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Spanien will Hub für Elektromobilität werden

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Spanien will Hub für Elektromobilität werden

In einer modernen Halle am Rande der Autofabrik von Seat in Martorell stehen Geräte, die riesigen Waschmaschinen gleichen. Dort werden Batterien mit der Simulation extremer Bedingungen auf ihre Belastbarkeit geprüft. Das Test Centre Energy wurde Ende 2021 eröffnet und ist das einzige der

Volkswagen

gruppe in Europa außerhalb von Deutschland. Es werden nicht nur Batterien für die spanischen Tochtermarken Seat und Cupra getestet, sondern auch für den Rest der Gruppe. In der Fabrik nebenan, wo heute die Modelle von Seat und Cupra vom Band rollen, werden ab 2025 Elektromobile produziert. Martorell soll die große Plattform für kleine batteriebetriebene Wagen (Small BEV) des Wolfsburger Konzerns werden.

VW spielt zweifellos die Vorreiterrolle bei den Investitionen in die Elektromobilität in Spanien. Am 17. März legten Spaniens König Felipe VI. und Ministerpräsident Pedro Sánchez mit den Unternehmenschefs den Grundstein zum Bau einer großen Batteriefabrik in der Hafenstadt Sagunto bei Valencia, mit einer anfänglichen Kapazität von 40 Gigawatt im Jahr.

VW investiert im Verbund mit rund 50 anderen Firmen insgesamt 10 Mrd. Euro in die Elektromobilität. Das Batteriewerk in Sagunto gilt dabei als Leuchtturmprojekt, das auch andere Autobauer von den Standortvorteilen Spaniens für die Elektrifizierung überzeugen soll. „Diese Gigafabrik hilft dabei, die Zukunft der spanischen Automobilindustrie zu gewährleisten, die acht Prozent unserer Wirtschaftskraft ausmacht und fast zwei Millionen Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt“, unterstrich Sánchez auf dem Festakt.

Zug nicht verpassen

Vor wenigen Jahren sah die Lage hierzulande noch ganz anders aus. In Wirtschaft und Politik machte sich die Sorge breit, dass Spanien den Zug Richtung Elektromobilität verpassen könnte. Denn es gab lange Zeit, wenn überhaupt, nur vage Zusagen an entsprechende Investitionen. Spanien ist zwar nach Deutschland der zweitgrößte Autofabrikant Europas, dessen 16 Werke im zu­rückliegenden Jahr etwa 2,2 Millionen Wagen produzierten. Doch sitzen die Konzernzentralen, wo die Entscheidungen fallen, allesamt im Ausland. Die Ankündigung des japanischen Autobauers Nissan, dass man das seit vielen Jahren bestehende Werk in Barcelona schließen werde, war ein Schock für die Automobilbranche, die nach dem Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes ist.

Die Linksregierung von Sánchez schien den Ernst der Lage erkannt zu haben und erhielt zudem unerwartete Unterstützung infolge der Corona-Pandemie. Madrid kann mit bis zu 140 Mrd. Euro aus dem Europäischen Aufbaufonds rechnen. Ein guter Batzen der „Next Generation“-EU-Hilfen fließt in die Transition zu Elektromobilität, wie auch den Ausbau von Ökostrom, bei dem Spanien sowieso schon weiter ist als andere in Europa. „Die Gelder aus den ,Next Generation‘-EU-Fonds waren schon ausschlaggebend für die Entscheidung des Konzerns, in Spanien zu investieren, neben dem Potenzial Spaniens bei den erneuerbaren Energien“, berichtete Wayne Griffiths, der CEO von Seat, im Gespräch mit deutschsprachigen Journalisten bei der Vorlage der Jahreszahlen von Seat in Barcelona am 22. März.

Die Batteriefabrik der Wolfsburger in Sagunto ist nicht das einzige Projekt dieser Art.

Envision

aus China baut für 1 Mrd. Euro ein Werk in der Extremadura. In dieser dünn besiedelten Region an der Grenze zu Portugal, wo es Lithium-Vorkommen gibt, errichtet auch die spanische Firma Phi4tech eine Batteriefabrik.

Basquevolt zieht eine Produktionsstätte in der baskischen Hauptstadt Vitoria hoch, wo Mercedes ihre Wagen produziert. Nach einem Besuch vor Ort Mitte März erklärte auch Inobat aus der Slowakei, dass man den Bau einer Batteriefabrik in Valladolid nun gründlich prüfen wolle. Außerdem buhlt die Regierung von Sánchez aktuell eifrig um den Autobauer Tata Motors aus Indien, der mit Blick auf den Standort für ein Batteriewerk derzeit noch zwischen Großbritannien und Spanien schwankt.

