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Tesla Semi-Vorstellung: Geschichte scheint sich zu wiederholen, Musk setzt klassische Hersteller unter Druck

Als Tesla den ersten Elektro-Roadster vorstellte, blieben die alteingesessenen OEMs ziemlich entspannt. Laptop-Batterien in einem Auto? Wir hirnlos ist das denn? Eine fatale Fehleinschätzung. Fast 15 Jahre später scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Gestern stellten die Amerikaner den serienmäßigen „Tesla Semi“, einen Schwerlast-Lkw vor, der mit einer mehrjährigen Verspätung an erste Kunden wie Pepsi ausgeliefert wird. Eigentlich sollte der elektrische Lkw schon vor Jahren fertig sein. Aber gut Ding will Weile haben.

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Tesla Semi-Auslieferungsparty am 1 Dezember 2022. Gut möglich, dass der Elektro-Lkw die Branche von Grund auf revolutioniert.

Die Zweifler 

Als Musk 2017 bei der Vorstellung des Semi-Prototypen erklärte, dass man eine Reichweite von 800 Kilometern anpeile, blieben die klassischen OEMs wieder ziemlich entspannt. Manager von Mercedes-Benz Trucks zweifelten bis vor einigen Wochen noch vehement an den Reichweiten-Aussagen des streitbaren Entrepreneurs. Und auch branchenfremde „Transport-Koryphäen“ wie Bill Gates brillierten mit abfälligen Kommentaren. Freilich: die klassischen Lkw-Hersteller sind diesmal nicht ganz so ahnungslos, wie die Pkw-Hersteller vor 15 Jahren. Sie haben bereits mit eigenen Entwicklungen zum Schwerlastverkehr begonnen.

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Emissionen durch Schwerlastverkehr: Begründung für die Transformation.

Nichts gelernt?

Wenn man jedoch die Bemühungen der Lkw-Hersteller betrachtet, kommt man nicht umhin festzustellen, dass man auch mit diesem zweiten Aufguss des Rennens um alternative Antriebe, nicht gelernt hat, „Out-of-the-Box“ zu denken. Die elektrifizierten Prototypen sehen aus wie ganz normale Lkw, es scheint, als habe man nur den Dieselmotor durch einen Elektromotor samt großer Batterie ersetzt. Wer Musk kennt, der weiß, dass er alles in Frage stellt – was hin und wieder auch zu fatalen Fehleinschätzungen führt. Musk, so erklärte es unlängst der ehemalige Siemens-Chef Joe Kaeser, gewinnt nie zu Null, sondern meistens 4 zu 5 oder ähnlich. Will sagen: er lernt aus seinen Fehlern, und das schnell.

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Musk erklärt die Dringlichkeit der Schwertransport-Verkehrswende.

Schnelligkeit ist Trumpf

Die Entwicklung eines Elektro-Lkws von der Vorstellung zur Serie innerhalb von 5 Jahren ist lang, aber kürzer als die der klassischen Hersteller. Zumal Musk die Sache „ganzheitlich“ angeht. Hier wird nicht nur ein Fahrzeug von Grund auf neu entwickelt, auch das Drumherum wird bedacht. Die vertikale Integration bei Tesla ist gigantisch. Das betrifft die Software, die Hardware und den Antrieb genauso, wie eine Ladeinfrastruktur und das Backup dafür. Backup in Form von Solarkompetenz und Speicheranlagen im Megawatt-Stunden-Bereich. All diese Parameter haben letztlich dazu geführt, dass der Semi seine Feuertaufe – 800 km mit einer Batterieladung vollbeladen – mit Bravur bestanden hat.

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Super-effizienter Antrieb dank cleverer Arbeitsteilung: Zwei Motoren für Beschleunigung und einer fürs „Cruisen“.

„Vorsprung durch Technik“

Der Tesla Semi verfügt unter anderem über einen revolutionären Antrieb, der aus 3 Motoren besteht: 2 die für die Beschleunigung zuständig sind und Drehmoment-optimiert arbeiten und einer für den Highway, der vor allem höchst effizient arbeitet. Zusammen hat dieser Antrieb dafür gesorgt, dass der durchschnittliche Verbrauch auf der Testfahrt rund 2 kWh pro Meile betrug. Umgerechnet also 124 kWh pro 100 Kilometer. Das entspricht einem Benzinäquivalent von sagenhaften 13,8 Litern.

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Chart zur Topografie und zum Energieverbrauch der 800-Kilometer-Testfahrt.

Riesige Batterie

Der Semi verfügt über eine riesige Batterie mit 1 MWh Kapazität. Das sind rund 10 Model S. Die Leistung des Lkw ist so hoch, dass selbst bei Beladung eine Beschleunigung bei einer Steigung von 6% noch problemlos möglich ist. Bei solchen Steigungen sind vollbeladene Diesel-Pendants bereits am Limit. Möglich macht dies auch eine Software, die das Zusammenspiel der beiden Antriebskomponenten für den Fahrer im Hintergrund erledigt. Der muss tatsächlich nur aufs Gaspedal drücken und die Bremse weit weniger beanspruchen, wie sein Kollege im Diesel.

Tesla Semi driving 500 miles, fully loaded, on a single charge pic.twitter.com/iZzomLcwZF

— Tesla (@Tesla) December 2, 2022

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Wirklich effizient wird der Semi aber nur durch die Kombination Anhänger und Zugmaschine.

Sicherheitsaspekte

Elektrofahrzeuge arbeiten mit Rekuperation. Die sorgt dafür, dass Energie wieder in die Batterie zurückfliesst, wenn man vom „Gas“ geht. Das Ergebnis sind Bremsen, die in der Regel weit über 100.000 Kilometer halten, weil sie kaum beansprucht werden. Bei Lkw ist die Bremsenbeanspruchung gigantisch – so gigantisch, dass bei abschüssigen Strecken wie dem berühmten Zirler Berg Geschwindigkeitsbegrenzungen drakonisch durchgesetzt werden. Denn bei Überhitzung der Bremsen rettet einen Lkw, dessen Bremsen versagen, nur noch einer der vielen Notausläufe. Der Semi scheint hier seine gigantischen Vorteile durch die Rekuperation auszuspielen. Musk erklärte, dass die Bremsen kaum auf Temperatur kommen, wenns abschüssig wird – erstaunlich aber nachvollziehbar.

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Megawatt-Charging mit speziellen, flüssigkeitsgekühlten Kabeln.

e-engine meint: es wird spannend. Tatsächlich kommt nun der Alltagseinsatz, der vieles relativieren könnte. Tesla selbst setzt natürlich auch auf seine Semis bei Versorgungsfahrten zwischen Nevada und Fremont. Während in Deutschland noch Studien dazu gemacht werden, wie das Megacharging in Zukunft funktionieren kann (wohl wissend, dass die Energieinfrastruktur dafür hierzulande erst aufgebaut bzw. optimiert werden muss), Wasserstoff als echte Alternative für die Langstrecke präferiert wird, baut Tesla wie schon bei den Pkw eine eigene Infrastruktur auf. Inklusive flüssigkeitsgekühlter Ladekabel und Co. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen, die klassischen Hersteller waren mal wieder zu langsam und die Chancen, dass das Unternehmen im Schwerverkehr einen Riesenanteil ergattern kann, stehen nach gestrigem Sachstand, exzellent.

Fotos: Tesla, Tesla Youtube-Stills

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