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Technologieoffenheit ist keine Zauberformel

technologieoffenheit ist keine zauberformel

Technologieoffenheit ist keine Zauberformel

Die Politik kann nicht vorschreiben, welche technische Lösung sich durchsetzen soll. Innovation entsteht durch ein freies Spiel der besten Ideen, nicht durch starre Reglementierung. Auch der Siegeszug des Computers begann nicht mit einem Verbot der Schreibmaschine.

All diese Aussagen sind völlig korrekt. Und sie alle hört man nun wieder in der Diskussion um die Zukunft des Automobils: Wir können doch heute noch gar nicht wissen, wie die Mobilität der Zukunft aussehen wird. Setzen sich wirklich batterieelektrische Autos durch? Oder betreiben wir unsere Fahrzeuge in Zukunft mit E-Fuels, die nicht auf klimaschädliche Weise aus Erdöl gewonnen werden, sondern ganz nachhaltig, aus dem CO2 der Atmosphäre?

Damit wird gegen das geplante EU-weite Verbot von neuzugelassenen Verbrennungsmotoren ab 2035 argumentiert. Man spricht gerne von Technologieoffenheit: Lassen wir doch den freien Markt entscheiden, welcher Autoantrieb sich durchsetzt! Alle Ideen sollen eine faire Chance bekommen! Das klingt rational, unaufgeregt und höchst sinnvoll. Leider werden dabei aber ein paar wichtige Punkte übersehen.

An der Physik kommt man nicht vorbei

Das erste große Missverständnis: Auch der allerfreieste Markt kann die Gesetze der Physik nicht aushebeln. E-Fuels herstellen heißt: Man speichert Energie in Form von Treibstoff. Man muss also CO2-neutral erzeugte elektrische Energie in chemische Energie umwandeln. Dann hat man Treibstoff, der im Auto dann in Wärmeenergie und Bewegungsenergie umgewandelt wird. Bei einem batterieelektrischen Auto hingegen wird elektrische Energie direkt in Bewegungsenergie umgewandelt.

E-Fuels sind also ein Umweg – und dass ein Umweg länger und ineffizienter ist als ein direkter Weg, lässt sich auch durch technische Innovation nicht ändern. Ein Verbrennungsmotor muss sich an die Gesetze der Thermodynamik halten und die sagen: Er kann die Effizienz von einer Batterie nicht erreichen. Wenn man eine bestimmte Menge an elektrischer Energie zur Verfügung hat, dann ist es immer effizienter, damit eine Batterie aufzuladen, als damit Treibstoff herzustellen. Kein Maß an Technologieoffenheit, Erfindergeist und Kreativität wird das ändern.

E-Fuels: Eine gute Idee für bestimmte Nischen

Ein mit E-Fuels gefahrener Kilometer muss daher auch in Zukunft teurer sein als ein batterieelektrisch gefahrener Kilometer. Warum sollten Menschen in Zukunft freiwillig einen Verbrenner-Aufpreis zahlen wollen? Die Vorstellung, wir würden unsere heutige Verbrenner-Flotte in Zukunft einfach weiterbetreiben und einfach nur mit E-Fuels betanken, ist illusorisch. Der Ausbau erneuerbarer Energie ist ohnehin bereits eine große Herausforderung. Wenn wir nun auch noch den heutigen Bedarf an Benzin und Diesel mit E-Fuels decken wollen, erhöht sich der Bedarf an erneuerbarer Energie noch einmal drastisch.

Dasselbe gilt für Treibstoffe, die aus Altöl oder Bioabfällen gewonnen werden: Auch daraus kann man Treibstoff gewinnen – und das ist eine großartige Sache. Aber selbstverständlich kann man damit nur einen winzigen Teil der Treibstoffmenge erzeugen, die wir heute verbrauchen, auch wenn wir hundert Prozent unserer Bioabfälle dafür verwenden.

Viele Automobilhersteller haben das längst erkannt und werden in den nächsten Jahren die Produktion von Verbrennungsmotoren einstellen. Das nun diskutierte Verbot von Verbrenner-Neuzulassungen ab 2035 hat daher vermutlich ohnehin keine besonders großen Auswirkungen, denn bis dahin wird der Verbrenner wohl ohnehin allgemein als Auslaufmodell betrachtet werden.

Das heißt aber nicht, dass E-Fuels nutzlos sind. Im Gegenteil: Mit ihnen wird man wohl in Zukunft viel Geld verdienen können. Für den gewöhnlichen PKW wird man sie nicht verwenden, dafür werden sie zu teuer sein. Aber man wird sie für bestimmte Industrieprozesse brauchen – und vielleicht auch für Flugzeuge? Oder für Schiffe? Für Leute, die in Zukunft noch aus Sentimentalitätsgründen ihre alten Verbrenner spazieren fahren wollen und bereit sind, dafür einen hohen E-Fuel-Preis zu zahlen?

All das ist interessant. Aber man muss ehrlich sein: Eine marktwirtschaftlich überlebensfähige E-Fuel-Industrie wird man nicht bekommen, indem man Investoren mit dem völlig unrealistischen Versprechen lockt, dass man mit E-Fuels in Zukunft das Familienauto betanken wird.

Der freie Markt regelt sich nicht immer selbst

Das zweite große Missverständnis: Der freie Markt ist ziemlich gut darin, die effizienteste Lösung zu finden – aber nur dann, wenn jeder die Kosten für seine freien Entscheidungen selber trägt. Bei Treibhausgasen ist das aber nicht der Fall: Die Kosten, die durch den Ausstoß von CO2 entstehen, tragen wir alle, egal wie CO2-intensiv wir leben. Aus marktwirtschaftlicher Sicht müssten diese Kosten jedem einzelnen Emittenten verrechnet werden, etwa in Form einer CO2-Steuer. Sonst handelt es sich um eine versteckte Umverteilung von uns allen zu jenen, die am meisten CO2 emittieren – und das hat mit freiem Markt nichts zu tun.

Wer sich also für Technologieoffenheit ausspricht, müsste logischerweise zuerst dafür sorgen, dass der Ausstoß von Treibhausgasen einen angemessenen, fairen Preis hat, denn sonst kann der freie Markt nach den Gesetzen der Ökonomie gar kein effizientes Ergebnis hervorbringen. Man nennt das „Internalisierung von Externalitäten“. Derzeit allerdings machen wir eher das Gegenteil: Wir fördern jährlich mit Milliarden an Steuergeld klimaschädliches Verhalten – von Steuererleichterungen auf Kerosin bis hin zur Pendlerpauschale für Verbrenner. Ein „freies Spiel der besten Ideen“ kann so schon rein logisch nicht entstehen.

Das Argument, dass der Staat nicht autoritär verordnen kann, welche Technologie sich durchsetzen soll, ist also grundsätzlich richtig. Aber wenn man das Ignorieren von physikalischen oder ökonomischen Grundgesetzen mit Freiheit verwechselt, darf man sich nicht wundern, wenn man Ergebnisse erzielt, die uns am Ende allen schaden.

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