie hingegen auf eine Kombination von Lidar, Radar und Videotechnik. Vor allem die Lidarsensoren, die mit unschädlichen und nichtsichtbaren Laserstrahlen arbeitet, gelten als besonders präzise, Google setzte sie in seinen selbstfahrenden Autos von Anfang an ein. Doch als Musk begann, das autonome Fahren als wertbestimmend für Tesla zu definieren, waren Lidarsensoren noch riesige Klötze, die auf dem Dach des Autos montiert werden mussten und Zehntausende Euro kosteten – nichts für ein Serienauto.

Seit 2020 kompakte Lidarsensoren

Erst seit etwa 2020 sind Zulieferer wie Continental oder Valeo in der Lage, kompakte Lidarsensoren herzustellen. Mercedes-Benz nutzt alle verfügbaren Sensoren für die Funktion „Drive Pilot“ in der Luxuslimousine S-Klasse, einen Nässesensor im Radhaus inklusive. Damit ist es den Stuttgartern als erstem Hersteller gelungen, eine Zulassung zu automatisiertem Fahren der Stufe 3 zu erhalten. Das bedeutet, dass der Fahrer sich zwar bereithalten muss, aber während der Fahrt andere Dinge tun darf. Momentan ist das System aber nur in bestimmten Autobahnabschnitten und nur bis zu einer Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern aktiv. Technisch ginge mehr, heißt es, doch man wolle auf Nummer sicher gehen.

Von Tesla ist zwar mittlerweile bekannt, dass die Zulassung bestimmter Radarsensoren in den Vereinigten Staaten beantragt wurde. Wie schnell das Unternehmen eine Zulassung für automatisiertes Fahren erhält, ist jedoch noch offen, bislang liegt definitiv weder für Deutschland noch im Heimatland eine Genehmigung vor.

Der Börsenwert Teslas scheint von der neuerlichen Diskussion um den Autopiloten unbeeindruckt. Vergangenen Freitag schnellte der Kurs nach oben, eine Reaktion auf die Nachricht, dass das Modell Y im ersten Quartal das meistverkaufte Auto der Welt gewesen sein soll. Für Europa stimmt das den Zahlen der Marktforscher von Jato zufolge, wenngleich sich Tesla mit insgesamt 93.000 Neuzulassungen nur auf Platz 16 der Autohersteller befand. Spitzenreiter Volkswagen kam auf 330.000 Neuzulassungen im selben Zeitraum.

Allerdings erhoben Aktionäre Anfang des Jahres bereits eine Sammelklage in San Francisco. Die Kläger monieren, dass unkorrekte Angaben über die Unfallgefahren der von Tesla angebotenen Systeme zu einem erheblichen Kursverlust seit dem 19. Februar 2021 geführt hätten. An jenem Tag fiel der Aktienkurs um 3,4 Prozent, nach einem Unfall, in dessen Folge zwei Menschen starben. Bei 714,63 Dollar notierte die Aktie damals, rechnet man den vollzogenen Aktiensplit heraus, entspricht das seither einem Rückgang von etwa einem Viertel des Ausgangswerts.

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