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Skoda Kushaq: Dieses Auto für Indien lässt manche deutschen Modelle billig aussehen

Seit Skoda für den Boommarkt Indien verantwortlich ist, kommt der Volkswagen-Konzern dort voran. Für Modelle wie den SUV Kushaq wurde an manchen Standards gespart, doch anderes übertrifft deutsche Ansprüche.

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Skoda Kushaq: Dieses Auto für Indien lässt manche deutschen Modelle billig aussehen

Der erste Eindruck: Kodiaq, Karoq, Kamiq – Kushaq. Kennst du einen, kennst du alle. Mit 4,22 Meter Länge ist der indische Skoda-SUV zwar zwei Zentimeter kürzer als das kleinste Modell für Europa, folgt aber der gleichen Designlinie. In Indien fährt das Auto damit am oberen Ende des Massenmarkts.

Das sagt der Hersteller: Die Zeiten, in denen man Schwellenländern wie Indien abgelegte Modelle aus Europa habe verkaufen können, seien vorbei, sagt Jan Repa. Er ist Skodas Marketingchef für Indien und einer der Väter des Kushaqs, den er als »wahren Inder« rühmt. »Wir haben die europäische Technik und unsere heimischen Werte mit den Wünschen und Anforderungen des Subkontinents vereint und so aus dem europäischen Baukasten ein sehr indisches Auto konstruiert.«

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Das war nicht immer so. Denn jahrelang versuchte der Volkswagen-Konzern sein Glück in Indien mit Auslaufmodellen und standardisierter Billigware – und scheiterte. Dann sollte es eine Kooperation mit Suzuki richten, die ebenfalls misslang. Vor gut vier Jahren dann übertrug der Konzern der Tochtermarke Skoda die Verantwortung für die Region – inklusive eines angeblich hohen dreistelligen Millionenbudgets. Mit dem ließen Repa und seine Kollegen für Skoda und VW jeweils zwei Modelle entwickeln, die »erstmals richtig auf die Bedürfnisse der indischen Kunden abgestimmt sind«.

Die wurden offenbar gut getroffen. Denn seit bei VW die Modelle Taigun und Virtus, bei Skoda das SUV Kushaq sowie die technisch identische Limousine Slavia am Start sind, geht es steil bergauf. Besonders für Skoda: Zweimal hintereinander verdoppelte die Marke ihre Zulassungszahlen. Mit mehr als 45.000 Verkäufen bislang in diesem Jahr sei Indien für die tschechische Volkswagen-Tochter mittlerweile der drittgrößte Markt, sagt Petr Sloc, der Skoda-Chef in Indien. Darüber hinaus werden die »Indien 2.0«-Modelle aus dem Werk in Pune mittlerweile in fast 50 weitere Märkte exportiert. In Deutschland werden sie allerdings nicht vermarktet.

Indien gelte für die Autobranche als neuer »place to be«, sagt Piyush Arora, der indische Statthalter des VW-Konzerns. Der Subkontinent habe das Zeug zu einem zweiten China, sagt er. Und in Zeiten, in denen der Westen auf etwas kritischere Distanz zu Peking geht, könnte sich die Entwicklung noch beschleunigen. Die Statistik meldet jedenfalls deutlichen Aufholbedarf: Während in Deutschland auf 1000 Einwohner inzwischen mehr als 500 Autos kommen, sind es in Indien je nach Quelle zwischen 15 und 35. Gleichzeitig wachse der Wohlstand der 1,4 Milliarden Einwohner überdurchschnittlich, sagt Arora. Eine mehrere Hundert Millionen Menschen starke Mittelschicht habe plötzlich frei verfügbares Einkommen und investiere drauflos. »Die Inder befriedigen mit großem Appetit ihren Nachholbedarf«, sagt Jan Burgard vom Münchner Strategieberater Berylls. Er erwartet für dieses Jahr 3,6 Millionen Neuzulassungen – etwa eine Million mehr, als für Deutschland vorhergesagt werden. Nächstes Jahr sollen es vier Millionen werden, spätestens in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts werde Indien zum drittgrößten Automarkt der Welt, schätzt Burgard.

Das ist uns aufgefallen: Während man mit einem kleinen SUV im deutschen Verkehr als Mitläufer untergeht, sticht der Kushaq in Indien aus der Masse heraus. Ja, in Delhi und Mumbai sieht es auf den Straßen aus wie in Düsseldorf oder München, nur noch voller. Aber auf dem Land, etwa in Dehradun am Fuße des Himalaja, macht das Auto eine richtig gute Figur. Schließlich ist er vor allem umgeben von unzähligen Mofas mit ganzen Familien im Sattel, von Rikschas, überladenen Überlandbussen und klapprigen Kleinwagen, die meist von Suzuki Maruti kommen, von Tata oder aus Korea.