Geringe Verkaufszahlen

Auch wenn die Investitionen gut laufen, bemängelt die Branche gewisse Rahmenbedingungen. Seat-Chef Griffiths, der auch Vorsitzender des spanischen Autobauerverbandes Anfac ist, klagt über den sehr geringen Verkauf von Elektroautos auf dem spanischen Markt.

Von den 813 000 Wagen, die im vergangenen Jahr in Spanien verkauft wurden, hatten weniger als 10 % einen Elektroantrieb, und der Großteil davon waren Hybridmodelle. „Ich glaube, Spanien hat alles, was es braucht, um ein Hub für die Elek­tromobilität in Europa zu werden, aber wir müssen die Verkaufszahlen in Spanien beschleunigen“, erklärte Griffiths bei der Bilanzvorlage in Barcelona.

Die Linksregierung hat mit Kaufanreizen für Elektroautos bislang eher gespart. „Viele europäische Länder haben Anreizsysteme, um die Nachfrage für E-Autos zu schaffen, zumindest kurzfristig. In Spanien gibt es das nicht in bedeutsamer Form. Aber es braucht eine kritische Masse“, erläutert der Finanzchef von

Seat

, David Powels, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Auch die Infrastruktur für die Elektromobilität lässt zu wünschen übrig. Statt der notwendigen 40

000 Ladestationen sind in Spanien bislang nicht einmal halb so viele in Betrieb. Sogar das benachbarte Portugal ist da weiter.

Es handelt sich um das klassische Dilemma von Henne und Ei. Ohne eine kritische Masse an batterie­betriebenen Fahrzeugen will kaum jemand in Ladestationen inves­tieren. Doch ohne ausreichend Ladestationen lassen sich wiederum die Verbraucher in Spanien nur schwer für den Umstieg vom Verbrenner auf das Elektroauto überzeugen. Hinzu kommt, dass Spanien ein sehr großflächiges Land ist, mit sehr langen Distanzen zwischen den verschiedenen Ballungsge­bieten.

Schub für Ladestationen

Die Klagen der Industrie stießen bei der Politik offenbar auf Gehör. Bei einem Treffen mit Branchenvertretern Mitte März versprach Sánchez neue Schritte zur Unterstützung des Transformationsprozesses. Dazu gehören Zuschüsse für die Elektrifizierung von Fahrzeugflotten von Unternehmen sowie Hilfen für den Ausbau von Ladestationen. Im Mai soll ein Geoportal in Betrieb genommen werden, über das sich die Autofahrer über die Standorte von Lademöglichkeiten für ihr Auto erkundigen können – und auch darüber, ob diese funktionieren. Denn vielerorts in Spanien stehen die brandneuen Ladesäulen zurzeit zwar herum, jedoch ohne Anschluss. Das wiederum liegt meist an bürokratischen Hürden.

Die Regierung verspricht Besserung. Die Wettbewerbsaufsicht CNMC will nun die Auflagen für die Installation von Ladestationen erleichtern, und die zuständigen Techniker in den Gemeinden sollen darauf geschult werden, wie man die Zulassung für Stromzapfsäulen schneller bewältigen kann.

Das ist allerdings nicht das einzige Problem. Im dezentralisierten Spanien gibt es zudem „eine wenig homogene Regulierung in den verschiedenen Territorien“, kritisiert Juan Alfaro, Industrieexperte von Deloitte in Madrid.

Weniger Arbeitskräfte

Auch die Vergabe der Subventionen aus Brüssel soll im zweiten Versuch besser laufen als bei der ersten Auflage der sogenannten PERTE, als von den vorgesehenen 3 Mrd. Euro des Plans lediglich knapp 800 Mill. Euro zugeteilt werden konnten. Konzerne wie Ford gingen dabei leer aus, weil sie der Anforderung, die Investition bereits bis ins Jahr 2025 zu tätigen, nicht gerecht werden konnten. Das soll bei dem nächsten, nun bevorstehenden PERTE in jedem Fall besser werden.

Ford

hatte sich dennoch bei der Vergabe neuer Modelle für E-Autos für ihr Werk in Almussafes bei Valencia entschieden, zuungunsten von Saarlouis im Saarland. Die Freude über die zukunftsweisende Investitionszusage wich vor Tagen jedoch einer gewissen Ernüchterung. Ford kündigte an, dass man ein Fünftel der Belegschaft abbauen werde, da der Bau von Elektro­autos weniger Arbeitskraft erfordere.

Auch wenn demnächst weniger Arbeitsplätze nötig sein könnten, ist man in Spanien erleichtert da­rü­ber, dass der Sprung auf den Zug zur Elektromobilität noch gelungen ist.

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