Da hilft die hohe Sitzposition, um den Überblick zu behalten. Und die mit einer Leistung von 150 PS für den indischen Markt vergleichsweise üppige Motorisierung hilft im Zusammenspiel mit dem Doppelkupplungsgetriebe, engen Situationen zügig zu entwischen.

So lassen sich die wenigen Lücken im dichten Verkehr nutzen. Die Höchstgeschwindigkeit von 190 km/h ist nebensächlich. Mehr als 100 km/h sind ohnehin fast nirgends erlaubt, und schon für einen Schnitt von 40 km/h fährt man sich um Kopf und Kragen. Deshalb darf man auf indischen Straßen auch keine großen Sprünge planen. Wenn die Navigation für 30 Kilometer eine Fahrzeit von 90 Minuten ausweist, ist das kein Softwarefehler, sondern eine fast schon optimistische Schätzung.

Das viele Stop-and-go hat auch Vorteile, genau wie die Zwangspausen vor den heiligen Kühen, die offenbar lieber den Schmutz von der Straße lecken, als das Gras nebenan zu fressen: Man hat Zeit, das Interieur zu betrachten – und stellt schnell fest, dass der Rotstift offenbar auch so angesetzt werden kann, dass es trotzdem schick aussieht und sich gut anfühlt. Schmucke Oberflächen, akkurate Passungen, noble Chromintarsien – selbst der dreimal so teure ID.3 aus Wolfsburg wirkt billig gegen das vermeintliche Billigauto aus Indien.

Das muss man wissen: Der Skoda Kushaq ist ein Ableger des Konzernbaukastens MQB-A0, auf dem auch Autos wie der VW Polo oder der Skoda Fabia basieren. Er ist baugleich mit dem VW Taigun und kommt im Tandem mit der kleinen Limousine Slavia, die bei VW den Zwilling Virtus hat. Die Preise beginnen in Indien bei 1,159 Millionen Rupien oder ungerechnet gut 13.000 Euro und liegen damit etwa ein Drittel unter dem ähnlich großen Europamodell Kamiq.

Möglich wird das durch die niedrigen Lohnkosten im Land, erläutert Produktstratege Repa, sowie durch maximale Lokalisierung. Statt Komponenten ins Land zu importieren, werden 95 Prozent der Bauteile von Zulieferern vor Ort produziert und sind damit ebenfalls entsprechend günstiger.

Und ja, an ein paar Standards hat Skoda auch geschraubt: Die Fabrik in Pune muss sich nicht an die ansonsten im gesamten Konzern vorgeschriebene Innenhöhe halten, da ein paar zusätzliche Ventilatoren ebenfalls für Durchlüftung sorgen können. Das Dach muss nicht wie üblich für die Last von drei Meter Schnee ausgelegt sein. Und die Scheibenwischer des Kushaq müssen auch nicht bei minus 15 Grad funktionieren, da Frost fast im gesamten Land praktisch nie aufkommt. Andere Bauteile dagegen sind stabiler ausgelegt als bei uns. Etwa das Fahrwerk – wegen der knöchelhohen Bodenwellen und der vielen Schlaglöcher. Und die Hupe, die hier im Dauereinsatz ist, wurde für die siebenfache Lebensdauer ausgelegt.

Keine Abstriche gibt es bei der Ausstattung. Im Gegenteil: Eine Sitzlüftung zum Beispiel verlangen indische Kunden selbst in dieser Klasse, und für die Nation der einen Milliarde Smartphones hat Skoda zudem ein eigenes Infotainmentsystem auf dem ungewöhnlich großen Touchscreen programmiert. Auch bei der Sicherheit wurde nicht gespart. Repa: »Denn Indien hat hier viel höhere Ansprüche als Europa und verlangt zum Beispiel schon ab dem neuen Jahr Ausstattungen wie Gurtwarner auf den Rücksitzen, die Brüssel erst viel später einfordert.« Wie konsequent Skoda vorging, zeigt eine Auszeichnung, auf die die Verantwortlichen besonders stolz sind. »Kein anderes Auto aus Indien hat beim offiziellen Crashtest so gut abgeschnitten wie der Kushaq.«

Das werden wir nicht vergessen: Die kleine Schale, die Skoda eigens für Kushaq und Slavia oben ins Armaturenbrett gefräst hat. Der Grund: Viele Inder platzieren dort gern ihre Ganesha-Statue als Talisman. Die Figur sieht zwar nicht schön aus und ist ein Staubfänger, aber wenn die Menschen sie ohnehin ins Auto stellen, soll sie wenigstens sicher stehen.

Thomas Geiger ist freier Autor und wurde bei seiner Recherche von Skoda unterstützt. Die Berichterstattung erfolgt davon unabhängig.

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